Facebook darf Kommentare, die gegebenenfalls nicht rechtswidrig sind, sich aber nach den eigenen Richtlinien als „Hassrede“ qualifizieren lassen, löschen. Facebook darf auch das Konto des Nutzers zeitweise sperren.
Dies hat mittlerweile auch das Landgericht Frankfurt entschieden, das sich damit neben das OLG Karlsruhe stellt, welches einen ähnlichen Standpunkt einnimmt.
Es gibt aber auch gewichtige Gegenstimmen. Der folgende Beitrag gibt einen Überblick.
„Danke, Merkel!“ – 30 Tage Facebook-Sperre
Der Entscheidung des Landgerichts lag folgender Fall zugrunde: Ein Facebook-Nutzer hatte als Reaktion auf einen Online-Artikel der Zeitung „Welt“ mit dem Titel „Eskalation in Dresden – 50 Asylbewerber attackieren Polizisten – Beamte werden getreten und geschlagen“ folgenden Kommentar abgesetzt:
„Wasser marsch, Knüppel frei und dann eine Einheit Militärpolizisten! Dann ist schnell Ruhe! Und jeden ermittelten Gast Merkels ab in die Heimat schicken.“
Facebook sperrte daraufhin den Account für 30 Tage, weil nach seinen Nutzungsbedingungen der Kommentar eine „Hassrede“ darstelle. Vor dem Landgericht Frankfurt am Main forderte der Nutzer in einem Eilverfahren, Facebook zu untersagen, seinen Account wegen dieser wörtlichen oder sinngemäßen Äußerung zu sperren oder den Kommentar zu löschen.
Antrag auf „Entsperrung“ scheitert
Das Landgericht Frankfurt am Main hat den Eilantrag des Nutzers zurückgewiesen (LG Frankfurt, Beschluss v. 10.9.2018, Az. 2-03 O 310/18).
Der Kommentar erfülle die Merkmale einer Hassrede im Sinne der Nutzungsbedingungen von Facebook. „Die Äußerung fällt unter die Hassredebedingungen der Antragsgegnerin (Anmerkung: Facebook), da sie zu Gewalt gegen die hier betroffenen Flüchtlinge aufruft. Denn der Durchschnittsempfänger kann die Äußerung nur so verstehen, dass Wasserwerfer, Knüppel und ggf. weitere Maßnahmen gegen Flüchtlinge angewendet werden sollen“, befand die Kammer des Landgerichts.
Äußerung sei zwar eine zulässige Meinungsäußerung, verstoße aber gegen die Facebook-Standards
Die Äußerung sei aber zugleich eine zulässige Meinungsäußerung im Sinne des Artikels 5 des Grundgesetzes. Sie stelle keine Schmähkritik dar, denn sie ziele nicht jenseits polemischer und überspitzter Kritik auf eine reine Diffamierung der Betroffenen ab. Der Nutzer habe seinen Kommentar aus Anlass einer Presseberichterstattung abgegeben, so dass sie auch nicht außerhalb jedes Sachzusammenhangs erfolgt sei.
Eine Äußerung, die wie vorliegend dem grundgesetzlichen Schutz der Meinungsfreiheit unterliege, könne von staatlichen Organen oder Institutionen zwar nicht ohne Weiteres gesperrt oder untersagt werden. Das gelte für den Betreiber eines sozialen Netzwerkes aber nicht in gleichem Maße. Facebook könne sich nämlich seinerseits auf den Schutz der Berufsfreiheit aus Artikel 12 des Grundgesetzes berufen, der sein Interesse am Betrieb der Plattform schütze. Die Rechte des Nutzers und die Interessen von Facebook müssten daher gegeneinander abgewogen werden, so das Gericht.
Die Kammer des Landgerichts berücksichtigte einerseits, dass sich der Nutzer in diesem bedeutenden sozialen Netzwerk während der Dauer der Sperrung nicht mehr äußern könne. Das Gericht erklärte, dass Facebook „einen wesentlichen Marktplatz für Informationen darstellt und ein großes Interesse für den Antragsteller (Anmerkung: der Nutzer) daran besteht, seine Meinung auf dieser konkreten Plattform äußern zu können.“
Andererseits habe Facebook ein Interesse am Betrieb seiner Plattform. Der Kammer sei bekannt, dass sich einzelne Nutzer wegen der (Hass-)Kommentare anderer Teilnehmer an Diskussionen nur eingeschränkt beteiligten und sich einer Meinungsäußerung enthielten. Ein juristisches Portal habe kürzlich die Kommentarfunktion sogar gänzlich deaktiviert, weil das Forum unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit zunehmend missbraucht worden sei, um Hass zu verbreiten. Bei seiner Entscheidung berücksichtigte die Kammer auch, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Einschränkungen der Meinungsäußerungsfreiheit im Einzelfall zulässt, wenn Grundrechte Dritter ernsthaft beeinträchtigt sind.
OLG Karlsruhe und LG Heidelberg sehen dies ähnlich
Ähnlich entschied das Landgericht Heidelberg Ende August 2018 unter Berufung auf das oben bereits genannte Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe (OLG Karlsruhe, Beschluss v. 25.6.2018, Az. 15 W 86/18). Der Kommentar, der von Facebook gelöscht worden war und zur Sperrung des betreffenden Mitglieds für 30 Tage geführt hatte, lautete wie folgt:
„Respekt! Das ist das Schlüsselwort! Für fundamentalistische Muslime sind wir verweichlichte Ungläubige, Schweinefresser und unsere Frauen sind Huren. Sie bringen uns keinen Respekt entgegen.“
Die mit einem Antrag auf einstweilige Verfügung angerufene Kammer entschied, dass Facebook rechtmäßig gehandelt habe (LG Heidelberg, 28.8.2018 – 1 O 71/18). Der Kommentar sei zwar vor dem Hintergrund der Meinungsfreiheit grundsätzlich zulässig, verstoße aber gegen die Regeln von Facebook und dürfe daher gelöscht werden:
Die Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards der Verfügungsbeklagten berücksichtigen Art. 5 Abs. 1 GG jedoch in angemessener Weise (siehe hierzu auch OLG Karlsruhe, Beschluss vom 25.06.2018 – 15 W 86/18 – juris, Rn. 16 f. und Rn. 21). Zwar ist nach Art. 5 Abs. 1 GG grundsätzlich auch ein scharfer und polemischer diskursiver Meinungsaustausch geschützt. Art. 5 Abs. 1 GG ist damit Ausdruck des Konzepts der demokratischen Meinungsbildung des verfassten Rechtsstaats des deutschen Grundgesetzes. Als gewinnorientiertes Unternehmen ist die Verfügungsbeklagte jedoch nicht verpflichtet, dieses Konzept in Gänze zu verwirklichen, solange die grundsätzlichen Wertentscheidungen der deutschen Verfassung beachtet werden. Dies ist vorliegend der Fall, da die von der Verfügungsbeklagten vertraglich aufgrund ihres Interesses an einer störungsfreien Kommunikation und an der Vermeidung einer etwaigen eigenen Störerhaftung vorgegebenen Beschränkungen auf einem sachlichen Grund beruhen, den Wesensgehalt der Meinungsfreiheit nicht berühren und den grundrechtlichen Wertungen damit im Ergebnis hinreichend Rechnung tragen.
Andere Gerichte entschieden bereits anders
Es gibt allerdings neben dem Landgericht Frankfurt und dem Oberlandesgericht Karlsruhe auch Gerichte, die das anders sehen. So hat das Landgericht Berlin die Löschung eines Facebook-Kommentars im März 2018 im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt (LG Berlin, Beschluss v. 23.3.2018, Az. 31 O 21/18). Der Kommentar betraf einen Zeitungsartikel, in dem es unter anderem um Äußerungen des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban zur Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland ging. Darin schrieb der Nutzer:
„Die Deutschen verblöden immer mehr. Kein Wunder, werden sie doch von linken Systemmedien mit Fake-News über ‚Facharbeiter‘, sinkende Arbeitslosenzahlen oder Trump täglich zugemüllt.“
In einem Verfahren vor dem Oberlandesgericht München ging es um den folgenden Kommentar, der von Facebook unter Berufung auf seine Standards gelöscht worden war:
„Ich kann mich argumentativ leider nicht mehr mit Ihnen messen. Sie sind unbewaffnet und das wäre nicht besonders fair von mir.“
Nach einer einstweiligen Verfügung des Oberlandesgerichts München beim Löschen von Kommentaren der Meinungsfreiheit seiner Nutzer keine engeren Grenzen setzen, als staatliche Stellen dies dürften. Mit der Löschung einer umstrittenen Äußerung habe Facebook seine Vertragspflicht verletzt, auf die Rechte der Nutzerin Rücksicht zu nehmen, insbesondere ihr Grundrecht auf Meinungsfreiheit (OLG München, Beschluss vom 24.8.2018, Az. 18 W 1294/18).
Geht das Grundrecht der Meinungsfreiheit den Benimmregeln Facebooks vor?
Grundrechte sind grundsätzlich Abwehrrechte des Bürgers gegen staatliche Eingriffe. Sie entfalten zwischen Privaten, wie hier dem Antragsteller und Facebook, lediglich mittelbare Wirkung. Diese mittelbare Drittwirkung tritt immer dann ein, wenn jede zu treffende (staatliche) Entscheidung im Lichte der Grundrechte betrachtet werden muss. Das Grundgesetz ist im Sinne der mittelbaren Drittwirkung als eine Werteordnung anzusehen und bei der Beurteilung des Sachverhalts zu berücksichtigen.
Die Gemeinschaftsstandards von Facebook berücksichtigen nach Auffassung des Landgerichts Frankfurt und des Oberlandesgerichts Karlsruhe diese mittelbare Wirkung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit in angemessener Weise Das Landgericht Berlin und das Oberlandesgericht München scheinen demgegenüber der Auffassung zu sein, dass die verfassungsrechtlich geschützte Meinungsfreiheit einem virtuellen Hausrecht von Facebook stets vorgeht.
Eine interessante und wichtige Interessenabwägung, die wahrscheinlich bei der Frage, ob ein Partygast eines Privathauses verwiesen werden darf, wenn er unverschämt wird, sicherlich grundsätzlich zu Gunsten des Gastgebers zu entscheiden wäre.
Der Fall liegt in Bezug auf Facebook aber natürlich bereits deswegen anders, weil die Plattform Verträge mit ihren Nutzern schließt, die diesen – gegen die großzügige Überlassung von persönlichen Daten – die Möglichkeit der Teilnahme an der dort stattfindenden Kommunikation einräumen. Hinzu kommt, dass es sich bei Facebook mittlerweile eben nicht mehr um eine kleine „Party“, sondern mittlerweile um einen Marktplatz der Meinungen mit einer großen Marktmacht handelt.
Bei den genannten Gerichtsverfahren handelt es sich – soweit ersichtlich – um einstweilige Verfügungsverfahren, bei denen der Instanzenzug nicht über das jeweilige Oberlandesgericht hinausgeht. Bis einer der Fälle vom Bundesgerichtshof entschieden wird, kann es daher noch einige Zeit dauern. Es bleibt spannend.