Die Werbung für „Duftzwillinge“ ist rechtswidrig – auch in Kundenbewertungen

In wirtschaftlich schwierigen Zeiten verzichten viele zwar auf Luxusgüter, nicht aber auf den Bling-Bling-Effekt. Daher suchen Verbraucher oft gezielt nach Imitationen, um Geld zu sparen. Gleichzeitig versuchen Händler, den Absatz ihrer Produkte gerade durch den Vergleich mit dem „Originalprodukt“ zu steigern. Besonders beliebt ist diese Vorgehensweise bei Parfums.

Das Problem: Jede Erwähnung des Originals ist markenrechtswidrig, doch ohne eine solche Erwähnung verkauft sich der Duft nicht. Einige Händler sehen in den Kundenbewertungen eine vermeintlich geniale Lösung, um den Bezug zum Original herzustellen. Warum das nicht funktioniert, hat das Kammergericht Berlin in seiner Entscheidung vom 10.07.2024 dargelegt.

I. Sachverhalt

In dem vom KG Berlin entschiedenen Fall (KG Berlin, Urteil v. 10.07.2024, Az. 5 U 92/22) bot ein großer deutscher Drogeriemarkt in seinem Onlineshop Parfums an, die Duftmuster bekannter Markenparfums nachbildeten. In den von Kunden abgegebenen Bewertungen wurde häufig darauf hingewiesen, welchem Duft das Parfum gleiche und dass es eine gute Alternative zum „Original“ sei.

Konkret wurden Formulierungen wie „dem Original unglaublich/(sehr) stark ähnelnd“, „sehr ähnlich wie das Original“, „Ersatz/Alternative zum Original“, „fast wie das Original“, „Duftzwilling“ oder „Dupe“ verwendet. Der Hersteller der Originaldüfte beantragte daraufhin den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen den Betreiber des Onlineshops. Er begehrte, dass dem Betreiber untersagt werde, seine Produkte in Kundenbewertungen mit Bezugnahme auf das Original zu bewerben, da ein solches Vorgehen einen Wettbewerbsverstoß darstelle. Der Betreiber des Onlineshops hingegen argumentierte, er sei nicht für den Inhalt der Kundenbewertungen verantwortlich.

II. Können Kundenbewertungen Werbung sein?

Das Gericht hat sich auf die Definition von „Werbung“ gemäß Art. 2 Buchst. a der Richtlinie über irreführende und vergleichende Werbung (Werbe-RL) gestützt. Demnach umfasst der Begriff der Werbung jede Äußerung, die im Rahmen eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel gemacht wird, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern. Der Begriff der Werbung ist weit gefasst und nicht auf klassische Werbeformen beschränkt.

Das Gericht führte aus, dass Onlinebewertungen eine zentrale Rolle im Kaufprozess spielten. Sie sollten potenziellen Kunden suggerieren, dass unabhängige, nicht dem Verkäufer zugehörige Personen das Produkt getestet hätten, um eine glaubwürdige Beratung zu bieten. Gerade die Einbettung von Kundenbewertungen in eine Website solle sicherstellen, dass die Äußerungen der Kunden den Absatz der Waren fördern. Im vorliegenden Fall habe der Betreiber sogar die Abgabe von Bewertungen gefördert, indem er Anreize in Form von Gewinnspielen bot. Auch die Darstellung der Website verdeutliche die Relevanz der Bewertungen, da die durchschnittliche Sternebewertung direkt unterhalb der Produktbezeichnung angezeigt werde und Kunden durch einen einfachen Klick zu den Bewertungen gelangten.

Unabhängig davon, ob der Betreiber sowohl positive als auch negative Bewertungen zulässt, ist sein primäres Interesse die Absatzförderung. Folglich handele es sich bei der Einbettung von Kundenbewertungen auf einer Website um eine werbliche Maßnahme.

III. Zurechnung der Bewertungsaussagen

Das KG Berlin entschied, dass die im Rahmen von Kundenbewertungen gemachten Aussagen dem Betreiber zuzurechnen sind. Er habe bewusst entschieden, die Bewertungen als Werbemittel einzusetzen, ohne deren Inhalt zu kontrollieren oder rechtsverletzende Handlungen durch den Einsatz von Filtern zu verhindern. Der Betreiber habe erhebliche Anstrengungen unternommen, um Bewertungen von Kunden zu erhalten und diese so zu präsentieren, dass sie für potenzielle Neukunden als Kaufentscheidungshilfe nutzbar seien. Ziel sei es, den Absatz zu steigern, und daher müsse sich der Betreiber die Bewertungen zurechnen lassen.

Das Gericht unterschied den Fall von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH), in denen eine Zurechnung der Bewertungen abgelehnt wurde (z.B. BGH, Urteil vom 20. Februar 2020 – I ZR 193/18). Anders als bei Kundenbewertungen auf amazon.de, wo der Händler nicht über deren Anzeige und Darstellung entscheiden kann, hatte der Betreiber des Onlineshops hier direkten Einfluss und nutzte kein Kontrollsystem.

IV. Vergleichende Werbung

Das KG Berlin stellte fest, dass es sich bei den Kundenbewertungen um vergleichende Werbung handelt, da ein erkennbarer Bezug zwischen den Produkten zweier Wettbewerber hergestellt wird. Nach Art. 4 Buchst. g Werbe-RL i.V.m. Art. 9 Abs. 3 Buchst. f der Verordnung über die Unionsmarke (UMV) ist vergleichende Werbung unzulässig, wenn sie ein Produkt als Imitation oder Nachahmung eines geschützten Markenprodukts darstellt.

Das Gericht stellte klar, dass es ausreichend sei, wenn das Produkt als Imitation eines wesentlichen Merkmals eines Markenprodukts dargestellt werde. Dabei sei es unerheblich, ob es sich tatsächlich um eine Nachahmung handele. Im vorliegenden Fall hätten die Kundenbewertungen mehrfach den Namen des Originals genannt und das Produkt des Onlineshops als „sehr ähnlich“, „identisch“, „Alternative/Ersatz“, „Dupe“ oder „Duftzwilling“ beschrieben, was den Eindruck einer Nachahmung erwecke.

V. Fazit

Das KG Berlin kommt zu dem Ergebnis, dass es grundsätzlich möglich ist, ein bekanntes und erfolgreiches Produkt in den Grundzügen nachzubilden und günstiger anzubieten. Allerdings stellt das ausdrückliche Bewerben eines Produkts als Nachahmung oder Imitat – mit dem Ziel, durch den Ruf des Markenunternehmens den Absatz zu steigern – einen Wettbewerbsverstoß dar.

Wenn ein Händler Produkte in seinem eigenen Onlineshop oder einem Shop, bei dem er auf die Bewertungsfunktion Einfluss nehmen kann, vertreibt, muss er sich die Kundenbewertungen und deren Inhalt zurechnen lassen.

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