Regionale Herkunftsbezeichnungen für Lebensmittel können auch dann markenrechtlich geschützt sein, wenn sie nicht als sogenannte geschützte geografische Angabe nach EU-Recht gelten. Das hat der Bundesgerichtshof Ende Juli entschieden (BGH, Beschluss v. 29.7.2021, Az. I ZR 163/19).
Von Hohenloher Landschweinen und Weiderindern
Hohenlohe ist eine geografische Region im Norden von Baden-Württemberg. Die Bäuerliche Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall (BESH) stritt sich vor dem Bundesgerichtshof mit der Landmetzgerei Setzer aus Wolpertshausen im Kreis Schwäbisch Hall, der zu Hohenlohe gehört. Die BESH, zu der rund 1.500 Betriebe gehören, hatte sich die Bezeichnungen „Hohenloher Landschwein“ und „Hohenloher Weiderind“ schützen und 2012 beim Deutschen Patent- und Markenamt als Wortmarke bzw. als sogenannte Kollektivmarken eintragen lassen.
Die Metzgerei verwendete die beiden Marken und untersagte der Metzgerei die Verwendung, weil diese nicht die Erzeugerrichtlinien der BESH einhalte, welche beim Deutschen Patent- und Markenamt hinterlegt seien. Diese Erzeugerrichtlinien beinhalten Vorgaben zur Haltung und Fütterung, aber auch zum Transport, zur Schlachtung und Verarbeitung.
Metzger: „Hohenloher Landschwein“ ist Alltagsbezeichnung
Die Erzeugergemeinschaft verlangte Unterlassung und Schadenersatz von der Metzgerei. Das Landgericht wies die Klage der Erzeugergemeinschaft ab. Das Oberlandesgericht Stuttgart entschied 2019 jedoch in deren Sinne. Der BGH wies Revisionen gegen die Urteile zurück. Nachdem ein Vergleichsangebot scheiterte, zog die Metzgerei vor den BGH. Die Metzgerei war der Auffassung, dass es sich bei der Bezeichnung „Hohenloher Landschwein“ um eine Alltagsbezeichnung handele, welche die geografische Herkunft des Fleischs bezeichne. Da die Schweine der Metzgerei auch aus Hohenlohe stammten, dürfe sie auch ihr Fleisch als „Hohenloher Landschwein“ bewerben.
Deutsches Markenrecht versus EU-Recht
Bei geschützten Herkunftsbezeichnungen unterscheidet sich das deutsche Recht von EU-Recht. Nach deutschem Recht können Waren als Kollektivmarken geschützt werden, die wegen ihrer geografischen Herkunft von Produkten anderer Anbieter unterscheidbar sind. Im europäischen Recht existiert hingegen die sogenannte geschützte geografische Angabe, abgekürzt als „g.g.A.“, mit eigenen Kriterien.
Für Deutschland gibt es knapp 80 derartige Bezeichnungen. Beispiele dafür sind das Lübecker Marzipan, der Schwarzwälder Schinken oder die Nürnberger Rostbratwurst, deren Herstellung in der Region Nürnberg erfolgen muss, auch wenn das Schweinefleisch für die Wurst aus einem anderen EU-Land stammen darf. Die geschützte geografische Angabe existiert auch als EU-weit einheitliches Siegel. Darüber hinaus gibt es in Deutschland das strengere Siegel „geschützte geografische Ursprungsbezeichnung“, das nur zwölf Spezialitäten aus Deutschland tragen dürfen.
Nationaler Schutz auch möglich bei mangelnder Schutzfähigkeit auf EU-Ebene
Der neue BGH-Beschluss bedeutet, dass der nationale Markenschutz und die EU-Regeln weiterhin nebeneinander Bestand haben. Der BGH entschied, dass der Schutz nach deutschem Recht auch dann möglich ist, wenn dasselbe Markenzeichen auf EU-Ebene nicht schutzfähig ist.
„Schutz light“ auf nationaler Ebene?
Die unterlegene Metzgerei erklärte, es gebe keinen Grund mehr, strenge Qualitätskriterien einzuhalten, wenn ein Schutz viel leichter und ohne einen solchen Qualitätszusammenhang über nationales Recht geschaffen werden könne. Die Metzgerei hatte vor Gericht auch argumentiert, dass eine Vereinigung die vom EU-Gesetzgeber angestrebte Harmonisierung nicht umgehen und eine Kollektivmarke nach deutschem Recht eintragen lassen könne, wenn sie keinen Eintrag als geschützte geografische Angabe erhalte. Wer die Voraussetzungen an die Eintragung als europäische Angabe nicht erfülle, dürfe nicht „durch die Hintertür einen ‚Schutz light‘ auf nationaler Ebene erwirken“, hatte der Anwalt der Metzgerei vor der BGH-Entscheidung erklärt.
BGH-Entscheidung bislang unveröffentlicht
Die noch nicht veröffentlichte BGH-Entscheidung hat Einfluss auf tausende sogenannte Kollektivmarken. Sie genießen nun alle den vom BGH ausformulierten Schutz. Für die Hersteller einiger Produkte bedeutet der neue Beschluss ein Quasi-Monopol auf bestimmte Produkte.