Der Markt für Nahrungsergänzungsmittel boomt. Vor allem in den USA, aber auch in Europa. Damit die Anbieter nicht das Blaue vom Himmel versprechen, gibt es eine Norm, die regelt, womit die Präparate beworben werden dürfen und womit nicht: die Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel, kurz und auf deutsch: Health-Claims-Verordnung (HCVO).
Gesundheitsbezogenen Angaben müssen belegt sein
Behauptungen über die angebotenen Mittel und Mittelchen müssen im Sinne des Gesundheitsschutzes wissenschaftlich belegt sein. Die Einrichtung, die hierzu die Entscheidungen fällt und bei Vorliegen der Voraussetzungen die Genehmigungen erteilt, ist die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Nur, wenn die EFSA die Erlaubnis erteilt hat, darf mit einer gesundheitsbezogenen Angaben geworben werden. So können die Verbraucherin und der Verbraucher einigermaßen sicher sein, dass Eigenschaften, die einem Präparat zugeschrieben werden, Rückhalt finden in der Forschung.
Allgemeine Kategoriebezeichnungen wettbewerbswidrig
So weit, so gut – der Kontinent, auf dem die Universitäten entstanden und die Wissenschaft einst zu florieren begann, macht seinem Ruf alle Ehre. Allerdings geht der Anspruch der EFSA bzw. der HCVO recht weit. Dass beispielsweise schon mit den Kategoriebezeichnungen „Immunsystem“ und „Abwehrkräfte“ im Online-Shop einer Apotheke, in dem Nahrungsergänzungsmittel angeboten werden, ein wettbewerbswidriger Verstoß gegen Art. 10 Abs. 3 HCVO vorliegt, hat nun das LG Osnabrück entschieden (LG Osnabrück, Urteil v. 25.2.2022, Az.: 13 O 24/22).
Butter bei die Fische!
Art. 10 Abs. 3 HCVO regelt, dass „allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden“ nur dann Gegenstand der Werbung für ein Präparat sein darf, wenn diese Vorteile dann in ihrer konkreten Art spezifiziert werden. Ohne diese „spezielle gesundheitsbezogene Angabe“, die dann ihrerseits wiederum einer wissenschaftlichen Überprüfung durch die EFSA standhalten muss, ist eine generische Bemerkung zur Wirkung (wie etwa „stärkt die Abwehrkräfte“) nicht zulässig. Butter bei die Fische – so will es Europa!
Der Beitrag stammt von unserem freien Autor Josef Bordat. Er ist Teil unserer Reihe “Berichte aus der Parallelwelt”. Dort werfen Autoren aus anderen Fachbereichen einen Blick auf die Rechtswissenschaft in Theorie und Praxis. Die Beiträge betrachten, anders als unsere sonstigen Fachbeiträge Begebenheiten und Rechtsfälle daher auch nicht juristisch, sondern aus einem völlig anderen Blickwinkel. Aus welchem, das soll der Beurteilung der Leser überlassen bleiben. Interessant wird es, wie wir meinen, allemal.