Im Oktober hatten wir darüber berichtet, dass der BGH seine ebenfalls in diesem Blog gemeldete Rechtsprechung (Urteil vom 29. April 2010 – I ZR 69/08 – Vorschaubilder I) zur Google-Bildersuche fortgeführt hat (Urteil vom 19. Oktober 2011 – I ZR 140/10 – Vorschaubilder II). Der BGH hat nun mit gebührender Verzögerung das Urteil im Volltext veröffentlicht.
Wir hatten die Rechtsprechung zu den Vorschaubildern damals mit der Situation verglichen, dass man morgens nicht mehr mit dem Auto zur Arbeit kommen und auf dem Firmengelände parken darf, wenn man nicht möchte, dass der Arbeitgeber hin und wieder auch mal eine Runde damit dreht.
Dankenswerterweise ergeben sich daraus im Vergleich zur Pressemitteilung einige Klarstellungen. So hat der BGH nicht entschieden, dass es ein tatbestandsausschließendes Einverständnis bereits dann vorliegt, wenn Dritte die Werke widerrechtlich ins Internet gestellt haben.
Der bloße Umstand, dass irgendein Dritter ein urheberrechtlich geschütztes Werk online stellt, ist noch keine hinreichende Einwilligung in die Nutzung durch die Google-Bildersuche:
„Zwar lässt der Umstand, dass diese Abbildungen auf den Internetseiten „www. .com“ und „www. .com“ ohne technische Vorkehrungen gegen ein Auffinden und Anzeigen durch Bildersuchmaschinen eingestellt worden sind, aus Sicht der Beklagten als Suchmaschinenbetreiber darauf schließen, dass diejenigen, die diese Abbildungen dort eingestellt haben, ihre Einwilligung zu einer Anzeige von Vorschaubildern der Abbildungen erteilt haben. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann jedoch nach den allgemeinen Grundsätzen zur Darlegungs- und Beweislast nicht angenommen werden, dass der Kläger seine Zustimmung zu einem Einstellen der Abbildungen auf diesen Internetseiten erteilt hat. Die von diesen Dritten erklärte Einwilligung ist daher nicht wirksam.“
Die Rechtmäßigkeit der Nutzung durch Google ergab sich vielmehr erst daraus, dass das gleiche Bild sowohl teilweise rechtmäßig durch Dritte im Internet veröffentlicht wurde, teilweise aber eben auch durch andere Dritte widerrechtlich ins gestellt wurde.
In dem der Urheber Dritten das Recht einräume, das Bild im Internet zu veröffentlichen, habe er inzident diesen Dritten auch das Recht eingeräumt, dass sie statt ihm in die Nutzung durch die Google-Bildersuche einwilligen, was diese eben konkludent durch Nichtnutzung der robots.txt gemacht haben:
„Mit dem Einstellen von Abbildungen der Fotografie ins Internet haben diese Dritten durch schlüssiges Verhalten gegenüber den Betreibern von Suchmaschinen ihre schlichte Einwilligung zur Anzeige von Vorschaubildern der Abbildungen in Ergebnislisten von Bildersuchmaschinen erklärt. Da der Kläger diesen Dritten eine Lizenz zum Einstellen der Abbildungen ins Internet erteilt hat, ist ihre Einwilligung auch wirksam. Räumt ein Berechtigter einem Dritten ohne Einschränkungen das Recht ein, die Abbildung eines Werkes oder Lichtbildes im Internet öffentlich zugänglich zu machen, erteilt er damit in der Regel zugleich seine Zustimmung, dass der Dritte in eine Nutzung dieser Abbildung durch eine Bildersuchmaschine einwilligt.“
Die Zustimmung der berechtigten Dritten zur Nutzung der Bilder in der Google-Bildersuche erstreckt sich aber dann nach Ansicht des BGH auch auf die Wiedergabe der Bilder in der Google-Bildersuche unter Nennung der Webseite, welche die Bilder widerrechtlich nutzt:
„Die mit Zustimmung des Klägers erklärte Einwilligung in die Anzeige von Abbildungen der Fotografie als Vorschaubild ist nicht auf die Anzeige von Abbildungen der Fotografie beschränkt, die mit Zustimmung des Klägers ins Internet eingestellt worden sind. Für die Auslegung der Einwilligung kommt es auf den objektiven Erklärungsinhalt aus der Sicht des Erklärungsempfängers an (vgl. Urteil vom 29. April 2010 – I ZR 69/08 – Vorschaubilder I, Rn. 36). Es ist allgemein bekannt, dass Suchmaschinen, die das Internet in einem automatisierten Verfahren unter Einsatz von Computerprogrammen nach Bildern durchsuchen, nicht danach unterscheiden können, ob ein aufgefundenes Bild von einem Berechtigten oder einem Nichtberechtigten ins Internet eingestellt worden ist. Deshalb kann der Betreiber einer Suchmaschine die Einwilligung in die Wiedergabe von Abbildungen eines Werkes oder Lichtbildes als Vorschaubild nach ihrem objektiven Erklärungsinhalt nur dahin verstehen, dass sie sich auch auf die Wiedergabe von Abbildungen des Werkes oder der Fotografie erstreckt, die nicht vom Berechtigten oder mit seiner Zustimmung von einem Dritten ins Internet eingestellt worden sind.“
Diese Unterscheidung würde dann erheblich mehr Sinn ergeben, wenn auf Googles Servern jedes Bild nur ein einziges Mal als Kopie lagern würde, und für eine Kopie eine Mehrzahl an Links für dieses Bild gelistet wird. Tatsächlich ist es aber so, dass Google für jede Bildwiedergabe eine individuelle Kopie des Bildes anfertigt, und mit eigener URL versieht.
Sowohl die Katalogeinträge zu den berechtigten als auch den unberechtigten Veröffentlichungen geben ihre jeweils eigene Kopie des unberechtigten Bildes dar. Anders als der BGH es darstellt, ist es also nicht so, dass aus Googles Sicht das Vorschaubild für die unberechtigte Veröffentlichung vom Vorschaubild für die berechtigte Veröffentlichung nicht unterscheidbar ist. Vielmehr ist aus Googles Sicht der Fall, dass ein Vorschaubild für eine unberechtigte Veröffentlichung zufälliger- und glücklicherweise mit dem für eine berechtigte Veröffentlichung identisch ist ununterscheidbar von dem Fall, dass das Vorschaubild auf überhaupt keiner berechtigten Quelle beruht. Und im letzteren Fall soll doch gerade keine wirksame Einwilligung gegeben sein.
Man darf dem BGH als Rechtsinstanz aber zugutehalten, dass solche technischen Feinheiten offenbar nicht Teil des von der Tatsacheninstanz festgestellten Sachverhalts sind, wenngleich sie von jedem Google-Nutzer durch Rechtsklick auf die Vorschaubilder und der Anzeige der jeweils individuellen Bild-URL verifizierbar sind.
Im Ergebnis bleibt folgendes festzuhalten: Anders als damals vermutet ist es nicht so, dass es keinen Unterschied macht, ob ich oder ein Dritter mit meinem Auto ungefragt auf dem Parkplatz parkt.
Der Chef muss sich aber dann nicht mehr wundern, dass er von einem wildfremden Menschen die Schlüssel zu meinem Auto in die Hand gedrückt kriegt, wenn er einmal gesehen hat, wie mein Kollege mit meinem Einverständnis eine Spritztour mit meinem Wagen gemacht hat. (JJB)