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OLG Dresden zum Hausverbot und zur informationellen Selbstbestimmung

Aufzeichnung Supermarkt informationelle Selbstbestimmung
Photo by Mehrad Vosoughi on Unsplash

Wer das Hausrecht besitzt, darf entscheiden, wer sich im Haus aufhält. Soweit der Grundsatz.

Dass dieser auch im Einzelhandel gilt, hat der 4. Zivilsenat des OLG Dresden entschieden (OGL Dresden, Beschluss v. 19.4.2021, Az.: 4 W 243/21). Zugleich hat das OLG das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gestärkt.

Ohne Maske in den Markt

In dem Fall ging es um einen Sonderpostenmarkt, der einer Kundin, die sich weigerte, eine Corona-Schutzmaske zu tragen, durch einen Mitarbeiter untersagte, das Geschäft zu betreten und dort Filmaufnahmen zu machen. Begonnen hatte es damit, dass die Kundin ohne Mund-Nase-Bedeckung den Sonderpostenmarkt betreten wollte, woran sie von dem besagten Mitarbeiter des Geschäfts gehindert wurde. Dieser verlangte ein Attest, aus dem hervorgehen sollte, dass die Kundin keine Schutzmaske tragen könne bzw. zu tragen brauche. Als sie dieses jedoch nicht vorweisen konnte, erteilte der Mitarbeiter ihr Hausverbot.

Hausverbot ist Ausdruck der Privatautonomie

Das sei soweit auch in Ordnung, so das OLG Dresden, schon aufgrund der Wiederholungsgefahr, die der Mitarbeiter im Sinne des Geschäfts bannen wollte, und unabhängig davon, ob es sich bei dem Gebaren der Kundin um Hausfriedensbruch gehandelt habe. Für das Hausverbot reiche – unabhängig vom Eigentum an dem mit den Räumlichkeiten verbundenen Grundstück – die verfassungsrechtlich zugesicherte Privatautonomie (Art. 2 Abs. 1 GG), mit der die Selbstbestimmung des Einzelnen im Rechtsleben geschützt werden soll. Einen besonderen sachlichen Grund bedürfe es dabei nicht einmal, so das OLG Dresden unter Verweis auf die aktuelle Rechtsprechung des  Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss v. 11.4.2018, Az.: 1 BvR 3080/09), obgleich ein solcher durchaus gegeben war (behördliche Corona-Auflagen, die zur Zeit des Vorkommnisses zum Tragen eines Mund-Nase-Schutzes bzw. zu dessen Überwachung verpflichteten).

Filmaufnahmen verstoßen gegen informationelle Selbstbestimmung

Ferner gehört es zur Selbstbestimmung der bzw. des Einzelnen zu verlangen, dass man es unterlässt, Filmaufnahmen von ihr resp. ihm anzufertigen. Dieses Recht auf informationelle Selbstbestimmung ergibt sich aus dem allgemeinen Schadensersatz- (§ 823 Abs. 1 BGB) bzw. Unterlassungsanspruch (§ 1004 BGB) i.V.m. Art. 6 DSGVO. Datenschutzrechtlich ist das Filmen von Personen bedenklich, weil personenbezogene Daten i.S.v. Art. 4 Nr. 1 DSGVO gespeichert und verarbeitet werden, wenn durch Foto- oder Filmaufnahmen aus der Nähe körperliche Merkmale identifizierbar sind.

Anspruch auf Vernichtung der Filmaufnahmen

Insoweit schloss sich das OLG dem Urteil der Vorinstanz (LG Dresden) an. Anders sah es hingegen die Frage des Anspruchs auf Vernichtung der Filmaufnahmen. Ein solcher kann im Verfügungsverfahren nur dann geltend gemacht werden, wenn die Voraussetzungen für eine Leistungsverfügung vorliegen, was bei einer derartigen „Vorwegnahme der Hauptsache“ nicht gegeben ist. Es muss also abgewartet werden, wenn nicht gerade dadurch „ein erheblicher bzw. unverhältnismäßiger Vermögens- oder sonstiger Nachteil drohen“. Das sei hier nicht der Fall, so das OLG Dresden, das dem Anspruch auf Vernichtung der Videos gegenüber dem Anspruch auf Unterlassung der Weiterverbreitung insoweit nur eine untergeordnete Bedeutung zumaß.

Der Beitrag stammt von unserem freien Autor Josef Bordat. Er ist Teil unserer Reihe “Berichte aus der Parallelwelt”. Dort werfen Autoren aus anderen Fachbereichen einen Blick auf die Rechtswissenschaft in Theorie und Praxis. Die Beiträge betrachten, anders als unsere sonstigen Fachbeiträge Begebenheiten und Rechtsfälle daher auch nicht juristisch, sondern aus einem völlig anderen Blickwinkel. Aus welchem, das soll der Beurteilung der Leser überlassen bleiben. Interessant wird es, wie wir meinen, allemal.

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