Haare schneiden ist keine Kunst – DSGVO/KUG Urteil zur Veröffentlichung von Werbevideos
Die DSGVO ist noch kein Jahr alt, aber hat unter allen Gewerbetreibenden so eine enorme Welle der Unsicherheit in Bezug auf Werbung und Datenschutz ausgelöst, dass es wohl niemanden gibt, der die Abkürzung nicht mit weit aufgerissenen Augen und ehrfürchtiger Stimme aufsagen kann.
D S G V O. Dass es sich hierbei um eine Reihe mächtiger neuer Regelungen und nicht um ein neues Castingformat von RTL handelt, wird auch dem Letzten spätestens dann klar, wenn die erste Klage ins Haus flattert.
Werbung auf der Facebook-Seite ohne Einwilligung
Bei einem Friseurtermin (einem sogenannten „Haar-Model“ Termin: Diese Termine zeichnen sich meist dadurch aus, dass die Kundin/der Kunde von einer/einem Auszubildenden frisiert wird und dadurch einen deutlich geringeren Preis bezahlt oder sich für Werbezwecke zur Verfügung stellt und der Friseur mit der zum Beispiel neuen Frisurenkreation in Zukunft werben darf) wurde eine Kundin während ihrer Haarverlängerung fotografiert und gefilmt.
Laut Kundin habe sie explizit nicht eingewilligt, dass Fotos und Videos von ihr später veröffentlicht werden dürfen. Der Friseur widerspricht hier jedoch. Nach ihrem Besuch stellt die Kundin fest, dass auf der Facebook-Fanpage Fotos und Videos von ihr öffentlich gestellt wurden. Eine persönliche Beschwerde im Salon gegen die Veröffentlichung half nicht viel. Die Fotos wurden entfernt, das Video blieb, die Klage wurde eingereicht.
LG Frankfurt bestätigt einstweilige Verfügung
Das Landgericht Frankfurt a.M. prüfte die Art. 6 Abs. 1 Lit. a) und 6 Abs. 1 lit. F) DSGVO und §§ 22, 23 KUG. Mit den Artikeln/Paragraphen kenne ich mich bereits aus, vielleicht erinnern sich findige Leser an den Tinder Artikel.
Wie dem auch sei. Das LG Frankfurt entschied wenig überraschend, dass es sich bei dem Video nicht um Kunst handele und die Kundin auch keine Person der Zeitgeschichte sei. Die Datenverarbeitung in Form der Fotos und Videos auf Art. 6 Abs. 1 Lit. a) DSGVO zu stützen sei nichtig, da der Friseur keine Einwilligung der Kundin nach § 22 KUG oder DSGVO vorlegen konnte. Und so weiter und sofort.
Spannend ist tatsächlich, dass der Friseur nach Auffassung der Frankfurter Richter zwar ein berechtigtes Interesse nach Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO an der Werbung mit seinen Haarkreationen habe, es jedoch ohne Einwilligung der Kundin nicht gerade zu den Erwartungen an einen Friseurbesuch gehöre, gefilmt und fotografiert zu werden. Der Friseur musste alle Fotos und Videos der Klägerin von der Facebook-Seite entfernen (LG Frankfurt a. M., Urteil v. 13.09.2018, Az. 2-03 O 283/18).
Dokumentarpflicht der DSGVO
Verträge, mein Kind, schließt man in guten Zeiten für Schlechte! Das hat meine Oma mir immer gesagt und daran sollte sich auch jeder halten. Eine Einwilligung ist natürlich nicht mit einem Vertrag gleichzusetzen, aber you get the idea… Einwilligungen müssen immer in einer beweisbaren Form eingeholt und festgehalten werden. Eine mündliche Zusage oder die schlichte Buchung eines „Haarmodel-Termins“ reichen nicht aus, um Bildmaterial zu Werbezwecken zu nutzen.
Der Beitrag stammt von unserer freien Autorin Katharina Reber. Er ist Teil unserer Reihe “Berichte aus der Parallelwelt”. Dort werfen Autoren aus anderen Fachbereichen einen Blick auf die Rechtswissenschaft in Theorie und Praxis. Die Beiträge betrachten, anders als unsere sonstigen Fachbeiträge Begebenheiten und Rechtsfälle daher auch nicht juristisch, sondern aus einem völlig anderen Blickwinkel. Aus welchem, das soll der Beurteilung der Leser überlassen bleiben. Interessant wird es, wie wir meinen, allemal.
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