DSGVO-Abmahnungen: 50 € Schmerzensgeld pro Spam-EMail?
Als – soweit ersichtlich – erstes deutsches Gericht hatte sich im November 2018 das Amtsgericht Diez mit der Frage zu befassen, ob dem Empfänger von E-Mail-Spam nach der DSGVO nun „Schmerzensgeld“ zusteht, also eine Zahlung für die bloße Unannehmlichkeit – unabhängig von einem materiellen Schaden.
Da der Beklagte bereits 50 € gezahlt hatte, konnte sich das Gericht mit seiner Antwort auf „jedenfalls nicht mehr“ beschränken.
Bekommt jeder Empfänger einer unerwünschten Werbe-E-Mail nun 50 €?
In mehreren Beiträgen (siehe unten) hatten wir uns bereits mit der Frage beschäftigt, ob das von Politik und Medien entworfene Massenabmahnungs-Horrorszenario realistisch ist. Die viel beschworene DSGVO-Abmahnwelle ist bisher ausgeblieben.
Neues Wasser auf die Mühlen könnte jetzt ein aktuelles Urteil des Amtsgerichts Diez sein (AG Diez, Urteil v. 7.11.2018, Az. 8 C 130/18). Denn die Motivation sogar einzelner Verbraucher, Datenschutzverstöße zu verfolgen, könnte nicht unerheblich zunehmen, wenn am Ende mit der DSGVO nicht nur der „schnöde“ Unterlassungsanspruch, sondern mit einer schönen Geldzahlung echter „Mammon“ stehen würde.
Die DSGVO gewährt grundsätzlich Schmerzensgeld…
Der Kläger, der am 25.05.2018 – als die DSGVO Gültigkeit erlangte – von der Beklagten eine als unzulässig monierte E-Mail erhielt, wollte mit seiner Klage eine Schmerzensgeldanspruch in Höhe von mindestens 500 € auf Art. 82 Abs. 1 DSGVO stützen. Danach hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen die DSGVO (hier: Art. 6 DSGVO) ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, einen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verantwortlichen. Und dies – das ist neu – verschuldensunabhängig.
…allerdings für eine E-Mail nicht 500 €, nicht 50 €, vielleicht gar nichts
Das Amtsgericht Diez lehnt einen Anspruch ab und führt aus:
„Daraus [aus dem Wortlaut des Art. 82 Abs. 1 DSGVO] geht bereits hervor, dass ein bloßer Verstoß gegen die DSGVO, ohne dass eine Schadensfolge eintritt, nicht zu einer Haftung führt; der Verstoß gegen Vorschriften der DSGVO alleine führt nicht direkt zum Schadensersatz (Schaffland/Wiltfang, Art. 82 DSGVO Rn. 5; Plath, Art. 82 DSGVO Rn. 4 d m.w.N.).
Einerseits ist eine schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts nicht (mehr) erforderlich. Andererseits ist auch weiterhin nicht für einen Bagatellverstoß ohne ernsthafte Beeinträchtigung bzw. für jede bloß individuell empfundene Unannehmlichkeit ein Schmerzensgeld zu gewähren; vielmehr muss dem Betroffenen ein spürbarer Nachteil entstanden sein und es muss um eine objektiv nachvollziehbare, mit gewissem Gewicht erfolgte Beeinträchtigung von persönlichkeitsbezogenen Belangen gehen (Plath, Art. 82 DSGVO Rn. 4 c, d).
Von diesen Grundsätzen ausgehend teilt das Gericht vorliegend die Auffassung der Beklagten, dass ein Schmerzensgeldanspruch, so er bestand, mit dem anerkannten Betrag als abgegolten anzusehen ist (so auch bereits der Hinweis des zunächst angerufenen Landgerichts Koblenz vom 31.07.2018). Dasjenige, was der Kläger hier moniert, beschränkte sich auf eine einzige E-Mail der Beklagten, mit welcher sie am 25.05.2018, als die DSGVO Gültigkeit erlangte, eben aus diesem Grund und unter Bezugnahme hierauf nach einer Einwilligung zum Newsletterbezug anfragte, weshalb im Ergebnis vorliegend ein weitergehendes Schmerzensgeld nicht mehr der Angemessenheit entsprochen hätte.“
Das Gericht hatte demnach bereits erhebliche Zweifel, ob ein Schadensersatzanspruch bei einer unerwünschten E-Mail überhaupt dem Grunde nach besteht. Es musste darüber aber nicht entscheiden, da der Beklagte einen Betrag von 50 € bereits außergerichtlich freiwillig gezahlt hatte.
Fazit
Nur der besonderen Konstellation des Falls ist geschuldet, dass das Gericht sich nicht zum grundsätzlichen Schadensersatzanspruch äußern musste. Wir wagen die Einschätzung, dass der Kläger gar nichts bekommen hätte, wenn es darauf angekommen wäre.
Dafür spricht nicht nur, dass die Datenverarbeitung in Bezug auf eine Werbe-E-Mail ohne Weiteres keine solch schwerwiegende Rechtsverletzung darstellt, dass es einen immateriellen Schadensersatz rechtfertigen würde. Ein solcher setzt nämlich – jedenfalls im Persönlichkeitsrecht – grundsätzlich voraus, dass andere Ausgleichsmöglichkeiten fehlen und ein unabwendbares Bedürfnis für eine Geldentschädigung besteht. Dieses ist bei einer unerwünschten Werbe-E-Mail jedoch schlicht nicht erkennnbar.
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