Mehrfach ausgezeichnet.

Focus Markenrecht
en

Die rechtlichen Grundlagen der Videoüberwachung am Arbeitsplatz

Ihr Ansprechpartner
Videoüberwachung am Arbeitsplatz
Foto von Matthias Heil auf Unsplash

Sicherheit versus Datenschutz – beim Thema Videoüberwachung am Arbeitsplatz gilt es, die Interessen aller Beteiligten abzuwägen.

Grundsatz: Recht am eigenen Bild

Die Videoüberwachung am Arbeitsplatz gesetzlich nicht eindeutig geregelt. Das führt häufig zu Konflikten. Arbeitgeber wollen ihr Eigentum gegen Diebstahl sichern, Arbeitnehmer fühlen sich in ihrer Privatsphäre eingeschränkt. In der Tat ist die Aufzeichnung problematisch, denn zunächst hat jeder Mensch ein Recht am eigenen Bild. Das schließt die Verwendung der Aufnahmen mit ein. Gerade hier herrscht jedoch oft keine Klarheit. Was sagen Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) und die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO)?

Die Art des Arbeitsraums macht einen Unterschied

Zunächst einmal muss zwischen öffentlich zugänglichen Räumen mit Publikums- und Kundenverkehr, also etwa Ladenräume, und nicht öffentlich zugänglichen Räumen, also z.B. Büroräume, unterschieden werden. In diesen ist nur eine temporäre Überwachung möglich und auch dann nur bei Verdacht einer Straftat (§ 26 Abs. 1 S. 2 BDSG) – dann allerdings gegebenenfalls auch verdeckt (s. unten – „EGMR und BAG uneins bei verdeckter Videoüberwachung am Arbeitsplatz“). Anders bei öffentlich zugänglichen Räumen. Hier ist eine Überwachung auch dauerhaft grundsätzlich möglich.

Öffentliche Einrichtungen und Privatwirtschaft

Für öffentliche Einrichtungen ist dabei die BDSG maßgebend, für die Privatwirtschaft die DSGVO. Nach § 4 BDSG ist die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume per Videoüberwachung in öffentlichen Einrichtungen zulässig, soweit sie zur Aufgabenerfüllung, zur Wahrnehmung des Hausrechts und berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist. Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO regelt analog die Zulässigkeit der Videoüberwachung in Unternehmen.

Hier fallen einige interpretationsbedürftige Begriffe: Was heißt „berechtigtes Interesse“, was bedeutet „erforderlich“? Das muss abgewogen werden. Schauen wir genauer hin.

Dreistufige Interessenabwägung

Die Interessenabwägung für die Zulässigkeit einer Videoüberwachung nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO lässt sich in drei Stufen unterteilen. Zunächst muss ein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers oder eines Dritten bestehen, für dessen Wahrung eine Videoüberwachung unerlässlich ist. Beispiele sind das Interesse, von Diebstahl und Vandalismus verschont zu bleiben.

Sodann muss die Aufzeichnung tatsächlich notwendig sein. Kann man sich etwa im Betrieb anders gegen Diebstahl und Vandalismus schützen, besteht keine Erfordernis, Videokameras einzusetzen. Schließlich dürfen keine schutzwürdigen Interessen der Betroffenen überwiegen, z.B. deren Persönlichkeitsrechte. Das wäre etwa dann der Fall, wenn die Videoüberwachung auf Bereiche der privaten Lebensgestaltung ausgedehnt würde, wenn der Arbeitgeber also Sanitär-, Umkleide- und Schlafräume in den Blick nähme. Das geht nicht, auch nicht zur Verhütung von Diebstahl und Vandalismus.

Informationspflicht des Arbeitgebers

Findet eine Videoüberwachung statt, müssen alle Personen, die davon betroffen sein könnten, darüber in Kenntnis gesetzt werden. Die Informationspflicht des Arbeitgebers regeln die Art. 13 und 14 DSGVO. Von Kameras erfasste Bereiche müssen demnach mit einem auffälligen Hinweis auf die Überwachung beschildert werden, so dass bei Mitarbeitenden, aber auch bei der Kundschaft und bei Besuchern vor dem Betreten der entsprechenden Zonen Klarheit über die Aufnahmen herrscht.

Angegeben werden müssen zudem Name und Kontaktdaten des Verantwortlichen, Kontaktdaten des Datenschutzbeauftragten, Zweck der Überwachung und Dauer der Speicherung sowie Hinweise zu weiteren Informationen zur Videoüberwachung, die an anderer Stelle (gedruckt oder online) einsehbar sind.

EGMR und BAG uneins bei verdeckter Videoüberwachung am Arbeitsplatz

Besonders umstritten ist die verdeckte Videoüberwachung, die immer dann zum Tragen kommt, wenn bei einem Diebstahlverdacht Beweise beschafft werden sollen. Um den unter Verdacht stehenden Mitarbeiter auf frischer Tat ertappen zu können, muss die Überwachung heimlich erfolgen, weil sie sonst ihren Zweck verfehlte. Fraglich ist, ob dieses der Sache nach sinnvolle Vorgehen rechtlich in Ordnung ist.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) meint: Ja! Die heimliche Videoüberwachung eines Arbeitnehmers sei dann zulässig, „wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers besteht, weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ausgeschöpft sind, die verdeckte Video-Überwachung praktisch das einzig verbleibende Mittel darstellt und insgesamt nicht unverhältnismäßig ist“.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) meint: Nein! Denn eine heimliche Videoüberwachung verstoße gegen das datenschutzrechtliche Transparenzgebot (Art. 88 Abs. 2 DSGVO). Zudem werden solche verdeckten Ermittlungsmaßnahmen nicht ausdrücklich in § 26 BDSG aufgeführt.

Sparsamkeit, Folgenabschätzung, Speicherdauer und Kamera-Attrappen. Zur Art und Weise der Videoüberwachung

Auch wenn ein berechtigter Grund für eine Videoüberwachung am Arbeitsplatz besteht, bedeutet dies nicht zugleich, dass diese uneingeschränkt möglich ist. Es gilt das Prinzip der Datensparsamkeit. Grundsatz ist: Das Minimum an Datenerfassung, mit dem das Schutzinteresse gerade noch gewahrt ist, muss Leitlinie der Überwachung sein.

Findet eine systematische und umfangreiche Überwachung öffentlich zugänglicher Bereiche statt – beispielsweise in einem Einkaufszentrum –, bei der etwa auch biometrische Daten erfasst werden, muss nach Art. 35 Abs. 1 DSGVO vor dem Einsatz solcher Videoüberwachungsanlagen eine Datenschutz-Folgenabschätzung durchgeführt werden, da in diesen Fällen von einem hohen Risiko für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen auszugehen ist.

Daten der Videoüberwachung sind unverzüglich zu löschen, wenn sie zur Erreichung der Zwecke, für die sie erhoben wurden, nicht mehr notwendig sind (Art. 5 Abs. 1 lit. e DSGVO). Maximal dürfen Daten aus der Videoüberwachung 72 Stunden gespeichert werden.

Kamera-Attrappen sind datenschutzrechtlich irrelevant (weil und soweit eben gar keine Daten erhoben werden), sie können aber durch den damit erzeugten Überwachungsdruck das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen verletzen.

Betriebsratsbeteiligung und Arbeitnehmerrechte

Werden Videokameras zur Überwachung eingesetzt, ist der Betriebsrat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zu beteiligen. Er hat ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung, Durchführung und Ausgestaltung der Videoüberwachung.

Hat die Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer den Verdacht, einer unzulässigen Videoüberwachung ausgesetzt zu sein, kann sie oder er sich an den Betriebsrat wenden oder – so vorhanden – direkt an den Datenschutzbeauftragten der Einrichtung resp. des Unternehmens. Auch der Gang zum Vorgesetzten mit der Bitte um ein Gespräch über das Verdachtsmoment kann ratsam sein. Schließlich kann auch die jeweils zuständige Aufsichtsbehörde (Landesdatenschutzbeauftragte) informiert werden.

Wenn das alles nichts nützt, steht Betroffenen der Rechtsweg offen. Bei gravierenden Verstößen (z.B. dauerhafte heimliche Videoüberwachung ohne nachvollziehbaren Zweck) drohen der verantwortlichen Stelle empfindliche Bußgelder. Zudem erstritten Geschädigte bereits Schadensersatzzahlungen in vierstelliger Höhe.

Orientierungshilfen europäischer und deutscher Behörden

Wer als Arbeitgeber nichts falsch machen will, ist gut beraten, sich vor Installation einer Videoüberwachungsanlage hinreichend über Möglichkeiten und Grenzen des Kameraeinsatzes zu informieren. Auf europäischer Ebene gibt es die „Leitlinien 3/2019 zur Verarbeitung personenbezogener Daten durch Videogeräte“ (pdf). An diese Leitlinien knüpfen die deutschen Aufsichtsbehörden mit ihrer „Orientierungshilfe Videoüberwachung durch nicht-öffentliche Stellen“ (pdf) an.

Praxishandbuch Anspruchsdurchsetzung im Wettbewerbsrecht

2., vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage

Chronologisch aufgebaut, differenzierte Gliederung, zahlreiche Querverweise und, ganz neu: Umfangreiche Praxishinweise zu jeder Prozesssituation.

Mehr erfahren

Praxishandbuch Anspruchsdurchsetzung im Wettbewerbsrecht