Den Beklagten gibt es gar nicht: Wenn eine Verteidigungsstrategie nach hinten losgeht
Es ging um eine Urheberrechtsverletzung. Der Sachverhalt war denkbar einfach. Der Beklagte (mit asiatisch klingenden Namen) hatte ein urheberrechtlich geschütztes Foto der Klägerin benutzt. Da er auf eine außergerichtliche Abmahnung nicht reagiert hatte, erließ das Landgericht Köln eine einstweilige Verfügung, die vom Beklagten als endgültige Regelung anerkannt und auch bezahlt wurde.
Die Beklagte weigerte sich allerdings, die Kosten der Abmahnung und den ausstehenden Lizenzschadensersatz für die unberechtigte Bildnutzung zu übernehmen.
Deshalb wurde eine Klage vor dem Amtsgericht Köln notwendig. In diesem Verfahren ließ der Beklagte nun auf einmal von seiner Prozessbevollmächtigten alles bestreiten. „Alles“ ist in diesem Fall tatsächlich im wörtlichen Sinne gemeint.
Den Beklagten gibt es nicht
Der Beklagte bestritt nämlich nicht nur, dass es sich bei dem Foto um ein professionell erstelltes Lichtbild handele, dass die Klägerin die Nutzungsrechte daran halte und dass er es schuldhaft verwendet habe, sondern sogar seine eigene Existenz. Dies ergab sich jedenfalls aus dem fast beiläufig geäußerten letzten Satz aus dem letzten Schriftsatz der Anwältin des Beklagten. Dort führte seine Prozessbevollmächtigte lapidar aus, dass abschließend darauf hingewiesen werde, dass es einen „Mao“ Zedong (Name geändert) gar nicht gebe, die Unterzeichnerin sei daher von einem der Kinder der Familie Zedong beauftragt worden.
Merkwürdig erschien in diesem Zusammenhang, dass die einstweilige Verfügung und auch der entsprechende Kostenfestsetzungsbeschluss immerhin einwandfrei zugestellt werden konnten und Letzterer sogar bezahlt worden war. Es gab somit ausreichende Indizien dafür, dass es den Beklagten sehr wohl gab und dass das Bestreiten der Existenz des Beklagten lediglich einem Trick der gegnerischen Prozessbevollmächtigten geschuldet war, um vor dem Hintergrund des chinesischen Namens Verwirrung zu stiften. Uns stellte sich allerdings die Frage, wie wir prozessual mit diesem Vortrag umzugehen hatten.
Ein nicht existenter Beklagter kann auch keinen Rechtsanwalt beauftragen= Versäumnisurteil
Unser Kollege Rechtsanwalt Pustovalov, der den mündlichen Verhandlungstermin wahrnahm, entschloss sich kurzerhand zu dem auch nach näherer Betrachtung einzig Richtigen. Er beantragte den Erlass eines Versäumnisurteils. Der Amtsrichter fragte zwar zunächst ungläubig nach, ob wir diesen Antrag ernst meinen würden, gab uns aber nach einiger Überlegung durchaus zu, dass Herr Mao Zedong, wenn er denn tatsächlich nicht existieren sollte, seiner Anwältin auch schlecht eine Vollmacht erteilen könne. Zudem hatte die Anwältin ja vorgetragen, dass sie von einem der Kinder der Familie Zedong beauftragt worden sei.
Wir sind gespannt, ob der Beklagten wieder existiert, wenn es darum geht, innerhalb von 2 Wochen Einspruch gegen das Versäumnisurteil einzulegen. (la)
(Bild: © Dron – Fotolia.com)