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Was E-Sport, Schach und Motorsport gemeinsam haben

Zum DOSB Gutachten: Was Esport, Schach und Motorsport gemeinsam haben
Photo by Felix Mittermeier on Unsplash

Jüngst veröffentlichte der Deutscher Olympische Sportbund (DOSB) das von ihm in Auftrag gegebene Gutachten, das sich mit den „Rechtsfragen einer Anerkennung des Esports als gemeinnützig“ auseinandersetzt.

Die Frage, ob E-Sport gemeinnützig ist, wird mit einem klaren Nein beantwortet. Im Kern wird aber auch direkt festgestellt, dass E-Sport kein Sport sei – mangels einer körperlichen Ertüchtigung. Dies entfachte eine erneute Debatte über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede von E-Sport und dem klassischen Sport.

Nicht selten werden Schach und Motorsport mit E-Sport verglichen, dann aber entscheidend Parallelen verneint. Aber warum? Schach und Motorsport haben mit E-Sport mehr gemeinsam, als das DOSB Gutachten meint. 

Keine einheitliche Definition von Sport im Rechtssinne

Im deutschen Recht findet sich der Begriff „Sport“ nicht nur im Strafrecht, wenn es beispielsweise um den „Sportwettbetrug“ oder die „Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben“ geht, sondern auch im Zivilrecht im Rahmen des Vereins- oder Schadensrechts und vor allem im öffentlichen Recht, wenn es um den Bau von Sportanlagen, die Veranstaltung von Großsportereignissen oder dem Gemeinnützigkeitsrecht aus der Abgabenordnung (AO) geht.

Eine rechtsverbindliche Definition von „Sport“ existiert allerdings nicht. Die Rechtsprechung orientiert sich für eine einheitliche Rechtsanwendung und Rechtssicherheit daher an den konstitutiven Elementen des Sportbegriffs der Sportwissenschaft und Sportverbandspraxis (Aufnahmeordnung des DOSB). Aus diesem Grund wird eine typologische Gesamtbetrachtung des Einzelfalls vollzogen und der daraus herausgearbeitete Sportbegriff in den jeweiligen Kontext gebracht. Der juristische Sportbegriff ist daher nicht fest definiert und in seiner Entwicklung offen. 

Im Kontext des Gemeinnützigkeitsrechts ist es zum Beispiel die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH), an der sich der steuerrechtliche Sportbegriff orientiert. Allein auf diesen Kontext bezieht sich auch das Gutachten des DOSB.

Körperliche Ertüchtigung als wesentliches Merkmal

In seiner früheren Rechtsprechung stellte der BFH streng auf die Eignung der zugrundeliegenden Disziplin zur körperlichen Ertüchtigung durch Leibesübung ab. An den Wandeln des allgemeinen Verständnisses von Sport orientiert, lockerte er dieses enge Begriffsverständnis und ließ von der Leibesübung ab.

Folglich ordnet er nun eine Aktivität als Sport ein, die eine Körperbeherrschung bezüglich der Wahrnehmungsvermögen, Reaktionsgeschwindigkeit und Feinmotorik aufweist, die in der Regel nur durch langes Training erlangt und aufrechterhalten werden können. Jedoch muss die jeweils ausgeübte Tätigkeit weiterhin dazu geeignet sein, eine körperliche Ertüchtigung anzustreben. Dabei ist die Ausführung der Aktivität in Form von Wettkämpfen und/oder ihre besondere Organisation (z.B. Turniere) unerheblich.

Weil der § 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 21 AO „die Förderung des Sports (Schach gilt als Sport)“ explizit als gemeinnützigen Zweck ausführt, ist die Eignung der körperlichen Ertüchtigung wichtig. Der Katalogzweck des § 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 21 soll nicht zu weit gehen und so jede beliebige Aktivität als Sport für gemeinnützig erklären.

Lässt sich E-Sport nicht unter den Sportbegriff der AO subsumieren? 

Eine Subsumtion des E-Sports unter den Sportbegriff der AO nimmt das Gutachten des DOSB nicht vor. Vielmehr wird von vornherein  von einer mangelnden körperlichen Ertüchtigung ausgegangen.  Dabei ist es gar nicht so abwegig, auch bei E-Sport eine körperliche Ertüchtigung anzunehmen.

Die Aktivität im E-Sport ist die kooperative Bedienung der Tastatur oder des Controllers durch den Spieler in Reaktion auf die Bildschirminhalte bei gleichzeitiger, gedanklicher Beherrschung des Spielablaufs. Die Fähigkeit, mit welcher der E-Sportler viermal mehr Bewegung an dem Eingabegerät ausübt als der Normalbürger in gleicher Zeit und dabei teilweise auch noch asymmetrisch agiert, kann unstreitig nur durch ein ausgiebiges Training erreicht werden.

Die Tatsache, dass bei den bereits anerkannten Sportarten der vorausgesetzte Kraft- und Bewegungsaufwand (auch bei Gebrauch von Sportgeräten) zumindest größere Teile des Körpers in Anspruch nimmt, spricht zwar gegen eine Subsumtion, weil E-Sport neben der optischen Reaktionsfähigkeit allein die Hände beansprucht und im Übrigen die Tätigkeit im Sitzen ausgeübt wird. Jedoch muss das körperliche Geschick unmittelbar eine körperliche Ertüchtigung anstreben bzw. dafür geeignet sein, auch wenn das Minimum an notwendiger körperlicher Anstrengung bisher unklar ist. Bei E-Sport ist das weiterhin fraglich. Denn eine mittelbare Ertüchtigung durch bloße „Reflexwirkungen“ (Reaktion der Handbewegung auf den Bildschirminhalt) soll dafür gerade nicht ausreichen.

Wie kann denn dann Schach als Sport gelten?

Die Frage ist berechtigt, denn es ist offensichtlich, dass Schach keiner körperlichen Ertüchtigung unterliegt und ausschließlich der Übung der intellektuellen Fähigkeiten dient. Nach der steuerrechtlichen Definition wird „Denksport“ nicht als Sport im Sinne der AO anerkannt. Bei dem Klammerzusatz handelt es sich um eine Ausnahmeregelung einer gesetzlichen Fiktion, die einer historisch-traditionellen Sonderstellung des Schachspiels in Deutschland geschuldet ist. Weil Schach Elemente der Bildungsförderung und der Erziehung aufweise, die zu folgerichtigem Denken führe und Kombinations- und Konzentrationsfähigkeit trainiere sowie Entschlusskraft und kritische Selbsteinschätzung fördere, ist es im Jahr 1979 für gemeinnützig erklärt worden. 

Ähnlich wie im Schach ist auch bei E-Sport Aufmerksamkeit, Konzentration, Durchhaltevermögen, langes Training, Reaktionsfähigkeit sowie Taktik und Strategie gefragt. Also auch Elemente der Bildungsförderung und Erziehung, die vor genau 40 Jahren zur Argumentation benutzt wurden, um eine fingierte Sporteigenschaft des Schachspiels zu rechtfertigen. Diese erlaubt es, dem Schachspiel die Sporteigenschaft zu unterstellen. 

Warum wird dem E-Sport keine Sporteigenschaft unterstellt?

Bei dieser Frage verweist der Autor des Gutachtens auf die bisher ungeklärten sozialen, pädagogischen und ethischen Probleme des E-Sports. Damit meint er das (angeblich) schädliche Gesundheits- und Suchtverhalten einzelner Spieler, große wirtschaftliche Einflussnahme der Spieleindustrie und die sozialschädliche Spieleeinhalte, in denen Tötung und Gewalt simuliert wird. All diese negativen Elemente überwögen die positiven Elemente wie Bildungsförderung und Erziehung, dass diese gar nicht mehr zum Tragen kämen. 

Und was ist dann mit Motor -, Box – und Schießsport? 

Diese sind Sportarten, die bereits auch im Sinne des § 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 21 AO als gemeinnützig zur Förderung der Allgemeinheit anerkannt wurden. Allerdings unter der Kritik, dass der Sport ferner nur dann der Allgemeinheit nützen kann, wenn er im Einklang mit allen weiteren Zielen des Gemeinwesens steht. Dazu zählt z.B. der Tierschutz, Naturschutz und Schutz der Gesundheit.

Im Rahmen des Motorsports hätte somit beispielsweise eine Abwägung mit dem Umweltschutz (Lärmbelästigung, Luftverschmutzung durch Schadstoffe) stattfinden sollen. Beim Boxsport hätte das Risiko der Gesundheitsgefährdung und des Lebens des Sporttreibenden als negative Auswirkung in die Beurteilung mit einfließen sollen. Beim Schießsport hätte der Einwand erhoben werden müssen, dass ebenfalls sozialschändliche Handlungen simuliert werden.

All diesen negativen Aspekte hätten mehr Berücksichtigung finden müssen und eine Anerkennung als gemeinnützig, die diesen Zielen in eklatanter Weise entgegenlaufen, verwehrt werden sollen – wie es auch nach der Meinung des Autors in der Debatte um Esport passieren soll, dass die von Ihm genannte Gesundheitsgefährdung  und -schädigung durch Computerspiele in der Würdigung die Förderung der Allgemeinheit überwiegt. 

An dieser Stelle wird aber verkannt, dass der Gesetzgeber den Katalogzwecken des § 52 Abs. 2 AO keine bestimmte Rangfolge ihrem Inhalt nach zusprechen will. Vielmehr stehen alle Zwecke unter dem Aspekt ihres Gemeinwohlnutzens gleichwertig nebeneinander. Im Einzelfall ist es auch nicht die Aufgabe des Steuerrechts, Umweltbelastungen oder Gesundheitsgefährdungen abzuwehren oder gar eine Wertung der Förderziele vorzunehmen. Denn die Umweltfreundlichkeit wird z.B. durch zahlreiche Gesetze wie das Bundes-Immissionsschutzgesetz, das Luftverkehrsrecht oder auf dem Gebiet des Polizeirechts geregelt. Der Gesundheitsschutz verläuft hierzu in der Regel parallel.

Der Spieleinhalt durchläuft die gesetzlichen Regelungen der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle und den Regelungen des Jugendschutzes. Ein als gemeinnützig eingestufter Zweck muss sich also im Rahmen dieser Vorschriften bewegen und ihn nicht vorgeben.

Was heißt das nun für die Anerkennung des E-Sports als gemeinnützig? 

Selbst wenn man annimmt, dass E-Sport der körperlichen Ertüchtigung des steuerrechtlichen Sportbegriffes nicht gerecht wird, ist eine allgemeine Gemeinnützigkeit von E-Sport und seine Förderung nach der AO nicht – wie im DOSB Gutachten dargestellt – auszuschließen.

Es liegt in der Hand des Gesetzgebers auch im Hinblick auf den Maßstab der Werteordnung und ihrer Regelungen im Einzelfall gerecht zu werden. Um den Vorwurf der Willkürlichkeit und mangelnder Systemgerechtigkeit entgegenzuwirken, muss bei der Reform des Gemeinnützigkeitsrechts zumindest bedacht werden, dass auch E-Sport wie Schach Kombinations- und Konzentrationsfähigkeit erfordert und auch andere Sportarten wie Motorsport nicht im Einklang mit allen weiteren Zielen des Gemeinwesens stehen.

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