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Infoserie zu Facebook Teil 7: Welches Gericht ist zuständig?

Eine Reise wert?

Wir haben uns bereits in einem Beitrag mit der Frage auseinandergesetzt, welchem Recht das Verhältnis zwischen Facebook und Facebook-Nutzern sowie Facebook-Nutzern untereinander unterliegt.

Hier soll es nun um die Frage gehen, wann ein deutsches Gericht überhaupt für eine Rechtstreitigkeit für eine Persönlichkeits- oder Urheberrechtsverletzung zuständig ist, welches Gericht für Klagen gegen Facebook selber zuständig ist, und wie vorgegangen wird, wenn ein Urteil wegen einer Rechtsverletzung auf Facebook grenzüberschreitend vollstreckt werden muss.

Internationale Zuständigkeit für Klagen gegen Facebook-Nutzer

Für Klagen gegen Facebook-Nutzer, welche Urheberrechts- oder Persönlichkeitsrechtsverletzungen auf Facebook begehen und welche ihren Wohnsitz in Deutschland oder einem anderen Mitgliedsstaat der EU haben, ist die maßgebliche Norm, um gegebenenfalls eine Zuständigkeit eines (bestimmten) deutschen Gerichts zu erreichen, Art. 5 Nr. 3 EuGVVO. Im Verhältnis zu Island, Norwegen und der Schweiz gilt das ähnliche Lugano-Übereinkommen, für das im Folgenden im Wesentlichen das gleiche gilt wie für die EuGVVO.

Ist der Sitz des Verletzers in einem Drittstaat, so richtet sich die Zuständigkeit deutscher Gerichte hingegen alleine nach § 32 ZPO. Dies ergibt sich aus Art. 2 Abs. 2 EuGVVO.

Nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO kann eine Klage am Eintrittsort des schädigenden Ereignisses eingereicht werden. Wo liegt dieser Ort, wenn eine Facebook-Seite oder ein Facebook-Beitrag ein Persönlichkeitsrecht oder ein Urheberrecht verletzt?

Der Eintrittsort ist nicht nur ein einzelner Ort. Vielmehr wird zwischen dem Handlungsort und dem Erfolgsort unterschieden – beide sind Eintrittsort (EuGH, Urt. v. 7.3.1995 – Rs. C-68/93, Fiona Shevill, Ixora Trading Inc., Chequepoint SARL u. Chequepoint International Ltd ./. Presse Alliance SA.). Eine gleiche Unterscheidung wird, trotz anderen Wortlauts, für § 32 ZPO auch vorgenommen.

In Fällen von Persönlichkeits- und Urheberrechtsverletzungen im Internet besteht nun das Problem darin, dass diese potentiell auf der gesamten Welt eintreten können, da Internetauftritte auch weltweit abrufbar sind. Um diesem Problem zu begegnen, hat die Rechtsprechung das Kriterium der reinen Abrufbarkeit eingeschränkt.

Im Falle von Wettbewerbsverletzungen hat der BGH stets entschieden, dass der Erfolgsort voraussetzt, dass sich die Internetseite an das Land richtet (BGH, Urt. v. 13.10.2004 – I ZR 163/02, Hotel Maritime;BGH, Urt. v. 30.3.2006 – I ZR 24/03, Arzneimittelwerbung im Internet).

Bei vielen Facebook-Nutzern ist der Trend zu erkennen, ihre Seite auf Englisch zu führen. Sprache allein ist aber kein entscheidendes Merkmal. Auch eine Seite in nicht-deutscher Sprache kann auf Deutschland ausgerichtet sein (BGH, Urt. v. 8.3.2012 – I ZR 75/10, Oscar).

Im Falle von Persönlichkeitsrechtsverletzungen hat der BGH bei Anwendung des § 32 ZPO darauf abgestellt, dass das maßgebliche Kriterium nicht die Ausrichtung der Webseite ist. Vielmehr liege der Erfolgsort überall da, wo der Verletzer davon ausgehen müsse, dass seine Webseite zur Kenntnis genommen werde (BGH, Urt. v. 2.3.2010 – VI ZR 23/09, New York Times). Der EuGH hat dieser Rechtsprechung für Art. 5 Nr. 3 EuGVVO nicht ausdrücklich widersprochen (EuGH, 25.10.2011 – C-509/09 und C-161/10, C-509/09, C-161/10, eDate Advertising GmbH ./. X.), obwohl der BGH zu erkennen gegeben hat, dass er diese Einschränkung auch im Falle von Internet-Auftritten für sinnvoll erachtet (BGH, Beschl. v. 10.11.2009 – VI ZR 217/08, eDate Advertising). So bleibt die genaue Anwendbarkeit des Ausrichtungskriteriums in europäischen Fällen leider unklar.

Kriterium dafür, dass ein Verletzer, im damaligen Falle die New York Times, davon ausgehen muss, dass sein Internet-Auftritt auch in Deutschland zur Kenntnis genommen wird, war nach der Rechtsprechung des BGH etwa, dass die New York Times „ein international anerkanntes Presseerzeugnis, das einen weltweiten Interessentenkreis ansprechen und erreichen will“, ist. Weiterhin sei deren Internet-Auftritt auch in Deutschland abrufbar. Hier handelt es sicher um ein notwendiges Kriterium. Zuletzt sei es möglich, sich als Nutzer des Internetauftritts der New York Times unter Angabe des deutschen Wohnsitzes zu registrieren, wovon in nicht unerheblicher Zahl Gebrauch gemacht wurde (damals 14.484 Internetnutzer).

Was bedeutet das für einen Facebook-Auftritt?

Facebook selber will sicherlich einen weltweiten Interessentenkreis ansprechen und erreichen. Anders stellt es sich aber unter Umständen mit der einzelnen Profil- oder Fanseite dar. Hier kann die Erreichbarkeit des eigenen Auftritts nämlich durchaus eingeschränkt werden.

Begrenzte Zuständigkeit des Gerichts

Grundsätzlich kann am Handlungsort der gesamte Schaden, am Erfolgsort jedoch nur der an diesem Ort eingetretene Schaden eingeklagt werden (EuGH, Urt. v. 7.3.1995 – Rs. C-68/93, Fiona Shevill, Ixora Trading Inc., Chequepoint SARL u. Chequepoint International Ltd ./. Presse Alliance SA.).

Nach der Rechtsprechung des EuGH kann in Fällen von Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch Webseiten der gesamte Schaden entweder am Ort der Niederlassung des Verletzers oder am Mittelpunkt der Interessen des Verletzten erheben (EuGH, 25.10.2011 – C-509/09 und C-161/10, C-509/09, C-161/10, eDate Advertising GmbH ./. X.).

Internationale Zuständigkeit für Klagen gegen Facebook

In seinen bereits erwähnten „Erklärung über Rechte und Pflichten“ hat Facebook zwar auch eine Gerichtsstandvereinbarung für ein Staats- oder Bundesgericht in Kalifornien; im Regelfall wäre aufgrund der diversity jurisdiction immer auch ein Bundesgericht zuständig, Art. 3, § 2 der amerikanischen Verfassung. Dankenswerterweise hat Facebook auf diese Gerichtsstandvereinbarung wiederum in den Richtlinien verzichtet.

Vollstreckung eines deutschen Urteils im Ausland

Stellen wir uns vor, uns ist es gelungen, ein Urteil vor einem deutschen Gericht gegen einen Facebook-Nutzer zu erstreiten, sei es wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung, sei es wegen einer Urheberrechtsverletzung. Was ist zu tun, wenn der Beklagte sich an das Urteil nicht hält?

Das Urteil muss vollstreckt, also mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden. Das stellt sich noch als einfach heraus, wenn der Beklagte in Deutschland sitzt, da die Vollstreckung sich dann bereits aus dem deutschen Urteil ergibt. Sitzt der Beklagte in einem anderen Land und hat kein Vermögen in Deutschland, muss das Urteil hingegen im anderen Land anerkannt und vollstreckt werden.

In einem anderen Mitgliedsstaat der EU richtet sich die Anerkennung und Vollstreckung nach den Art. 32-56 EuGVVO. Auch im Verhältnis zu anderen Ländern kann sich die Vollstreckung nach völkerrechtlichen Verträgen richten, dies kann im Einzelfall anhand des Fundstellennachweises B des Bundesgesetzblatts überprüft werden.

Soll ein Urteil in einem Land vollstreckt werden, mit dem es kein völkerrechtliches Abkommen gibt, so hängt die Vollstreckbarkeit im Regelfall davon ab, ob nach Ansicht des Vollstreckungslandes das deutsche Gericht zuständig war, ob das deutsche Verfahren wesentlichen rechtsstaatlichen Grundsätzen genügte, und ob das deutsche Urteil nicht gegen elementare Grundsätze des ausländischen Rechts verstößt. Manche Staaten vollstrecken ein deutsches Urteil auch nur, wenn im Gegenzug die Urteile dieses Staates in Deutschland vollstreckt werden.

Vollstreckung eines ausländischen Urteils in Deutschland

Spiegelbildlich zur gerade behandelten Frage geht es nun um die Frage, wann ein deutscher Facebook-Nutzer fürchten muss, dass ein gegen ihn im Ausland erstrittenes Urteil gegen ihn vollstreckt wird. Das ist zunächst immer dann der Fall, wenn er Vermögen in dem Staat hat, in dem das Urteil erstritten wurde, da dann im Regelfall einfach in dieses ausländische Vermögen vollstreckt werden kann. Aber auch wenn der Nutzer sich nur in Deutschland aufhält und hier Vermögen hat, ist er dem Zugriff des ausländischen Urteils nicht unbedingt entzogen. Im Verhältnis zu den europäischen Staaten gelten EuGVVO und Lugano-Abkommen natürlich auch umgekehrt für Deutschland. Und auch hier kann mit Drittstaaten ein Abkommen geschlossen sein, welches die Vollstreckbarkeit regelt.

Ist dies beides nicht der Fall, so richtet sich die Vollstreckbarkeit nach § 328 ZPO. Insbesondere wird ein deutsches Gericht, ehe es ein ausländisches Urteil gegen einen deutschen Facebook-Nutzer vollstreckt, zunächst prüfen, ob das ausländische Gericht nach deutschem Recht zuständig ist (§ 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) Diese Vorschrift wird von der Rechtsprechung wörtlich ausgelegt. Es kommt also darauf an, dass das ausländische Gericht nach den rein deutschen Vorschriften zuständig gewesen wäre. Eine Prüfung der EuGVVO findet nicht mehr statt.

Vollstreckung eines deutschen Urteils gegen einen Facebook-Nutzer gegen Facebook

Sitzt der Beklagte aber in einem Drittstaat, in dem es aus irgendwelchen Gründen nicht möglich ist, das Urteil zu vollstrecken, bietet sich gegebenenfalls noch eine andere Möglichkeit an. Geschieht die Verletzungshandlung, wegen der das Urteil erstritten wurde, auf der Facebook-Seite des anderen Nutzers, so könnte versucht werden, das Urteil in die Facebook-Seite selber zu vollstrecken. Im Allgemeinen ist eine Vollstreckung nämlich auch in fremde Vermögenswerte möglich. Dies würde also lediglich voraussetzen, dass im Vollstreckungsstaat die Facebook-Seite selber als tauglicher Vermögensgegenstand gesehen wird.

Da eine Vollstreckung in die Facebook-Seite wesentlich eine Mitwirkung von Facebook selber voraussetzt, wäre der Vollstreckungsstaat Kalifornien. Ob eine Facebook-Seite dort ein tauglicher Vermögensgegenstand ist, ist nach unserer Kenntnis noch nicht richterlich bestätigt worden. Eine Prognose würde aber wohl positiv ausfallen. Facebook ist dann jedoch nicht Vollstreckungsgegner. Vielmehr ist es der Facebook-Account selber, in den vollstreckt würde. Dies entspricht bspw. dem Fall der Vollstreckung in ein Konto. Bloß weil eine Kontoforderung gepfändet wird, ist die Bank auch nicht der Vollstreckungsgegner.

Mit den USA gibt es allerdings keine völkerrechtliche Regelung bezüglich der Vollstreckung deutscher Urteile. Die Vollstreckung richtet sich damit nach den bereits geschilderten allgemeinen Regeln, insbesondere wird das amerikanische Gericht prüfen, ob das deutsche Gericht „jurisdiction“ über den Beklagten hatte, was bei einem ausländischen Beklagten nach amerikanischer Sichtweise insbesondere dann der Fall ist, wenn der „sufficient minimal contact“ mit dem Gerichtsstaat hatte (International Shoe Co v Washington, 326 US 310). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn es ein „purposeful availment“ gegeben hat, was der zweckgerichteten Ausrichtung im deutschen Recht entspricht.

Die Vollstreckung eines Urteils wegen einer Persönlichkeitsverletzung in den USA kann sich aber als schwierig darstellen. Seit August 2010 verbietet der Speech Act (28 USC § 4102) die Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen aus Ländern außerhalb der USA wegen „Diffamierungen“.

Das ausländische Urteil kann in den USA nur in zwei Ausnahmefällen vollstreckt werden: Entweder schützt das andere Land die Meinungsfreiheit in einem Umfang wie die amerikanische Verfassung. Dies wird ein beinahe unmöglich zu erreichender Standard sein; jedenfalls für Deutschland, wo die Meinungsfreiheit ihre Schranken in den allgemeinen Gesetzen (Art. 5 GG) und den Grundrechten anderer, also auch derer Persönlichkeitsrechte findet, wird ein amerikanisches Gericht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit finden, dass der objektive Schutz der Meinungsfreiheit in Deutschland hinter dem amerikanischen Standard zurückbleibt. Anderseits kann ein amerikanisches Gericht ein ausländisches Urteil wegen einer Diffamierung aber auch vollstrecken, wenn ein inländisches, amerikanisches Gericht, ebenfalls gegen den Beklagten entschieden hätte. Das wird im Einzelfall schwer nachzuweisen sein, ohne vor dem amerikanischen Gericht das ganze Verfahren von vorne zu führen, was mit erheblichen Kosten verbunden sein dürfte. (JJB)

(Bild: © Gina Sanders – Fotolia.com)

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