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EuGH zur Produkthaftung bei einem Gesundheitstipp

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Ein falscher Gesundheitstipp in einem Zeitungsartikel führt nicht zu verschuldensunabhängiger Haftung für ein Produkt. Das hat der Europäische Gerichtshof entschieden (EuGH, Entscheidung v. 10. Juni 2021, Az. C-65/20).

In der Sache ging es um ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, im Februar eingereicht vom österreichischen Obersten Gerichtshof. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 der Richtlinie 85/374/EWG zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte in der durch die Richtlinie 1999/34/EG geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 85/374) im Lichte der Art. 1 und 6 der Richtlinie.

Unrichtigen Gesundheitstipp befolgt

Eine österreichische Staatsbürgerin verlangte von der Krone Verlag Gesellschaft, einem Presseunternehmen mit Sitz in Österreich, 4.400 Euro Ersatz eines ihr durch Körperverletzung entstandenen Schadens, der daraus resultierte, dass sie einen unrichtigen Gesundheitstipp befolgte, der in einer von diesem Unternehmen herausgegebenen Zeitung veröffentlicht worden war.

Die Kronen-Zeitung, ein bekanntes österreichisches Boulevardblatt, veröffentlichte 2016 unter der Rubrik „Hing‘schaut und g‘sund g‘lebt“ einen Artikel über das Auflegen von geriebenem Meerrettich auf den Körper. Dieser Artikel wurde unter dem Namen eines Ordensmitglieds, dem Kräuterpfarrer Benedikt, veröffentlicht, der als Experte auf dem Gebiet der kräuterkundlichen Heilkunst in einer Kolumne der Kronen-Zeitung Ratschläge erteilte.

Toxische Hautreaktion durch Meerettich

Geraten wurde, um Rheumaschmerzen zu lindern, eine Körperstelle mit Öl oder Schweineschmalz einzureiben und für „durchaus zwei bis fünf Stunden“ Meerettich darauf zu legen, für eine „ableitende Wirkung“. „Anstelle von ‚Stunden‘ hätte es ‚Minuten‘ heißen müssen“, so die EuGH-Richter. Die Klägerin legte für etwa drei Stunden Meerettich auf ihr Fußgelenk und erlitt danach starke Schmerzen und eine toxische Hautreaktion. Das Gericht hatte unter Einbeziehung der österreichischen gesetzlichen Produktshaftungsbestimmungen zu prüfen, ob der Gesundheitstipp in dem Zeitungsartikel ein Produkt im Sinne der Richtlinie Richtlinie 85/374 darstellt.

Verschuldensunabhängige Haftung in EU-Richtlinie

In den Erwägungsgründen der Richtlinie 85/374 heißt es, nur mit einer „verschuldensunabhängigen Haftung des Herstellers“ könne das „Problem einer gerechten Zuweisung der mit der modernen technischen Produktion verbundenen Risiken in sachgerechter Weise gelöst werden“. Artikel 1 der Richtlinie 85/374 bestimmt: „Der Hersteller eines Produkts haftet für den Schaden, der durch einen Fehler dieses Produkts verursacht worden ist.“ Artikel 2 der Richtlinie betrachtet als „Produkt“ jede „bewegliche Sache, auch wenn sie einen Teil einer anderen beweglichen Sache oder einer unbeweglichen Sache bildet“.

Zeitungsartikel kein „fehlerhaftes Produkt“

Der EuGH entschied, dass Art. 2 der Richtlinie 85/374 im Lichte von deren Art. 1 und 6 dahin auszulegen ist, dass ein Exemplar einer gedruckten Zeitung, die im Zuge der Behandlung eines Themas aus dem Umfeld der Medizin einen unrichtigen Gesundheitstipp zur Verwendung einer Pflanze erteilt, kein „fehlerhaftes Produkt“ im Sinne der Bestimmungen ist. Ein unrichtiger Gesundheitstipp, der in einer gedruckten Zeitung veröffentlicht werden und den Gebrauch einer anderen körperlichen Sache betreffe, falle nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 85/374. Er sei nicht geeignet, eine Fehlerhaftigkeit der Zeitung zu begründen und eine verschuldensunabhängige Haftung des „Herstellers“ im Sinne der Richtlinie auszulösen.

Gesundheitstipp kein Produkt, sondern Dienstleistung

Nach Art. 2 der Richtlinie 85/374 gilt als „Produkt“ jede bewegliche Sache, auch wenn sie einen Teil einer anderen beweglichen Sache oder einer unbeweglichen Sache bildet, und auch Elektrizität. Der EuGH stufte den Gesundheitstipp als Dienstleistung ein. Aus dem Wortlaut des Artikels 2 der Richtlinie ergebe sich, dass Dienstleistungen nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen können, so der EuGH in seiner Entscheidung. Im vorliegenden Fall beziehe sich die fragliche Dienstleistung, das heißt der unrichtige Ratschlag, nicht auf die gedruckte Zeitung bezieht, die ihren Träger bilde. Die Dienstleistung betreffe „weder die Darbietung noch den Gebrauch“ der Zeitung, so die Richter.

Der Fall mag kurios wirken und an die Klage einer Frau gegen McDonald’s wegen verschütteten Kaffees erinnern. Er ist aber juristisch interessant, weil er einerseits nationales Medien-, Presse- und Äußerungsrecht berührt, aber gleichzeitig schwerpunktmäßig im EU-Produkthaftungsrecht verortet ist. Während im Bereich „Health Claims“ in den letzten Jahren eher eine Ausweitung von Haftung im Bereich des EU-Rechts mit Gesundheitsbezug zu beobachten ist, hat das Gericht hier der Überlegung, dass ein Mediendienstleister für Gesundheitstipps haftet, hier vorerst eine Absage erteilt.

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