EU: Inverkehrbringen von Arzneimitteln in einzelnen Mitgliedsstaaten genehmigungspflichtig
Europa – grenzenloser Austausch, unbeschränkter Handel. Soweit der Eindruck, der entsteht, wenn sich die Europäische Union vorstellt.
Doch wie so oft lohnt sich ein zweiter Blick, der dann auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) erfasst. Ganz so einfach ist es nämlich nicht. Vor allem dann nicht, wenn es um ganz besondere „Waren“ wie Arzneimittel geht.
Diese dürfen in einem anderen EU-Mitgliedstaat nur dann vertrieben werden, wenn dieser das Inverkehrbringen genehmigt hat. Das hat der EuGH entschieden (EuGH, Urteil v. 8.7.2021, Az.: C-178/20).
Ungarn: Kein Vertrieb ohne Genehmigung der Behörden
Zu klären war ein Streit in Ungarn. Dort hatte ein Pharmaunternehmen Arzneimittel zu vertreiben begonnen, ohne dafür die im ungarischen Recht vorgesehenen Formalitäten für einen Vertrieb in Ungarn zu beachten. Die Behörden untersagten den Vertrieb, das Unternehmen klagte, das ungarische Gericht wollte von den Luxemburger Richtern wissen, ob die Genehmigungsverweigerung nicht gegen Unionsrecht verstößt. Dürfen also die Ungarn bei sich untersagen, was durch einen anderen Mitgliedstaat schon genehmigt wurde?
EU-Recht ermöglicht Genehmigungsvorbehalt
Ja, das dürfen sie, so der EuGH. Denn das EU-Recht sagt nicht, dass ein Arzneimittel, das in einem Mitgliedstaat ohne ärztliche Verschreibung abgegeben werden darf, auch ohne weiteres in einem anderen Mitgliedstaat als ein Arzneimittel anzusehen ist, das ohne ärztliche Verschreibung abgegeben werden darf. Im Klartext: Es obliegt tatsächlich prinzipiell dem betreffenden Staat, den Vertrieb des Arzneimittels zu regeln. Nichts anderes hat Ungarn getan. Und das stellt weder eine mengenmäßige Beschränkung noch eine Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne von Art. 34 AEUV dar. Insofern: Kein Hemmnis für die ungarischen Behörden.
Der Beitrag stammt von unserem freien Autor Josef Bordat. Er ist Teil unserer Reihe “Berichte aus der Parallelwelt”. Dort werfen Autoren aus anderen Fachbereichen einen Blick auf die Rechtswissenschaft in Theorie und Praxis. Die Beiträge betrachten, anders als unsere sonstigen Fachbeiträge Begebenheiten und Rechtsfälle daher auch nicht juristisch, sondern aus einem völlig anderen Blickwinkel. Aus welchem, das soll der Beurteilung der Leser überlassen bleiben. Interessant wird es, wie wir meinen, allemal.