OVG Hamburg stuft Nikotin-Pouches als unsichere Lebensmittel ein – ein Überblick über die Entscheidung
In einem Eilverfahren vor den Verwaltungsgerichten (Hamburgisches OVG, Beschluss vom 19.08.2021 – 5 Bs 56/21) ging ein Tabakkonzern gegen die behördliche Untersagung vor, Nikotin-Pouches in den Verkehr zu bringen.
Der Antragsteller hatte beantragt, in Deutschland die tabakfreien Nikotinbeutel vertreiben zu dürfen.
Richtige Rechtsgrundlage?
Wie mit Nikotinbeuteln rechtlich umzugehen ist schon öfter die Frage an die Verwaltungsgerichte gewesen. Dabei ist zunächst die zentrale Frage, wie diese neue Produktkategorie einzuordnen ist.
Nikotinbeutel enthalten keine natürlichen Teile der Tabakpflanze und stellen folglich keine Tabakerzeugnisse dar. Somit fallen diese, im Gegensatz zu Kautabak, nicht unter das Gesetz über Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse (TabakerzG).
Zudem sind Nikotinbeutel reine Genussmittel und verfolgen keinerlei therapeutische Zweckbestimmung. So stellen sie auch keine Arzneimittel dar.
Aus diesem Grunde werden sie bislang rechtlich als Lebensmittel i.S.d. BasisVO behandelt.
Nikotin-Pouches als Lebensmittel?
Kernfrage des Rechtsstreits vor dem OVG Hamburg war nun, ob es sich bei den Nikotin-Pouches tatsächlich um Lebensmittel i.S.d. BasisVO handelt.
Danach sind Lebensmittel alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden, Art. 2 BasisVO
Dabei war insbesondere streitig, in wie fern eine „Aufnahme“ i.S.d. Art. 2 BasisVO der Nikotinbeutel erfolgt. Die Vorinstanz argumentierte, dass das Tatbestandsmerkmal des „Aufnehmens“ bereits durch die Aufnahme des Nikotins über die Mundschleimhaut erfüllt ist.
Dies sieht das OVG jedoch grundlegend anders. Es stellt fest, dass eine Aufnahme über die Mundschleimhaut nicht ausreiche. Vielmehr müssen die betreffenden Erzeugnisse bzw. dessen Stoffe bei bestimmungs- bzw. erwartungsgemäßen Gebrauch (zumindest auch und in nicht bloß marginalem Umfang,) über den Magen-Darm-Trakt in den menschlichen Körper gelangen um das Tatbestandsmerkmal des „Aufnehmens“ zu erfüllen.
Bei Konsum der Nikotinbeutel werden die neben dem Nikotin auch enthaltenden schmackhaften Süß- und Aromastoffe über den Speichel geschluckt werden und gelangen damit in den Magen-Darm-Trakt. Da ein dreißigminütiger Konsum vorgesehen ist, sei diese Aufnahme auch erwartbar. Somit liege eine Aufnahme i.S.d. Verordnung vor und die Nikotin-Pouches stellen ein Lebensmittel dar.
Zudem werden in Art. 2 BasisVO ausdrücklich auch Kaugummi als Lebensmittel kategorisiert. Dies zeige ebenfalls, dass ein weites Verständnis von „Aufnehmen“ zu Grunde zu legen ist.
Gesundheitsschädlichkeit der Nikotinbeutel
Gem. Art. 14 BasisVO dürfen nur sichere Lebensmittel in den Verkehr gebracht werden. Ein Lebensmittel ist unsicher, wenn es gesundheitsschädlich und/ oder für den menschlichen Verzehr ungeeignet ist. Beispielsweise fallen darunter stark verschimmelte Lebensmittel.
Das OVG führt an, dass Nikotin hochgiftig sei und Suchtwirkung habe. Das in den Beuteln enthaltende Nikotin überschreite den Referenzwert deutlich und enthalte somit eine gesundheitsschädliche Menge.
Abgesehen von dieser Einschätzung ist kein eindeutiger Nachweis der Gesundheitsschädlichkeit erforderlich, sondern auch die wahrscheinlichen Auswirkungen des Lebensmittels sind als ausreichend zu betrachten.
Aus diesem Grund handele es sich somit um ein nicht sicheres Lebensmittel. Folge ist, dass es nicht in den Verkehr gebracht werden darf.
Fazit
Das OVG Hamburg ordnet mithin Nikotinbeutel als nicht sichere Lebensmittel ein. Dieser rechtlichen Zuordnung haben sich bereits auch andere Verwaltungsgerichte, welche mit ähnlichen Fragestellungen betraut waren, angeschlossen.
Folge bleibt, dass das Inverkehrbringen zunächst verboten bleibt. Es bleibt abzuwarten, ob das Oberverwaltungsgericht Hamburg im Hauptsacheverfahren ebenso entscheiden wird.