LG Heilbronn zum Rechtsmissbrauch mit Abmahnanwalt
„Die Verfügungsbeklagte hat insbesondere glaubhaft gemacht, dass der Verfahrensbevollmächtigte der Verfügungsklägerin seit dem 27.3.2006 in einem Forum bei eBay unter dem Pseudonym „…“ kostenneutrale Abmahnungen von eBay-Verkäufern anbietet. […]Nach den Gesamtumständen liegt es nahe, dass die vom Verfahrensbevollmächtigten der Verfügungsklägerin für diese geführten Abmahnverfahren, auch das streitgegenständliche, auf dessen offensive Abmahnwerbung zurückzuführen sind. […] Dies alles spricht dafür, dass die Initiative hinsichtlich der für die Verfügungsklägerin geführten Abmahnverfahren vorrangig aus anwaltlichem Gebühreninteresse von deren Verfahrensbevollmächtigten ausgegangen ist.“
Wenn mit „kostenneutral“ gemeint sein soll, dass der Anwalt die Abmahnungen „umsonst“ anbot und sich das Geld entweder beim Gegner oder gar nicht holen würde, dann wäre das allerdings einigermaßen skandalös. Falls nicht, wäre die Schlussfolgerung des Gerichts zumindest seltsam: Nicht erforderlich ist nämlich, dass der Anwalt zunächst einen Vorschuss für die Abmahnung von seinem Mandanten verlangt, sondern erst einmal abwartet, ob der Gegner die Kosten einer berechtigten Abmahnung zahlt, bevor er dem Mandanten die Rechnung schreibt. Das gilt übrigens nicht nur im „Abmahnrecht“, sondern in allen Rechtsgebieten.
Sehr wacklig – und damit an Entscheidungen des LG Hildesheim und des LG Bielefeld erinnernd – ist allerdings das angebliche Vorliegen eines Missbrauchs aufgrund der Anzahl der Abmahnungen und die folgende Feststellung:
„Hinzu kommt, dass jedenfalls die streitgegenständliche Problematik zumindest aus Sicht eines Wettbewerbers eher als „spitzfindig“ beurteilt werden dürfte und wohl nur von einem einschlägig fachkundigen Juristen bemerkt und festgestellt werden konnte.“
Im Wettbewerbsrecht ist es nämlich die Regel, dass der Angreifende lediglich eine vage Vorstellung davon hat, was der Gegner falsch macht und nach einem Angriffspunkt sucht. Diesen Angriffspunkt ausfindig zu machen ist gerade Aufgabe des Rechtsanwalts. Daraus darf man dem Mandanten, dem Rechtsmissbrauch vorgeworfen wird (nicht etwa der Anwalt verhält sich rechtsmissbräuchlich), keinen Strick drehen – wenn man das Wettbewerbsrecht nicht abschaffen will.
Bemerkenswert sind im Übrigen auch die Ausführungen zur „Mitteilung in Textform“ bei eBay, mit dem sich das Gericht gegen eine mittlerweile gefestigte Rechtsprechung vieler Oberlandesgerichte stellt. Ist zwar eine kleine Sensation, aber nicht so skandalträchtig wie Abmahnanwälte.
Fazit:
Es ist zu beobachten, dass Fälle von Rechtsmissbrauch anscheinend oft bei Gerichten landen, die für wettbewerbsrechtliche Spezialzuständigkeiten und daher größere Sachkunde weniger bekannt sind. Leider vermischen sich in den Fällen, in denen ein Rechtsmissbrauch wegen des vorrangigen Gebühreninteresses (wohl zu Recht) bejaht wird, allzu oft wettbewerbsrechtlich unhaltbare Argumentationen mit zutreffenden Beründungen. (zie)
Urteil (zur Rechtskraft ist nichts bekannt)