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LG München erlässt einstweilige Verfügung gegen Google wegen Autocomplete-Funktion – zu Recht?

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tvwartegoogleDas Institut für Urheber- und Medienrecht berichtet, dass das Landgericht München I am 17.6.2013 eine einstweilige Verfügung gegen Google wegen Google´s Autovervollständigungsfunktion erlassen hat.

Was ist die „Autocomplete-Funktion“?

Die „Autovervollständigungsfunktion“ oder„Autocomplete-Funktion“ funktioniert so: Während der Eingabe von Suchbegriffen in die Suchmaschine „Google“ werden den Nutzern in einem sich öffnenden Fenster automatisch verschiedene Suchvorschläge in Form von Wortkombinationen angezeigt. Laut Google werden die im Rahmen dieser Suchergänzungsfunktion angezeigten Suchvorschläge anhand eines Algorithmus ermittelt, der unter anderem die Anzahl der von anderen Nutzern eingegebenen Suchanfragen einbezieht.

Der BGH entschied im Mai 2013, dass die Autovervollständigungsfunktion rechtlich bedenklich ist

Diese  Autovervollständigungsfunktion oder auch Autocompletefunktion hat zuletzt im Mai 2013 wegen einer Entscheidung des BGH (BGH, Urteil v. 14.5.2013, Az. IV ZR 269/12) Schlagzeilen gemacht. Im zu entscheidenden Fall hatte der Kläger festgestellt, dass bei Eingabe seines Namens bei der Suchmaschine als weitere Suchvorschläge die Wortkombinationen mit seinem Namen und den Begriffen „Scientology“ und „Betrug“ erschienen.

Der Kläger sah sich dadurch in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt, da er weder Verbindungen zu Scientology habe, noch ein Ermittlungsverfahren wegen Betruges gegen ihn anhängig sei. Er forderte somit von dem Unternehmen Google mit Sitz in den USA, es zu unterlassen, im Rahmen der „Autocomplete-Funktion“ diese Wortkombinationen mit den Wörtern „Scientology“ sowie „Betrug“ zusammen mit seinem Namen anzuzeigen. Der BGH hat einen Unterlassungsanspruch des Klägers aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB i.V.m. Art angenommen. Wir berichteten.

Google muss nun handeln

Wir hatten hier vorhergesagt, dass diese Entscheidung Google noch erhebliche Arbeit bescheren würde, nicht zuletzt weil wir selbst einige Mandanten vertreten, die sich gegen verleumdende Suchergebnisse wehren wollten. Im Juni war es dann auch soweit: Google lenkte auf Betreiben unserer Kanzlei ein und löschte alle rechtswidrigen Suchbegriffe ca. 14 Tage nach Aufforderung. Ein Bericht dazu findet sich hier.

Ist die einstweilige Verfügung zurecht ergangen?

Im Fall, der dem einstweiligen Verfügungsantrag zugrunde lag, über den das Landgericht München am 17.6.2013 zu entscheiden hatte, wehrte sich die Antragsstellerin dagegen, dass bei der Eingabe des Firmennamens automatisch durch die Autocomplete-Funktion der ergänzende Suchvorschlag „tv-wartezimmer Insolvenz“ angezeigt wurde. Dieser jedoch führte zu keinem Suchergebnis, das eine Verbindung von TV-Wartezimmer und Insolvenz aufweist. Man fand im Internet lediglich Beiträge zur Insolvenz eines ehemaligen Wettbewerbers, der val-u-media AG, im Jahr 2005, die am Markt ein „Wartezimmer-Fernsehen“ anbot.

Google wurde nun durch das Gericht untersagt, nach Eingabe des Suchbegriffs „TV-Wartezimmer“ den Ergänzungssuchbegriff „Insolvenz“ anzuzeigen bzw. vorzuschlagen. Der vollständige Bericht ist einer Pressemitteilung  der TV-Wartezimmer GmbH & Co KG zu entnehmen. Ein Aktenzeichen wird leider nicht mitgeteilt. Grundsätzlich ein sehr erfreuliche Entscheidung, die zeigt, dass die Vorgabe des BGH durchaus praxisrelevant ist.

Provider haften für fremde Inhalte erst ab Kenntnis!

Etwas stutzig macht uns allerdings der Kommentar des Geschäftsführers von TV-Wartezimmer in der Pressemitteilung. Danach habe Google Inc. auf die schriftliche Aufforderung im Mai, den streitgegenständlichen Suchvorschlag nicht mehr anzuzeigen und binnen 14 Tagen eine entsprechende Unterlassungserklärung abzugeben, nicht reagiert. Das Statement verwundert deswegen, da in der Pressemitteilung zunächst richtigerweise  ausgeführt wird, dass  Google nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung gerade nicht von vornherein für jede Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung durch ihre Suchvorschläge  haftet, sondern erst durch Kenntniserlangung.

Die Forderung nach einer Unterlassungserklärung war demnach – vorausgesetzt, es handelte sich um das erste Schreiben an Google – unberechtigt. Der „Nichtstörer“ muss zunächst auf den Störungszustand aufmerksam gemacht werden. Erst, wenn er innerhalb einer gewissen Frist nicht reagiert, wird er zum Störer (oder, wie das LG Hamburg kürzlich festgestellt hat, zum Gehilfen). Erst danach können eine kostenpflichtige Abmahnung ausgesprochen  oder gerichtliche Schritte eingeleitet werden. Darüber hinaus muss Google auch auf eine solche Inkenntnissetzung auch nicht „reagieren“, das heißt, antworten, sondern die Störung lediglich innerhalb einer bestimmten Frist  beseitigen. Das ist jedenfalls zwischenzeitlich geschehen. Das aktuelle Suchergebnis sieht so aus:

tv-wartezimmer1

Es könnte natürlich auch sein, dass dies die Reaktion von Google auf die Verfügung des LG München darstellt. Dagegen spricht allerdings, dass eine einstweilige Verfügung erst mit Zustellung an den Antragsgegner wirksam wird. Da Google bekanntlich in den USA sitzt, wird das noch einige Zeit dauern.

Wir hoffen daher, dass im vorgelegen Fall nicht übereifrig reagiert und die einstweilige Verfügung beantragt wurde, ohne zu prüfen, ob der Begriff noch innerhalb der Autovervollständigungsfunktion enthalten war. Die Verfügung hätte dann vermutlich keinen Bestand. Das wäre nicht nur für TV-Wartezimmer ärgerlich, da dann erhebliche Kosten auf das Unternehmen zukämen. Auch für alle anderen Betroffenen entpuppte sich die voreilige Aktion als Pyrrhussieg.

Wenn Sie Fragen zu Suchergebnissen bei Google haben, stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Wir haben es bisher immer auch ohne Gerichtsverfahren geschafft, Google zum Einlenken zu bewegen. Falls nötig, leiten wir natürlich auch gerichtliche Schritte ein. (la)

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