Und täglich grüßt die Gesellschafterhaftung…
Immer wieder stellt sich die Frage, ob die handelnden bzw. verantwortlichen natürlichen Personen einer Gesellschaft (z.B. GmbH, AG, GbR) für begangene Wettbewerbsverstöße auch neben der juristischen Person in Anspruch genommen werden können.
Für den Anspruchsteller ist dieses Modell aus verschiedenen Gründen sehr erstrebenswert, etwa weil bei Zahlungs- und Kostenerstattungsansprüchen das Insolvenzrisiko abgefedert werden kann oder weil damit verhindert werden kann, dass die verantwortliche Person den Verstoß einfach auf eine andere Gesellschaft verlagert.
Verschiedene Haftungsmodelle
In der Literatur und der Rechtsprechung herrschte schon lange grundsätzlich Einigkeit, dass es möglich sein muss, neben der Gesellschaft auch den Geschäftsführer oder den persönlich haftenden Gesellschafter in Anspruch zu nehmen. Die Wege, die zu einer solchen „Doppelhaftung“ führen waren dabei unterschiedlich und höchst umstritten.
Unproblematisch war die Haftung lediglich dort, wo die haftbar gemachte Person selbst den Wettbewerbsverstoß begangen hat, beispielsweise wenn der Geschäftsführer selbst die zu beanstandende Werbemaßnahme ausgeführt hat.
Problematisch wurde es jedoch immer dort, wo das Organ oder der Gesellschafter für Handlungen Dritter haften sollte. In diesen Fällen wurde versucht eine Haftung unter anderem über eine dem Strafrecht angelehnte Garantenstellung, eine Verletzung von Verkehrssicherungspflichten ähnlich dem Deliktsrecht oder ein abstraktes Organisationsverschulden. Jedes Modell hatte seine Vorzüge aber auch seine Schwächen.
Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs
Im Bereich der wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüche hat der Bundesgerichtshof diesen Meinungsstreit durch ein wegweisendes Urteil (BGH, Urteil v. 18.6.2014, Az. I ZR 242/12 – Geschäftsführerhaftung) weitestgehend beendet. So erteilte der 1. Zivilsenat dem Haftungsmodell dahingehend eine Absage, dass sich allein aus der Organstellung und der allgemeinen Verantwortlichkeit für den Geschäftsbetrieb keine Verpflichtung des Geschäftsführers gegenüber außenstehenden Dritten ergibt, Wettbewerbsverstöße der Gesellschaft zu verhindern. Die schlichte Kenntnis des Geschäftsführers von Wettbewerbsverletzungen scheidet als haftungsbegründender Umstand aus. Erforderlich sei vielmehr grundsätzlich, dass der Wettbewerbsverstoß auf einem Verhalten beruhe, das nach seinem äußeren Erscheinungsbild und mangels abweichender Feststellungen dem Geschäftsführer anzulasten sei. Der Geschäftsführer hafte für unlautere Wettbewerbshandlungen der von ihm vertretenen Gesellschaft nur dann persönlich, wenn er daran entweder durch positives Tun beteiligt war oder wenn er die Wettbewerbsverstöße aufgrund einer nach allgemeinen Grundsätzen des Deliktsrechts begründeten Garantenstellung hätte verhindern müssen.
Differenzierung von Unterlassungs- und Annexansprüchen
Das Oberlandesgericht Frankfurt hat mit Teilurteil vom 11.09.2014, Az. 6 U 107/13 diese Rechtsprechung zwar grundsätzlich fortgeführt und angewendet, jedoch eine interessante Differenzierung vorgenommen. Dem Streit lag ein Rundschreiben einer GbR mit wettbewerbswidrigem Inhalt zugrunde. Einer der beiden Gesellschafter hatte das Schreiben unterzeichnet. Der zweite Gesellschafter hatte geltend gemacht, von dem Schreiben nichts gewusst zu haben. Neben der Gesellschaft wurden auch beide Gesellschafter auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Schadensersatz in Anspruch genommen.
Unter Berufung auf die Rechtsprechung des BGH hatte auch das OLG Frankfurt eine Haftung auf Unterlassung abgelehnt. Allerdings hat das Gericht eine Haftung auf Auskunft und Schadensersatz bejaht. Das Gericht führte insoweit aus:
Für den streitgegenständlichen Schadensersatzanspruch kommt es auf einen eigenen Tat- oder Teilnahmebeitrag der Beklagten zu 2 nicht an. Bei gesetzlichen Verbindlichkeiten muss – nicht anders als bei vertraglichen Verbindlichkeiten – das Privatvermögen der Gesellschafter als Haftungsmasse zur Verfügung stehen. Dies hat das Landgericht zutreffend aus der Rechtsprechung des BGH abgeleitet. Der BGH nahm etwa im Zusammenhang mit dem sittenwidrigen Einfordern einer Bürgschaftssumme an, die Haftung der übrigen Gesellschafter nach § 826 BGB für das deliktische Handeln eines Gesellschafters sei zumutbar, weil diese auf Tätigkeit und Auswahl des Organmitglieds entscheidenden Einfluss hätten (BGH, Urt. v. 24.2.2003 – II ZR 385/99, Rn. 20, 21). Anknüpfungspunkt der Haftung ist § 128 HGB analog. Es fehlt auch nicht am Verschulden. Bei zumutbarer Überwachung hätte die Beklagte zu 2 von dem Inhalt des Schreibens, das im Zusammenhang mit einschneidenden Veränderungen der Lieferantenbeziehung bestand, Kenntnis erlangen können.
Der Bundesgerichtshof hatte in seiner Entscheidung nicht differenziert sondern lediglich lapidar am Ende des Urteils geschrieben:
Da die Unterlassungsansprüche unbegründet sind, hat das Berufungsgericht auch die darauf bezogenen Folgeansprüche (Auskunfts- und Schadensersatzanspruch Anm. d. Red.) zu Recht abgewiesen.