BGH: Alle wahrscheinlichen Verwendungsarten einer Marke müssen berücksichtigt werden – #darferdas? II
Die Prüfung der Unterscheidungskraft eines als Marke angemeldeten Zeichens ist grundsätzlich nicht nur auf die wahrscheinlichste und naheliegendste Verwendungsform zu beschränken ist, sondern unter Berücksichtigung sämtlicher wahrscheinlicher, in der betreffenden Branche praktisch bedeutsamen Verwendungsarten vorzunehmen ist.
Das sagt Bundesgerichtshof (BGH) einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) folgend.
#darferdas?
Im Jahr 2015 meldete die Anmelderin die deutsche Wortmarke #darferdas? unteranderem für die Waren „Bekleidungsstücke, insbesondere T-Shirts, Schuhwaren, Kopfbedeckungen“ in Klasse 25 an. Die Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts wies die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft zurück, da allein auf die wahrscheinlichste Verwendungsform abzustellen sei.
Auch die hiergegen gerichtete Beschwerde der Anmelderin vor dem Bundespatentgericht (BPatG) bleib ohne Erfolg. Die zuständigen Richter haben sich der Auffassung des Amtes angeschlossen und die Markenanmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft abgelehnt – der Verkehr würde die aus gebräuchlichen Wörtern der deutschen Sprache zusammengesetzte Wortfolge „#darferdas?“ als bloße Formulierung einer Frage, nicht aber als Herkunftshinweis verstehen.
Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgte die Anmelderin ihr Eintragungsbegehren weiter. Im Rahmen des Rechtsbeschwerdeverfahrens legte der BGH dem EuGH dann folgende Frage zur Auslegung von Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2008/95/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Marken zur Vorabentscheidung vor: Hat ein Zeichen Unterscheidungskraft, wenn es praktisch bedeutsame und naheliegende Möglichkeiten gibt, es für die Waren oder Dienstleistungen als Herkunftshinweis zu verwenden, auch wenn es sich dabei nicht um die wahrscheinlichste Form der Verwendung des Zeichens handelt?
Ja, hat es!
Der Bundesgerichtshof (BGH, Beschluss v. 30.01.2020, Az. I ZB 61/17 (BPatG)) stellt fest, dass die Auffassung des BPatG, dass es der angemeldeten Marke für die betroffenen Waren an Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 Markengesetz (MarkenG) fehle, einer rechtlichen Nachprüfung nicht standhalte. Das BPatG sei unzutreffend davon ausgegangen, dass bei Prüfung des Schutzhindernisses der fehlenden Unterscheidungskraft auf die wahrscheinlichste Verwendungsform des angemeldeten Zeichens abzustellen sei. Deshalb habe das BPatG die Zeichenfolge „#darferdas?“ lediglich als sichtbaren Aufdruck auf der Vorder- oder Rückseite von Bekleidungsstücken, Kopfbedeckungen oder Schuhwaren, der Beurteilung zugrunde gelegt. Andere weniger wahrscheinliche und praktisch bedeutungslose Verwendungsmöglichkeiten, wie beispielsweise die Verwendung des angemeldeten Zeichens auf Warenetiketten im Inneren des Bekleidungsstücks, haben die Richter des BPatG hingegen außer Acht gelassen.
Der BGH macht deutlich, dass die Feststellung, ob der Verkehr ein auf einem Bekleidungsstück angebrachtes Zeichen als Hinweis auf die Herkunft dieses Bekleidungsstücks oder lediglich als dekoratives Element auffasse, nach der Art und der Platzierung des Zeichens variieren könne. Für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sei deshalb eine Einzelfallbeurteilung erforderlich – insbesondere die Kennzeichnungsgewohnheiten im maßgeblichen Warensektor seien relevant. Der BGH führt weiter aus, dass für die entsprechende Beurteilung in erster Linie die Art und Weise, in der Kennzeichnungsmittel bei den betreffenden Waren üblicherweise verwendet, und vor allem die Stelle, an der sie angebracht würden, entscheidend sei. Verwendungsarten, die in der betreffenden Branche zwar denkbar, aber praktisch bedeutungslos und somit unwahrscheinlich erscheinen, seien jedoch für die Prüfung der Unterscheidungskraft solange irrelevant, bis der Markenanmelder konkrete Anhaltspunkte liefert, die eine unübliche Verwendungsart wahrscheinlich machen – in solchen Fällen gelte es von diesem Grundsatz abzuweichen, so die Karlsruher Richter. Vor allem aber könne die Prüfung der Unterscheidungskraft immer nur dann auf die wahrscheinlichste Verwendungsform beschränkt werden, wenn in der betreffenden Branche nur eine Verwendungsart von praktischer Bedeutung ist.
Der BGH hob daher den Beschluss auf und verwies die Sache zurück an das Bundespatentgericht. Demnach habe das BPatG nunmehr zu prüfen, ob der Verkehr das Zeichen „#darferdas?“ unter Berücksichtigung der verschiedenen Verwendungsarten, insbesondere auch auf dem Etikett eines Kleidungsstücks, als Herkunftshinweis im Hinblick auf die mit diesem gekennzeichneten Waren auffassen könne.
Unterscheidungskraft einer Marke für Bekleidungsstücke
Gerade im Bereich der Bekleidungsstücke stellt sich die Frage, ob solch auffällige Sprüche wie „#darferdas?“ unterscheidungskräftig sind. Es entspricht der üblichen Praxis, dass Markenhersteller ihre Marke in unterschiedlichster Weise – teils auch mehrfach – auf ihren Waren anbringen. Sei es als aufgenähte Etikette in der Innenseite des Bekleidungsstücks oder aber als Botschaft oder dekoratives Element auf der Vorder- und/oder Rückseite der Ware. Mit der Entscheidung setzt der BGH nun das Urteil des EuGHs um und erkennt auch die praktisch bedeutsamen und naheliegenden Verwendungsformen der betreffenden Branche als relevant an.
Demnach kann auch die praktisch bedeutsame Nutzung eines Spruches wie „#darferdas?“ auf dem eingenähten Etikett ausreichen, um die Unterscheidungskraft eines Zeichens anzunehmen.