Landgericht München I verpflichtet Google zur Auskunft über Verfasser negativer Bewertungen auf Kununu
Mit Beschluss vom 19. Februar 2025 (LG München, Beschluss v. 19.2.2025, Az. 25 O 9210/24) hat das Landgericht München I entschieden, dass ein deutsches Unternehmen Anspruch auf Auskunft über die Verfasser zweier negativer Bewertungen auf der Plattform Kununu hat.
LHR Rechtsanwälte setzten diesen Anspruch erfolgreich durch und erreichte damit einen weiteren bedeutenden Schritt im Kampf von Arbeitgebern gegen anonyme und häufig rechtswidrige Bewertungen auf Kununu. Nicht nur Kununu, sondern auch weitere Unternehmen können danach zur Auskunftserteilng im Wege einer „Kettenauskunft“ angehalten werden.
Kununu als häufiges Problem für Arbeitgeber
Der Fall zeigt einmal mehr, dass Arbeitgeberbewertungsplattformen wie Kununu immer wieder zum Schauplatz rechtlicher Auseinandersetzungen werden. Unternehmen berichten regelmäßig von anonymen Bewertungen, die rufschädigende Behauptungen enthalten oder auf persönlichen Konflikten basieren.
Bereits in der Vergangenheit mussten sich verschiedene Gerichte mit Kununu befassen. So entschied etwa das Oberlandesgericht Celle, dass Kununu einem Arbeitgeber Auskunft über die Bestands- und Nutzungsdaten eines Bewertenden erteilen muss, wenn die Bewertung rechtswidrig ist. Das Oberlandesgericht Hamburg befasste sich mit der Löschung mehrerer negativer Einträge auf der Plattform. Diese Fälle zeigen, dass Arbeitgeber immer wieder gezwungen sind, rechtliche Schritte einzuleiten, um sich gegen anonyme Falschbehauptungen zu wehren.
Aktueller Fall: Anonyme Bewertungen auf Kununu
Im vorliegenden Fall sah sich das betroffene Unternehmen mit mehreren negativen Bewertungen auf der Plattform Kununu konfrontiert. Es gab Anhaltspunkte dafür, dass diese von einem ehemaligen Mitarbeiter stammen könnten, der gezielt den Ruf des Unternehmens schädigen wollte. Ein Nachweis hierfür lag jedoch nicht vor.
Besonders problematisch waren zwei Einträge, die schwerwiegende Vorwürfe enthielten. Unter anderem wurde behauptet, dass das Unternehmen gegen Umweltvorschriften verstoße und ältere Mitarbeiter ohne sachlichen Grund entlasse. Diese Vorwürfe stellten nicht nur eine potenzielle Rufschädigung dar, sondern waren strafbar nach §§ 185, 186 StGB.
Kununu hatte nur E-Mail-Adressen
Um sich gegen diese Einträge zur Wehr zu setzen, leitete das Unternehmen ein Auskunftsverfahren nach §§ 21, 22 TTDSG ein. Ziel war es, von der Betreiberin der Plattform Kununu die Bestandsdaten der Verfasser zu erhalten. Das Gericht gab diesem Antrag statt und verpflichtete Kununu zur Offenlegung der hinterlegten Daten.
Rechtliche Auseinandersetzung mit Google
Die von Kununu herausgegebenen Informationen waren jedoch begrenzt: Es lagen lediglich E-Mail-Adressen vor, die von einem bekannten E-Mail-Dienst aus dem Hause Google stammten. Da diese Daten nicht ausreichten, um die Identität der Verfasser zweifelsfrei festzustellen, beantragte das Unternehmen beim Landgericht München I eine erweiterte Auskunftserteilung durch Google.
Konkret ging es darum, dass Google zur Herausgabe weiterer Bestandsdaten der betreffenden Nutzer verpflichtet bzw. hierzu berechtigt werden sollte. Dies sollte es dem Unternehmen ermöglichen, gegen die Urheber der Bewertungen rechtlich vorzugehen.
Gericht bestätigt Auskunftsanspruch
Google widersetzte sich dem Antrag, argumentierte mit dem Datenschutz und bestritt die Verpflichtung zur Offenlegung weiterer Nutzerdaten. Das Gericht folgte dieser Argumentation jedoch nicht und entschied zugunsten des Unternehmens. Die wesentlichen Punkte der Entscheidung:
- Gmail als Anbieter digitaler Dienste: Das Gericht stellte fest, dass der E-Mail-Dienst „Gmail“ von Google als „Anbieter digitaler Dienste“ im Sinne von § 21 TDDDG anzusehen ist und damit zur Herausgabe von Bestandsdaten verpflichtet werden kann.
- Zulässigkeit der Kettenauskunft: Die Richter bejahten die Möglichkeit einer sogenannten „Kettenauskunft“. Das bedeutet, dass auch ein Unternehmen, das selbst nicht an der Veröffentlichung der umstrittenen Inhalte beteiligt war, zur Auskunftserteilung verpflichtet sein kann.
- Strafrechtliche Relevanz: Das Gericht stellte zudem fest, dass die in den Bewertungen enthaltenen Behauptungen möglicherweise den Tatbestand der Üblen Nachrede (§ 186 StGB) oder der Beleidigung (§ 185 StGB) erfüllen.
- Berechtigtes Interesse an der Auskunft: Schließlich wurde bestätigt, dass das Unternehmen ein berechtigtes Interesse an der Identität der Verfasser hat, um zivilrechtliche Schritte einleiten zu können.
Bedeutung für Arbeitgeber in der Praxis
Die Entscheidung des Landgerichts München I stärkt die Rechte von Unternehmen im Umgang mit anonymen, rufschädigenden Bewertungen erheblich. Während Plattformbetreiber wie Kununu bereits zur Auskunftserteilung verpflichtet werden können, bestätigt das Gericht, dass dies auch für nachgelagerte Anbieter wie E-Mail-Dienste gilt.
Die Entscheidung zeigt, dass sich Unternehmen nicht schutzlos negativen Bewertungen ausgesetzt sehen müssen, wenn diese auf falschen Tatsachenbehauptungen beruhen. Durch die Möglichkeit einer erweiterten Auskunftserteilung können gezielte Rufschädigungen besser verfolgt und gegebenenfalls rechtliche Schritte gegen die Verfasser eingeleitet werden.
Das Vorgehen ist zwar aufwändig und teuer und kommt daher nicht in jedem Fall in Betracht. Es liegt jedoch nahe, dass der Verursacher der Rechtswidrigkeit Bewertung letztendlich für den entstandenen Schaden aufkommen muss.