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BGH prüft Rechtsmissbrauchsvorwurf gegen Deutsche Umwelthilfe e. V.

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BGH prüft Rechtsmissbrauchsvorwurf gegen die Deutsche Umwelthilfe e.V.
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Wer kennt sie nicht? Spätestens seit der Diesel-Affäre ist sie aus den Medien nicht mehr wegzudenken: Die Deutsche Umwelthilfe e. V.

Sie setzte bereits Fahrverbote in vielen deutschen Großstädten durch. Nun wird die Veröffentlichung einer Entscheidung des BGH mit Spannung erwartet, die sich mit den wahren Zielen und Absichten des Vereins auseinandersetzen wird.

Ein Autohaus wird von der Deutschen Umwelthilfe e. V. verklagt. Der Vorwurf: Das Autohaus bewerbe seine Neuwagen nicht ordnungsgemäß. Demgegenüber ist das Autohaus der Ansicht, die Deutsche Umwelthilfe e. V. sei wegen Rechtsmissbrauches überhaupt nicht befugt, Klage zu erheben. Schließlich verfolge sie mit ihrer Abmahn- und Klagetätigkeit vorwiegend das Ziel, Einnahmequellen zu generieren. Der Verein werde hingegen nicht zu Zwecken des Verbraucherschutzes tätig.

Unzulässige Bewerbung von Neuwagen

Die Deutsche Umwelthilfe e. V. wirft dem beklagten Autohaus vor, bei der Bewerbung seines Neuwagen nicht alle erforderlichen Angaben gemacht zu haben. Seit 2004 gilt die sogenannte Verordnung über Verbraucherinformationen zu Kraftstoffverbrauch, CO2-Emissionen und Stromverbrauch neuer Personenkraftwagen, kurz Pkw-EnVKV. Danach muss die Bewerbung für Neuwagen die Bewertung der Energieeffizienz enthalten. In jedem Fall ist der Kraftstoffverbrauch und der Ausstoß von CO2-Emissionen anzugeben. Dies soll den Verbraucher unterstützen, eine umweltfreundliche Kaufentscheidung zu treffen.

Das Autohaus habe diese Angabepflicht verletzt. Es genüge nicht, lediglich auf Angaben zu verweisen, die in einem Leitfaden im Autohaus auslägen. Die Deutsche Umwelthilfe e.V. klagte daraufhin vor dem LG Stuttgart und nahm die Betreiber des Autohauses auf Unterlassung in Anspruch.

Verfahrensgang

Das LG Stuttgart gab der Klage statt (LG Stuttgart, Urteil vom 13. Dezember 2016 – 41 O 31/16 KfH). Zu Recht nehme die Deutsche Umwelthilfe e. V. das Autohaus auf Unterlassung der Bewerbung in Anspruch. Das Autohaus müsse die Angabepflichten aus der Pkw-EnVKV erfüllen. Dieser Pflicht entspreche es nicht, lediglich auf einen im Autohaus ausgelegten Leitfaden zu verweisen.

Gegen die erstinstanzliche Entscheidung legte das beklagte Autohaus Berufung beim OLG Stuttgart ein (OLG Stuttgart – Urteil vom 2. August 2018 – 2 U 165/16). Das Autohaus zweifelte an der Befugnis der Deutschen Umwelthilfe e. V., zur Durchsetzung der sich aus der Pkw-EnVKV ergebenden Pflichten berechtigt zu sein. Die Voraussetzungen einer klagebefugten sog. „qualifizierten Einrichtung“ erfülle der Verein nicht. Zudem wäre eine Klagebefugnis jedenfalls deswegen ausgeschlossen, weil der Verein sich rechtsmissbräuchlich verhalte.

Der Senat erkannte jedoch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Deutsche Umwelthilfe e. V. die Voraussetzungen für eine Eintragung als „qualifizierte Einrichtung“ nach § 4 Abs. 2 UKlaG nicht erfüllte. Auch bestünden keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme eines Rechtsmissbrauches.

So heißt es in einer Pressemitteilung des BGH (BGH, Pressemitteilung v. 08.04.2019, Nr. 43/19):

„Der Klage stehe auch nicht der Einwand des Rechtsmissbrauchs aus § 8 Abs. 4 UWG entgegen. Die vorhandenen Auffälligkeiten in Struktur und Verhalten der Klägerin könnten insgesamt nicht die Feststellung begründen, ihr gehe es vorrangig um andere Ziele als darum, ein zukünftiges normgerechtes Verhalten der Beklagten gegenüber Verbraucherinnen und Verbrauchern zu erreichen. So ließen unter anderem die von der Klägerin mit ihrer Marktüberwachung erzielten Überschüsse und deren Verwendung sowie die Höhe der an ihre Geschäftsführer gezahlten Vergütung auch in der Gesamtschau nicht auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten schließen.“

Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage wegen Rechtsmissbrauches weiter.

Aktivlegitimation und Rechtsmissbrauch

Zur Rechtsverfolgung von Verstößen gegen Pflichten der Pkw-EnVKV ist nicht jedermann befugt. Eine derartige Klagebefugnis, im juristischen Fachjargon auch als sog. „Aktivlegitimation“ bezeichnet, haben grundsätzlich sog. „qualifizierte Einrichtungen“ inne,  § 4 Abs. 2 UKlaG. Bei den „qualifizierten Einrichtungen“ handelt es sich grundsätzlich um Verbraucherverbände, die auf einer Liste des Bundesamtes für Justiz als solche eingetragen sind. Die Deutsche Umwelthilfe e. V. ist dort gelistet. Insofern stellt sich die Frage, weshalb es an der Klagebefugnis der Deutschen Umwelthilfe e. V. fehlen sollte?

Das Problem liegt darin, dass die Aktivlegitimation abzuerkennen ist, wenn eine Abmahn- und Klagetätigkeit rechtsmissbräuchlich erfolgt. Von Rechtsmissbrauch im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG ist auszugehen, wenn der Kläger mit der Geltendmachung von Ansprüchen sachfremde Ziele verfolgt. Bei dem hier gerügten Verstoß geht es um die vermeintliche Verletzung von Verbraucherschutzgesetzen. Verfolgt der Verein nun aber völlig andere Ziele als die Durchsetzung von Verbraucherschutzgesetzen, ist dies als rechtsmissbräuchlich anzusehen. In diesem Fall wäre die Klage als unzulässig abzuweisen.

Das Autohaus wirft der Deutschen Umwelthilfe e. V. vor, sie strebe mit der Geltendmachung des Anspruchs vor allem die Erzielung von Gewinn an.  Dies ist angesichts der erzielten Einnahmen des Vereins auch nicht völlig abwegig. Jedes erfolgreiche Verfahren beschert dem Verein Gewinne. Nach Angaben von Spiegel-Online mahne der Verein wöchentlich 30 Verstöße ab und führe pro Jahr rund 400 Gerichtsverhandlungen. Die Tagesschau bescheinigt dem Verein in den Jahren 2015 und 2016 Einnahmen von nahezu fünf Millionen Euro, wovon 600.000 Euro reiner Überschuss seien.

Der BGH hat nun zu prüfen, inwiefern es der Deutschen Umwelthilfe e. V. tatsächlich auf die Einhaltung von Verbraucherschutzgesetzen ankommt.

Fazit

Es bleibt die Veröffentlichung der Entscheidung des BGH mit Spannung abzuwarten. Wird der BGH die Klageabsichten der Deutschen Umwelthilfe e. V. anders werten, als die vorherigen Instanzen? Geht es dem Verein tatsächlich vorrangig um das Erreichen eines zukünftigen normgerechten Verhaltens gegenüber Verbraucherinnen und Verbrauchern? Wann ist beim Erzielen von Überschüssen die Grenze erreicht, um einen Rechtsmissbrauch annehmen zu können? Die baldige Veröffentlichung wird hoffentlich Licht ins Dunkel bringen.

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