BGH zur Veröffentlichung eines Urteils gegen einen Mitbewerber
Die Veröffentlichung eines Urteils zu den Geschäftsmethoden eines Wettbewerbers kann zur Information der Öffentlichkeit erlaubt sein. Das hat der Bundesgerichtshof in einem neuen Urteil entschieden (BGH, Urteil v. 6.6.2021, Az. I ZR 167/20).
Die Klägerin ist eine Anzeigenvermittlung für Präventions-Medien mit Sitz in Bochum. Der Beklagte, ein Verlag, gewinnt Anzeigenkunden für seine Publikationen und steht daher mit der Klägerin in Konkurrenz.
Der Beklagte erwirkte vor dem Landgericht Bochum ein Urteil gegen die Klägerin, in dem diese verurteilt wurde verschiedene geschäftliche Handlungen zu unterlassen: Die unaufgeforderte Telefonwerbung für Anzeigenaufträge, den Auftritt unter der Firma „POLIZEI-aktuell“ in Werbeanrufen, die Werbung für Anzeigenaufträge unter der Bezeichnung „Redaktion POLIZEI-aktuell“, die unzutreffende Behauptung eines früher erteilten Anzeigenauftrags in Werbeanrufen, die Versendung von Auftragsbestätigungen im Anschluss an eine Telefonwerbung mit nicht besprochenen Angaben über die Dauer des Auftrags und die Verbreitung der Anzeige oder von Anzeigenrechnungen ohne Auftragserteilung.
Warnung vor unseriösen Unternehmen
Der Beklagte warnte auf einer Internetseite vor unlauteren Methoden von unseriösen Verlagen bei der Anzeigenwerbung. In einem Text mit der Überschrift „Vorsicht Falle“ hieß es, jeder Privatverlag dürfe in seinem Namen den nicht wirksam geschützten Begriff „Polizei“ führen, auch wenn er keine Verbindung zur Polizei habe. Gegen Werbung bestimmter Unternehmen sei bereits vorgegangen worden und man könne bei einem weiteren Verstoß ein Ordnungsgeld beantragen. Es wurde auch die besagte Anzeigenvermittlung genannt, die „verurteilt“ worden sei, und es wurde der Inhalt des genannten Unterlassungsurteils samt einer „Ordnungsgeldfestsetzung“ wiedergegeben. Schließlich wurde darum gebeten, „begangene Verstöße“ mitzuteilen.
Anprangerung der Klägerin?
Die Klägerin sah in der namentlichen Nennung im Zusammenhang mit dem Tenor des Urteils eine unlautere Herabsetzung. Diese stelle eine unzulässige Anprangerung der Klägerin dar. Ihr Interesse an der Wahrung ihres geschäftlichen Ansehens überwiege.
Keine unlautere Herabsetzung
Auf Antrag der Klägerin verurteilte das Landgericht den Beklagten, es zu unterlassen, den Namen der Klägerin im Internet im Zusammenhang mit dem Urteil des Landgerichts zu veröffentlichen. Der Beklagte ging in die Berufung, Oberlandesgericht Düsseldorf wies die Klage ab. Mit ihrer Revision beim BGH begehrte die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Der BGH entschied, dass keine unlautere Herabsetzung der Klägerin vorliege. Die Veröffentlichung des Urteils sei zwar geeignet, die Wertschätzung der Klägerin zu verringern. Es liege jedoch ein „hinreichendes Informationsinteresse der Allgemeinheit“ vor, welches durch die Veröffentlichung auch befriedigt werden könne. Dies lasse eine Warnung vor den Geschäftspraktiken der Klägerin, durch die Rechtsverfolgung vereinfacht werde, verhältnismäßig erscheinen. Der Beklagte habe den Urteilsinhalt auch wahrheitsgemäß wiedergegeben. Die bei der Klägerin untersagten Geschäftsmethoden seien aufgrund ihres betrügerischen Charakters besonders irreführende und missbilligende unlautere Handlungen.
Ansehensschutz tritt hinter Meinungsfreiheit zurück
Da es sich um eine gerechtfertigte Veröffentlichung handele, sei auch das Persönlichkeitsrecht nicht berührt, so der BGH. Die Klägerin müsse wahre Angaben hinnehmen, auch wenn diese für sie nachteilig seien. Die Klägerin habe die Beeinträchtigung ihres wirtschaftlichen Ansehens hinzunehmen, weil bei Abwägung der sich gegenüberstehenden Belange das durch Art. 2 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3 GG geschützte Interesse der Klägerin an der Wahrung ihres Ansehens als Wirtschaftsunternehmen hinter dem durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Recht des Beklagten auf Meinungsfreiheit zurücktrete.
Geschäftliche Handlung, aber keine vergleichende Werbung
Das Berufungsgericht sah die angegriffene Veröffentlichung als geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) an. Der Beklagte habe durch die Veröffentlichung die Gewinnung eigener Anzeigenaufträge gefördert. Indem er vor unlauter agierenden Verlagen gewarnt habe, habe er sich als seriöses Unternehmen dargestellt, dem man bedenkenlos Aufträge erteilen könne. Eine vergleichende Werbung im Sinne von § 6 Abs. 1 UWG verneinte das Berufungsgericht, da nicht auf eigene Dienstleistungen Bezug genommen wurde – zu Recht nach Ansicht des BGH. Es sei jedoch, so der BGH, „entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts“ ohne Bedeutung, ob die Klägerin als Mitbewerberin anzusehen ist. Das Berufungsgericht nahm an, die Klägerin sei Mitbewerberin im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 3, § 4 Nr. 1 UWG.
Das BGH-Urteil ist gut für die Publizität von Gerichtsentscheidungen, ganz gleich zu welchem Zweck und in welchem Kontext sie im Netz veröffentlicht wurden. Der BGH misst dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit in der Entscheidung erheblichen Stellenwert bei. Die Entscheidung des ersten BGH-Zivilsenats entspricht von der Linie her jüngerer BGH-Rechtsprechung zu Strafverfahren und Pressearchiven.