OLG Düsseldorf untersagt Wahlkampfwerbung mit Zitat eines Polizeipräsidenten
Wahlkampfzeit. Parteien stehen unter Druck. Es geht um Wählerstimmen. Abgeordnete besuchen Wahlkampfstände. Wahlkampfplakate werden aufgehängt; sie sollen auffallen. Auffallen um jeden Preis?
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat in einem aktuellen Urteil (OLG Düsseldorf, Urteil v. 25.2.2021, Az. 16 U 188/20) einer Partei untersagt, mit dem Zitat eines Polizeipräsidenten Wahlwerbung zu betreiben, da hierdurch der irreführende Eindruck entstehe, der Beamte unterstütze die Positionen der politischen Einrichtung.
Auch eine juristische Person des öffentlichen Rechts könne auf den zivilrechtlichen Ehrenschutz berufen.
Aufmerksamkeit um jeden Preis!
Die Beklagte – hier ein Kreisverband der Partei P – hat im Wahlkampf zur Wahl zum 9. Europäischen Parlament vom 26. Mai 2019 in der Stadt X an mindestens vier Stellen Wahlkampfflyer aufgehangen. Darin wurde eine Äußerung des Klägers – hier in seiner Eigenschaft als Polizeipräsident – in Zitatform ohne dessen Einverständnis wiedergegeben. Der Wahlkampfflyer war mit einem blauen, runden Aufdruck „WIR sind Deine Stimme! P.“ versehen.
Die Kläger vertreten die Ansicht, die Beklagte habe mit dem Wahlkampfflyer den Eindruck erweckt, der Polizeipräsident stehe der Partei P nahe. Mit Schreiben vom 12. Juni 2019 hat das Polizeipräsidium X den Beklagten erfolglos zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordet.
Nachdem das Landgericht Wuppertal (LG Wuppertal, Urteil v. 6.3.2020, Az. 2 O 199/19) die Klage abgewiesen hatte, legten die Kläger vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf Berufung ein – mit Erfolg.
Zitat ohne Einverständnis – Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts?
Die Beklagte hat eine Aussage des Klägers auf dem Wahlkampfflyer wie folgt zitiert:
„Wir kennen unsere Pappenheimer. Der Umgang mit ihnen ist nicht einfach, da viele noch nicht strafmündig sind. Es gibt zudem zuwenig geschlossene Einrichtungen, um solche Kinder und Jugendlichen unterzubringen.“ Mit dem Zusatz: „WIR sind Deine Stimme! P.“
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat zunächst den Inhalt der Aussage ermittelt, da diese eine unabdingbare Voraussetzung für die richtige rechtliche Würdigung ihres Aussagegehalts habe. Ziel der Deutung sei stets, den objektiven Sinngehalt zu ermitteln. Dabei sei das Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums maßgeblich.
Bei der Ermittlung des Aussagegehalts stellte das hiesige Oberlandesgericht fest, dass die Beklagte die Sachaussage des Klägers maßgeblich verändert hat, so dass von einer unrichtigen Wiedergabe des Zitats des Klägers auszugehen sei. Gerade in Bezug auf die Authentizität und Genauigkeit von Zitaten hat die Rechtsprechung hohe Anforderungen gestellt. Sie seien nur dann zulässig, wenn sie dem Leser unter Einschluss des Kontextes ein zutreffendes Bild von der Aussage des Zitierten zeichnen, da Zitate eine besonders „scharfe Waffe im Meinungskampf“ seien und ihnen somit die besondere Überzeugungs- und Beweiskraft zukommen.
Die Verwendung des Zitats sei unzulässig gewesen. Die Beklagte habe die vom Kläger getätigte Aussage in einen „sinnentstellenden Kontext“ gestellt und damit den Aussagegehalt verfälscht. Dies sei im Ergebnis einem Falschzitat gleichzusetzen, so dass es sich hier um eine unrichtige Tatsachensachenbehauptung handele.
Der Aspekt, dass sich der Zusatz „WIR sind Deine Stimme! P.“ im unteren Bereich des Wahlkampfflyers befinde und man davon ausgehen könne, dass eine räumlich als auch optische Abgrenzung vom Zitat vorliege, führe zu keinem anderen Ergebnis, da dem Leser die Schlussfolgerung aufdränge, dass der Kläger dem Beklagten nahestehe und die Wähler ersuche, die P. zu wählen.
Können sich juristische Personen des öffentlichen Rechts auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht berufen?
Oberlandesgericht Düsseldorf: Ja! Sie haben zwar keine eigentliche „persönliche Ehre“ im engeren Sinne. Jedoch genießen sie im Zusammenhang mit der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben strafrechtlichen Ehrenschutz, der auch zivilrechtliche Unterlassungsansprüche begründen könne. Sobald ihr Ruf in der Öffentlichkeit in unzulässiger Weise herabgesetzt werde, könne sie den Anspruchsgegener zivilrechtlichen Ehrenschutz gegenüber Angriffen in Anspruch nehmen.
Grundsätzlich sei das klagende Land als Hoheitsträger zur Neutralität verpflichtet. Dies folge insbesondere aus Art. 80 Satz 1 der Landesverfassung Nordrhein-Westfalen. Beamten und sonstigen Verwaltungsangehörige seien Diener des ganzen Volkes und nicht einer Partei oder sonstigen Gruppen. Sie seien unparteiisch und haben ihr Amt und ihre Aufgaben dementsprechend auszuführen. Die unwahre Behauptung – der Kläger stehe dem Beklagten nahe – sei geeignet, Misstrauen in die Neutralitätspflicht zu begründen und damit das Vertrauen der Bürger in die Rechtsmäßigkeit der Verwaltungstätigkeit im Allgemeinen zu erschüttern.
Folge der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts – Abwägung der widerstreitenden Interessen
Der Umstand, dass die vom Kläger tatsächlich getätigte Aussage von dem Beklagten in einen „sinnentstellenden Zusammenhang“ gestellt worden sei und somit eine unwahre Tatsachenbehauptung vorliege, führe nicht ohne weiteres zu einem Verbot der Äußerung, sondern zu einer Abwägung der beiderseitigen Rechtspositionen.
Einer solchen Abwägung bedarf es im Streitfall schon deshalb, weil die angegriffene Äußerung insgesamt in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG fällt. Jedoch enthält die Meinungsäußerung der Beklagten einen erwiesen falschen oder bewusst unwahren Tatsachenkern.
Die Folge? Das Grundrecht der Meinungsfreiheit trete regelmäßig hinter den Schutzinteressen des von der Äußerung Betroffenen zurück. Es bestehe kein schützenswertes Interesse daran an unwahren Tatsachenbehauptungen festzuhalten.