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Wer Xavier Naidoo für antisemitisch hält, muss es für sich behalten

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Xavier Naidoo Antisemit
Photo by Sagar Dani on Unsplash

Alles nur peinlich und so was nennt sich dann Volksvertreter-Teile eures Volks – nennt man schon Hoch- beziehungsweise Volksverräter- Alles wird vergeben, wenn ihr einsichtig seid. Sonst sorgt der wütende Bauer mit der Forke dafür, dass ihr einsichtig seid“.

Das ist ein Ausschnitt aus # Xavier Naidoos Lied „Marionetten“, das herbe Kritik erntete. Der Text habe einen verschwörerischen Anflug, erinnere an Botschaften des Reichsbürgertums und passe gut zum nebulösen medialen Profil des Sängers, dem viele antisemitische Züge zuschreiben.

„Er ist Antisemit……das ist strukturell nachweisbar“

Eine Referentin der Amadeu-Antonio-Stiftung, die sich zur Stärkung der Demokratie im Zeitalter von aufsteigendem Rechtsextremismus und Antisemitismus einsetzt, hatte über den Sänger im Nachgang eines Vortrags geäußert: „Er ist Antisemit, das darf ich, glaube ich, aber gar nicht so offen sagen, (…). Aber das ist strukturell nachweisbar.“ Der Vortrag hatte übrigens Verschwörungstheorien zum Thema: „Reichsbürger – Verschwörungsideologie mit deutscher Spezifik“ war sein Titel.

Xavier Naidoo erhob Unterlassungsklage und berief sich auf seine Kunstfreiheit

Der Sänger erhob daraufhin Klage zum Landgericht Regensburg und verlangte u. a. die Unterlassung dieser Äußerung. Naidoo hatte damals beteuert, dass er sich gegen Rassismus einsetze und berief sich auf seine Kunstfreiheit.

Und dies, obwohl die Beklagte dargelegt hatte, dass Naidoo in seinen Liedtexten auch antisemitische Codes und Chiffren verwendete. Der Sänger hielt dagegen, diese seien ihm nicht bekannt gewesen. Außerdem habe sein Sohn einen hebräischen Namen.

Das Landgericht gab der Klage statt. Die Begründung: zwar falle die Äußerung der Referentin in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit, allerdings komme dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klägers im Rahmen einer Abwägung der Vorrang zu. Auch habe die Beklagte nicht ausreichend gewichtige Beweise für ihre Äußerung geliefert.

Berufung der Beklagten zum OLG: Wer auf Missstände hinweise, dürfe nicht auf Unterlassung verurteilt werden

Den letzten Punkt griff die Beklagte auf und legte Berufung zum OLG Nürnberg ein. Es sei nicht ersichtlich, warum sie Beweise für die Richtigkeit ihrer Äußerungen hätte erbringen müssen, wenn es sich um ein Werturteil und keine Tatsachenbehauptung handele. Die Kunstfreiheit könne nicht das Gewicht zulasten der Meinungsfreiheit verschieben (zumindest nicht ohne eine Güterabwägung, fügen wir hinzu, zumal es sich bei beiden um verfassungsimmanente Rechtsgüter handelt). Auch gelte die Äußerung der Beklagten aufgrund der historischen Aufladung des Themas „Antisemitismus“ als unverzichtbarer Bestandteil des öffentlichen Diskurses. Mit anderen Worten: Missstände und Auffälligkeiten sind von den Bürgern zu melden, Staat und Gesellschaft dürfen die Augen davor nicht verschließen.

Das Urteil des OLG fällt zugunsten des Sängers aus

Das OLG sah das anders. Gerade die historische Aufladung des Themas und deren ausschlaggebender Stellenwert im öffentlichen Diskurs verlange einen vorsichtigen Umgang mit der personenbezogenen Zuweisung antisemitischer Tendenzen. Diese ziehe nämlich eine Prangerwirkung nach sich und sei ansehensschädigend.

Auch sei die Äußerung der Beklagten zum Teil dem Beweis zugänglich, enthalte also einen Kern an Tatsachenbehauptung, weshalb die Erbringung gewichtiger Nachweise erforderlich gewesen sei. Solange sich der Kläger von den Vorwürfen der Beklagten glaubhaft distanzieren könne, fehle den Vorwürfen die Grundlage.

Geht es letztlich um die Grenzen des Sagbaren?

„Was man noch sagen darf“, ist eine aktuell oft gestellte Frage. Entgegen dem durch die Fragestellung gesetzten Anschein haben Politiker und Staatsoberhaupte haben die Grenzen des „Sagbaren“ schleichend, aber auch sehr drastisch erweitert. In Deutschland verwandeln sich bisher tabuisierte Ressentiments in Teile des parteipolitischen und gesellschaftlichen Diskurses.

Die Bezeichnung einer Person als antisemitisch kategorisiert sie als „menschenfeindlich“. Dennoch nimmt der Bezeichnende diese Kategorisierung anhand der öffentlichen Äußerungen der Person vor und reagiert damit auf Äußerungen, die möglicherweise stellvertretend für allgemeinere aufkeimende menschenfeindliche Tendenzen in der Gesellschaft stehen.

Geht es also hier nur um eine „Schlag-auf-Schlag-Rhetorik“ – laut Politikwissenschaftlern ihrerseits gefährlich und nicht zielführend – oder um die Erfüllung bürgerlicher Pflichten, Alarmsignale für die demokratischen Werte wahrzunehmen und dagegen vorzugehen? Der eigentliche Disput dreht sich um die Frage, ob und inwiefern sich die Grenzen des Sagbaren überhaupt ziehen lassen. Die Absicht, die hinter einer Aussage steckt, heiligt nicht deren Mittel. Dennoch muss in die Beurteilung der Zulässigkeit einer Äußerung auch der sie durchdringende Zweck miteinfließen. Eine Gesellschaft kann nicht Zustände beschönigen oder gar verharmlosen, weil deren Benennung unbequeme Konnotationen hat.

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