Sechs populäre Abmahnungs-Irrtümer
Aus aktuellem Anlass hier eine Liste der häufigsten Irrtümer und Missverständnisse, die unsere Mandanten und Gegner im Internet zum Thema „Abmahnungen im Wettbewerbs- und Urheberrecht“ gefunden haben. Wer eine Abmahnung erhalten hat, sollte vor allem dem Inhalt Aufmerksamkeit schenken und das Schreiben überprüfen lassen, um darauf vernünftig zu reagieren. Die folgenden „Verteidigungsmöglichkeiten“ bieten allerdings wenig Aussicht auf Erfolg:
1. Ohne Vollmacht ist die Abmahnung nichtig. Außerdem ist das ein Hinweis darauf, dass der Anwalt auf eigene Faust ohne Mandant abmahnt und absahnt.
Zunächst sollte man sich klarmachen, dass es nur zwei Oberlandesgerichte in Deutschland gibt, die meinen, dass eine anwaltliche Abmahnung einer Original-Vollmacht des Auftraggebers nach § 174 BGB bedarf. In diesen Gerichtsbezirken wird der Anspruchsteller wahrscheinlich keine einstweilige Verfügung beantragen. Außerdem messen die Gerichte der Vollmachtsrüge höchstens dann Bedeutung bei, wenn der Abgemahnte bei der Rüge der Vollmacht zu erkennen gibt, dass er nach Vorlage der Vollmacht eine Unterlassungserklärung abgeben wird. Schließlich sollte man auch aus taktischen Gründen vorsichtig sein, ob man dem Anwalt, der die Abmahnung verfasst hat, vollmachtsloses Handeln und damit möglicherweise Betrug vorwirft.
Update 14.01.2011: Wie wir hier berichteten, hat der BGH im Mai 2010 entschieden, dass der Abmahnung grundsätzliche keine Vollmachturkunde im Original beizuliegen hat.
2. Die Abmahnung habe ich nie bekommen. Deshalb lege ich Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung ein.
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass der Abgemahnte darlegen und beweisen muss, dass er keinen Anlass zur Klage (§ 93 ZPO) gegeben hat. Das Bestreiten des Zugangs der Abmahnung genügt dafür nicht. Im Übrigen ist die Abmahnung keine Voraussetzung für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung. Eine nicht erfolgte Abmahnung kann nur im Hinblick darauf relevant sein, ob der Abgemahnte die einstweilige Verfügung ohne Kosten sofort anerkennen kann!
3. Die Frist in der Abmahnung ist zu kurz. Ich muss sie nicht beachten.
Im Wettbewerbs- und Urheberrecht ist das Setzen kurzer Fristen die Regel. Wird eine zu kurze Frist gesetzt, so hat dies nur die Wirkung, dass eine „angemessene“ Frist in Gang gesetzt wird. Was angemessen ist, entscheiden die Gerichte.
4. Die Abmahnung enthält Textbausteine, Rechtschreibfehler, kein (oder ein auffälliges) Aktenzeichen.
Die Abmahnung wurde wahrscheinlich von einem Anwalt verfasst. Anwälte benutzen für gleiche Sachverhalte Textbausteine, machen Rechtschreibfehler und vergeben für ihre Schreiben (meist) Aktenzeichen.
5. Die unter 4. genannten Indizien sprechen für eine „Serienabmahnung“. Serienabmahnungen sind rechtsmissbräuchlich.
Rechtsmissbräuchliche Abmahnungen gibt es immer wieder. Sie sind gleichwohl Ausnahmefälle. Will sich der Abgemahnte im Prozess auf Rechtsmissbrauch berufen, muss er beweisen, dass es dem Anspruchsteller gegen den Abgemahnten vorwiegend darauf ankam, einen Anspruch auf Aufwendungsersatz oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. Allerdings ist der bloße Einwand „Serienabmahnung“ ein stumpfes Schwert, mit dem viele Abgemahnte – sofern sie sich nur auf diesen Einwand stützen – vor Gericht regelmäßig scheitern. Zwar gibt es Gerichte, die vereinzelt Rechtsmissbrauch nach § 8 Abs. 4 UWG bei zahlreichen Abmahnungen ohne eine stichhaltige Begründung angenommen haben (dort wird der Antragsteller im Zweifel nicht hingehen). Meist wurden derartige Entscheidungen in der zweiten Instanz wieder aufgehoben (Stichwort Mediamarkt). Literatur und wettbewerbsrechtliche Rechtsprechung vertreten die überwiegende Auffassung, dass allein die Häufigkeit von Abmahnungen gerade kein Argument für Rechtsmissbrauch ist. Denn wenn das Wettbewerbsrecht vielfach verletzt wird, muss auch eine Veilfachverfolgung möglich sein. Dies gilt umso mehr im Urheberrecht, wo es eine dem § 8 UWG entsprechende Regelung nicht gibt. Hier hat z.B. das Landgericht Köln festgestellt, dass massenhafte Verstösse gegen geistige Schutzrechte eben auch massenhafte Rechtsverfolgung rechtfertigen (Landgericht Köln, Urteil v. 23.11.2005, Az. 28 S 6/05). Wer sich auf Rechtsmissbrauch beruft, muss dem Gericht also handfeste Fakten präsentieren.
6. Ich bin schon einmal wegen desselben Verstoßes von einem anderen abgemahnt worden. Ich muss daher nicht reagieren.
Richtig ist, dass derjenige, der sich bereits ernsthaft unterworfen hat, keine weitere Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abgeben muss. Allerdings muss er den „Zweitabmahner“ über die vorangegangene Erklärung informieren und auch die Unterlassungserklärung vorlegen. Außerdem hat er dem Abmahnenden, der im Zeitpunkt der Abmahnung über die vorangegangene Unterwerfung nicht informiert war, die Kosten für die „Zweitabmahnung“ zu erstatten.
Noch Fragen? Dann ab zum Anwalt oder in die Blogsprechstunde heute Nachmittag. (zie)