Tony Taler setzt Eltern unter Druck
Ostern ist gerade vorbei und einigen Eltern werden noch die Kinderwünsche in den Ohren nachhallen: „Mama und Papa, ich will zu Ostern ein PC-Spiel, eine Puppe, ein Pony usw.!“ Es gibt unzählige Dinge, die ein Kinderherz begehren kann und manche Eltern fühlen sich dadurch unter Druck gesetzt. Auf Kinderfernsehsendern richten sich unzählige Werbeclips an Kinder. Doch kann der Druck auf Eltern tatsächlich so groß sein, dass einzelne Werbemaßnahmen zu unterlassen sind?
Dazu ist mir neulich ein Urteil aufgefallen. In dem vom BGH zu entscheidenden Fall wurde die Beklagte verurteilt, ihre Werbeaktion zu unterlassen (BGH, Urteil v. 12.07.2007, Az. I ZR 82/05).
Was war geschehen?
Die Beklagte vertreibt Frühstückszerealien. In der Zeit vom 01.07.2003 bis zum 31.01.2004 führte sie eine an Schüler gerichtete Werbeaktion durch. Bei dieser wurden Schüler aufgefordert, als „Tony Taler” bezeichnete Wertpunkte zu sammeln und diese anschließend über ihre Schule bei der Beklagten einzureichen. Wenn eine gewisse Anzahl der Taler gesammelt wurde, erhielten die Schulen Sportgeräte, wie z.B. Springseile oder Badminton-Sets. Die Taler befanden sich in den Verpackungen der Zerealien („Kellogg’s Frosties” und „Kellogg’s Chocos”).
Der Kläger hielt die Werbeaktion für wettbewerbswidrig, da sie dazu geeignet sei, erheblichen sozialen Druck auf Eltern auszuüben.
Die Entscheidung
Nachdem das OLG Bremen die Berufung zurückgewiesen hatte, war die Revision des Klägers erfolgreich. Der BGH bejahte den Unterlassungsanspruch des Klägers gegen den Beklagten gem. §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3, 3, 4 Nr. 1 UWG. Die Werbeaktion sei am Maßstab des § 4 Nr. 1 UWG zu messen. Nach § 4 Nr. 1 UWG sind solche geschäftlichen Handlungen unlauter, die geeignet sind, die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher oder sonstiger Marktteilnehmer durch Ausübung von Druck, in menschenverachtender Weise oder durch sonstigen unangemessenen unsachlichen Einfluss zu beeinträchtigen.
Abzustellen sei auf die Entscheidungsfreiheit der Eltern als potenzielle Käufer, auch wenn sich die Werbemaßnahme an die Kinder richte, so der BGH. Die Schwelle zur Unlauterkeit werde erst überschritten, wenn der auf den Erwachsenen ausgeübte Druck ein solches Ausmaß erreiche, dass er in seiner freien Willensentschließung wesentlich beeinträchtigt werde. Dies dürfe bei Erwachsenen nur ausnahmsweise angenommen werden. Werbung sei nicht bereits dann unlauter, wenn sie geeignet sei, bei Kindern Kaufwünsche zu wecken, deren Erfüllung sie von ihren Eltern verlangen würden. Es gehöre zu den Grundlagen jeder Erziehung, Kindern verständlich zu machen, dass nicht alle Wünsche erfüllt werden können und denen auch ablehnend zu begegnen.
Im vorliegenden Fall sei die Unlauterkeit jedoch zu bejahen. Die Sammelaktion sei dazu geeignet, einen erheblichen Gruppendruck auf die Schüler auszuüben. Der Gruppendruck sei dadurch gegeben, dass die Sportgeräte von allen Schülern genutzt werden könnten, und zwar unabhängig davon, ob der einzelne Schüler viele oder wenig bis keine Taler gesammelt habe. Die Schüler, die viel gesammelt hätten, würden Druck auf die anderen Schüler ausüben, die nur wenig zu den gemeinsamen Sportgeräten beitrugen.
Die Werbung nutze die Identifikation der Schüler mit ihrer Schule aus und führe dazu, dass sich Schüler, die unter starken Gruppenzwängen leiden, diesen beugen würden. Es bestehe zusätzlich die Gefahr, dass die Kinder durch die Werbeaktion von ihren Sportlehrern unter Druck gesetzt werden könnten.
Dieser Satz im Urteil gefiel mir besonders:
„Ein vernünftiger Erziehungsberechtigter ist im Allgemeinen in der Lage, Kaufwünschen, die von seinen Kindern an ihn herangetragen werden, auch ablehnend zu begegnen. (…) Die Tatsache allein, dass seine Kinder ihn mehr oder weniger intensiv mit Wünschen bedrängen, steht daher einer rationalen Entscheidung des Erziehungsberechtigten über den Kauf eines Produkts grundsätzlich nicht entgegen.“
Fazit
Also liebe Eltern, der BGH rechnet fest damit, dass Ihr den Wünschen Eurer Kinder im Regelfall Stand halten könnt und der Druck auf Euch nicht dazu führt, dass Ihr Euren Erziehungsauftrag vergesst und eine irrationale Entscheidung trefft. (jr)
(Bild: © Anja Greiner Adam – Fotolia.com)