Deutschland stimmt der Urheberrechtsreform zu – kommen Uploadfilter?
Nach einer hitzigen Debatte und trotz Protesten von Zehntausenden Menschen haben die EU-Staaten der umstrittenen Urheberrechtsreform endgültig zugestimmt. Damit soll das Urheberrecht an die Digitalisierung angepasst werden.
Auch die deutsche Bundesregierung votierte mit Ja, kündigte aber Ausnahmen bei der Umsetzung in Deutschland an. Die EU-Länder haben nun rund zwei Jahre Zeit, die neuen Regeln in nationales Recht umzusetzen.
Streitpunkt: Upload-Filter
Sowohl im EU-Parlament als auch in der Gesellschaft ist die Reform heftig umstritten. In ganz Europa und vor allem in Deutschland hat das Thema und insbesondere Artikel 13, der im endgültigen Gesetz Artikel 17 heißt, hohe Wellen geschlagen.
Eigentlich soll das Vorhaben das veraltete Urheberrecht in der EU ans digitale Zeitalter anpassen und Urhebern für ihre Inhalte im Netz eine bessere Vergütung sichern. Plattformen wie Youtube sollen künftig schon beim Hochladen von Inhalten überprüfen, ob sie urheberrechtlich geschütztes Material enthalten (Ausnahmen bestehen jedoch für nicht-profitorientierte Plattformen wie z.B. Wikipedia).
Das ist nach Meinung von Kritikern der Reform nur durch technische Kontrollen, sogenannte Upload-Filter möglich. Kritiker wittern in den Upload-Filtern eine Zensurmaschine und befürchten negative Folgen für die Meinungsfreiheit. Im Zweifel wird dann lieber zu viel als zu wenig gelöscht (sog. Overblocking).
Davon abgesehen seien derartige Verstöße vor allem für kleine Plattformbetreiber schwer erkennbar und die Überwachung würde sie an die Grenzen ihrer eigenen Kapazitäten bringen.
Schließlich entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) bereits 2012, dass Anbieter sozialer Netzwerke nicht zu Vorkontrollen im Internet gezwungen werden können (EuGH, Urteil v. 16.02.2012, Az. C-360/10). Eine belgische Verwertungsgesellschaft wollte einen Plattformbetreiber zur Einführung eines Filtersystems zwingen, um das Veröffentlichen urheberrechtlich geschützten Materials zu verhindern. Der EuGH sah darin eine Verletzung des Verbots der allgemeinen Überwachungspflicht. Ferner würde die unternehmerische Freiheit des Unternehmens durch das kostspielige und komplizierte System beeinträchtigt.
Streitpunkt: Leistungsschutzrecht
Ebenfalls umstritten war der nun ebenfalls gebilligte Artikel, der ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage vorsieht.
Das Leistungsschutzrecht, welches in Deutschland bereits 2012 auf den Weg gebracht worden war, war bereits Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung des LG Berlin. Es wird seit jeher von vielen Seiten heftig kritisiert. Hier sehen Kritiker insbesondere für kleine Verlage Nachteile, die gegenüber Google eine schwache Verhandlungsposition hätten.
Emotionale Debatte um das Überleben der Künstler
Der CDU-Europapolitiker Axel Voss hat die Zustimmung als „Siege für die Demokratie“ gewertet. „Mit der Reform schaffen wir erstmals Rechtssicherheit für private User, die Musik oder Videos ins Internet stellen… Das Internet ist kein rechtsfreier Raum, die Prinzipien des Rechtsstaats gelten auch im Netz“, betont Voss, der das Vorhaben mit den EU-Staaten verhandelt hatte.
Aus Sicht der Befürworter geht es hingegen darum, Plattformen, die wissentlich mit fremden Inhalten Geld verdienen, zu einer fairen Lizenzierung zu zwingen. Die wirtschaftliche Lage der Presse sei katastrophal, sagte der französische Liberale Jean-Marie Cavada. Mit der Presse sei „ein Teil der Demokratie in Gefahr“. Die Reform sei „die einzige Chance“, die Zukunft von Kreativen zu schützen.
Umsetzung der Reform ohne Upload-Filter?
Nachdem es vor allem in Deutschland scharfe Protestaktionen gegen Teile der Reform gab, betonte die Bundesregierung zuletzt, Upload-Filter sollten bei der Umsetzung weitgehend vermieden werden. Infolge des Protests betonte Justizministerin Katarina Barley (SPD), dass alle Beteiligten nun schauen müssten, die Richtlinie so „userfreundlich“ wie möglich umzusetzen, um eine größtmögliche Freiheit im Netz zu erhalten.
Protokollerklärung der Bundesregierung
Die Bundesregierung gab bei der Abstimmung am 15. April 2019 eine separate Protokollerklärung ab, in der betont wird, dass bei der nationalen Umsetzung der Richtlinie auf den Einsatz der umstrittenen Upload-Filter verzichtet werden soll. Dort heißt es:
„Upload-Plattformen sollen auch künftig als freie, unzensierte Kommunikationskanäle für die Zivilgesellschaft zur Verfügung stehen…Ziel muss es sein, das Instrument „Uploadfilter“ weitgehend unnötig zu machen. Jeder dauerhafte „stay down“ – Mechanismus („Uploadfilter“) muss dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen. Es sind insbesondere verfahrensrechtliche Garantien denkbar, etwa wenn Nutzer beim Upload mitteilen, dass sie Inhalte Dritter erlaubterweise hochladen. Eine Löschung könnte in diesen Fällen also nicht automatisch, sondern erst nach einer von Menschen durchgeführten Überprüfung zulässig sein.“
Doch dabei handelt es sich bloß um eine rechtlich nicht bindende Absichtserklärung. Auch EU-Kommissar betonte deutlich, dass es „keinen deutschen Sonderweg“ bei der Umsetzung der EU-Richtlinie geben darf. Die Vorgaben seien klar formuliert, sodass diese rasch und unter Einhaltung des eingeräumten Gestaltungsspielraums in nationales Recht umgesetzt werden sollen. Vor diesem Hintergrund kommen die Vorschläge der Bundesregierung möglicherweise zu spät.
Wie es jetzt weitergeht
Die EU-Staaten haben nun zwei Jahre Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Es erscheint derzeit allerdings fraglich, wie eine nur in Deutschland geltende Ausnahme zur Filterpflicht umgesetzt werden kann ohne gegen Europarecht zu verstoßen. Es bleibt insbesondere abzuwarten, wie die EU-Staaten gewährleisten können, dass die Plattformen nicht einer „generellen Überwachungsverpflichtung“ unterliegen sollen (vgl. EuGH, Urteil v. 16.02.2012, Az. C-360/10) und dabei mögliche negative Auswirkungen auf kleinere und mittlere Verlage vermieden werden.