LG Köln: Anhängen an fremde Angebote bei Amazon begründet keinen Urheberrechtsverstoß bezüglich der Produktbilder
Grund für viele Streitigkeiten ist der Preiskampf auf Amazon
Der wahre Grund für den Streit unter den Händlern dürfte allerdings nicht im Urheberrecht liegen, sondern im ruinösen Preiskampf, der auf der auf Amazon zwischen den Händlern herrscht. Denn Amazon lässt anders als eBay die Einstellung eines Artikels (mit entsprechender Beschreibung) grundsätzlich nur einmal zu. Wird der entsprechende Artikel, was den Regelfall darstellt, von mehr als einem Verkäufer angeboten, müssen sich die weiteren Anbieter an den Artikel “anhängen”. Bei der Darstellung der Angebote auf der Amazon-Plattform wird dann nach dem Kaufpreis, der bei jedem Anbieter natürlich unterschiedlich sein kann, sortiert.
Es liegt auf der Hand, dass die so zwangsläufig in einer Artikelbeschreibung verbundenen Anbieter jetzt (ganz im Sinne von Amazon) damit beginnen, sich gegenseitig zu unterbieten, da jeder natürlich an erster Stelle gelistet sein will. Ähnlich wie bei Google schenken Käufer nämlich nur den ersten Platzierungen überhaupt Beachtung. Der Rest verkauft so gut wie gar nichts. Da der Preis für einen bestimmten Artikel nicht unbegrenzt gesenkt werden kann, wenn der jeweilige Anbieter nicht draufzahlen möchte, versuchen viele Händler, die Konkurrenz über das Markenrecht oder eben auch das Urheberrecht loszuwerden.
Der Bilder auf Amazon hochlädt, willigt in die Nutzung weiterer Anbieter ein
Im vom Landgericht Köln zu entscheidenden Fall stritten sich zwei Händler, die ursprünglich an den gleichen Amazon-Artikel „angehängt“ waren. Nachdem der Kläger an dem Angebot, zu dem er von ihm erstellte Lichtbilder hinzugefügt hatte, nicht mehr beteiligt war, ärgerte er sich darüber, dass der Beklagte das ursprünglich von ihm in das Angebot hochgeladene Fotomaterial weiternutzte und mahnte ihn deswegen ab.
Zu Unrecht, wie die Kölner Richter nun entschieden. Dies zwar nicht deswegen, weil die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Amazon-Plattform eine Klausel enthalten, mit der sich Amazon umfangreiche Nutzungsrechte an dem hoch geladenen Bildmaterial einräumen lässt. Eine solche Klausel sei unwirksam. Dies ändere aber nichts daran, dass sich der Kläger im Verhältnis zum Beklagten dennoch nicht auf sein Urheberrecht berufen könne, da er sein Bildmaterial in Ansehung der Funktionsweise der Amazon-Plattform mit Wissen und Wollen hochgeladen habe. Kollege Stephan Dirks weist in seiner lesenswerten Urteilsbesprechung an dieser Stelle zurecht darauf hin, dass die Lösung des Landgerichts nicht nur für Laien merkwürdig anmutet.
Schuld war nur der BGH
Dieser „Kunstgriff“ ist aber nicht etwa eine Erfindung des Landgerichts, sondern geht auf Überlegungen des Bundesgerichtshofs zurück, die dieser innerhalb seiner 2 unheilvollen Versuche angestellt hat, die Google-Bildersuche zu retten. Der erste Senat des BGH hatte sich in seinen Entscheidungen Vorschaubilder I (BGH vom 29.4.2010, Az. 1 ZR 69/08) und Vorschaubilder II (BGH vom 19.10.2011, Az. 1 ZR 140/10) mit der Zulässigkeit der Anzeige von Vorschaubildern urheberrechtlich geschützter Werke durch Google auseinanderzusetzen. Der BGH kam zu dem Ergebnis, dass sich die öffentliche Zugänglichmachung der Werke nicht als rechtswidrig darstelle, weil insoweit von einer die Rechtswidrigkeit ausschließenden schlichten Einwilligung auszugehen sei, da die Urheberin ihre Internetseite mit den entsprechenden Befehlen nicht vor einer Indexierung von Google geschützt habe. In seiner Entscheidung Vorschaubilder II hat der gleiche Senat die Annahme einer Einwilligung sogar auf solche Werke erstreckt, die nicht vom Urheber selbst, sondern lediglich mit seiner Zustimmung von einem Dritten ins Internet eingestellt wurden. Wir berichteten.
Der Damm ist gebrochen
Die Entscheidungen sind unter Juristen heftig kritisiert worden, da sie insbesondere im Internet zulasten der Urheber faktisch auf Sicherungspflichten hinauslaufen, die grundsätzlich nicht bestehen. Während die Entscheidungen mit Hinblick auf die konkrete Konstellation bezüglich der Google-Suche noch vertretbar erscheinen mögen, wird angesichts der Entscheidung des Landgerichts Köln nun klar, wie gefährlich es ist, wenn Richter nicht alleine auf der Grundlage gesetzlicher Bestimmungen entscheiden, sondern zumindest auch politische Motive eine Rolle spielen. Wenn man eine Einrichtung, wie zum Beispiel die Google-Bildersuche, für sinnvoll erachtet, einer rechtmäßigen Nutzung aber Rechtspositionen Dritter entgegenstehen, ist es der falsche Weg, hierfür über die Rechtsprechung eine Lösung finden zu wollen. Wenn ein gesetzlicher status quo in der Gesellschaft keinen Konsens mehr findet, ist schlicht der Gesetzgeber gefragt und nicht die Justiz auch und gerade, wenn es sich dabei um die wegweisende höchste Instanz handelt. Sprich: Soweit man das Urheberrecht für nicht mehr zeitgemäß hält, muss man es abschaffen bzw. anpassen. Bis dahin muss die Justiz die geltenden Gesetze anwenden und darf sie nicht ignorieren oder „biegen“.
Köln gegen Köln
Wie undurchsichtig die Lage für Urheber insbesondere im Internet zur Zeit ist, zeigt eine weitere aktuelle Entscheidung, die ebenfalls zu im Internet verwendeten Lichtbildern ergangen ist. Im Januar bei 2014 hat das Landgericht Köln ( LG Köln, Urteil v. 30.1.2014, Az. 14 O 427/13) noch entschieden, dass das Urhebernennungsrecht Nutzer verpflichte, Lichtbilder mit dem Namen des Urhebers zu versehen und dass es dafür nicht ausreiche, diesen Hinweis lediglich auf der Internetseite einzublenden, zu deren Illustration das Lichtbild diene. Der Urheberhinweis müsse auch sichtbar sein, wenn das Lichtbild über die URL unmittelbar also „nackt“ aufgerufen werde.
Einerseits sollen bestimmte Handlungen des Urhebers im Internet nach Ansicht des Landgerichts Köln dazu führen, dass dieser die Herrschaft und damit auch die kommerzielle Verwertbarkeit in Bezug auf seine Werke faktisch vollständig verliert. Andererseits macht dasselbe Landgericht Köln (sogar dieselbe Kammer!) demjenigen, der ein Werk sogar auf Grundlage einer gültigen Lizenz nutzen möchte, in der Praxis fast unmögliche Vorgaben, um die Bedingungen der rechtmäßig erworbenen Lizenz zu erfüllen.
Fazit und Ausblick:
Beide Entscheidungen sind zur Zeit noch nicht rechtskräftig. Das Oberlandesgericht Köln könnte also theoretisch beide noch abändern. Für die Urheber ist zu wünschen, dass sich die Ansicht des Landgerichts Köln, die den höchstrichterlichen Google-Kniff nicht nur zu Gunsten von Suchmaschinen, sondern offenbar auch zu Gunsten von natürlichen Personen anwenden möchte, nicht durchsetzt. Denn das könnte vor dem Hintergrund der übrigen Vorgaben der beiden Entscheidungen des BGH womöglich tatsächlich dazu führen, dass Lichtbilder nur irgendwo einmal vom Berechtigten im Internet öffentlich zugänglich gemacht werden müssten, um faktisch gemeinfrei zu werden. Bevor das passiert, sollte man lieber so ehrlich sein, und den sicherlich an vielen Stellen nicht mehr zeitgemäßen Schutz für Lichtbilder aufgeben.
Update 29.3.2015:
Das Oberlandesgericht Köln hat das Landgericht Köln im Ergebnis bestätigt. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Amazon, nach denen Teilnehmer am „Amazon Marketplace“ Amazon ein einfaches, unbefristetes und unentgeltliches Nutzungsrecht an von ihnen dort eingestellten Inhalten einräumen, sind wirksam. Damit können sich auch andere Teilnehmer auf dieses Amazon eingeräumte Nutzungsrecht berufen, wenn sie sich an fremde Angebote „anhängen“ (OLG Köln, Urteil v. 19.12.2014, Az. 6 U 51/14).
(la)[:]