Der Streitwert bei Produktfotografien
Wieviel ist ein Foto von einem Produkt wert? Und was, wenn das Foto in einem Produktangebot auf einer Verkaufsplattform im Internet verwendet wird? Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg (HansOLG) sah jetzt in einem Verfahren den Streitwert bei bis zu 8.000 Euro pro Foto (HansOLG, Beschluss v. 10.02.2022, Az. 5 W 58/21).
Im entschiedenen Fall verwendete die Antragsgegnerin für Verkaufsangebote im Internet systematisch Produktfotos, an denen sie keine Rechte erworben hatte. Das HansOLG setzte in dem einstweiligen Verfügungsverfahren für die Produktfotos eines professionellen Fotografen – wie auch schon zuvor das Landgericht – einen Streitwert von jeweils 8.000 Euro an. Drei der streitbefangenen Fotos wurden in einem Produktangebot des Verletzers verwendet. Für diese drei Fotos hält das Gericht einen Streitwert von zusammen 20.000 Euro für angemessen.
Das Gericht errechnete einen Gesamtstreitwert von 108.000 Euro. Die Antragsgegnerin hatte eine Herabsetzung auf einen Wert von insgesamt 80.000 Euro oder hilfsweise 91.200 Euro begehrt, was das HansOLG als nicht gerechtfertigt ansah.
Interesse des Anspruchsstellers zu berücksichtigen
Bei urheberrechtlichen Unterlassungsansprüchen richte sich der Streitwert nach dem Interesse des Anspruchstellers an der Unterbindung weiterer gleichartiger Verstöße, heißt es im Beschluss. Dieses Interesse sei im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung pauschalierend unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu bewerten. Anhaltspunkte seien sowohl der wirtschaftliche Wert des verletzten Rechts als auch die Intensität und der Umfang der Rechtsverletzung, der sogenannte Angriffsfaktor.
Hoher Angriffsfaktor wegen wirtschaftlicher Nutzung
Der Angriffsfaktor werde insbesondere durch die Stellung des Verletzers und des Verletzten, die Qualität der Urheberrechtsverletzung, den drohenden Verletzungsumfang, die Art der Begehung des Rechtsverstoßes, eine hierdurch begründete Nachahmungsgefahr und durch subjektive Umstände auf Seiten des Verletzers wie den Grad des Verschuldens bestimmt. Den Angriffsfaktor sah das HansOLG als erheblich an, da die Bilder zur Illustration von Verkaufsangeboten auf einer im Internet betriebenen Verkaufsplattform genutzt und damit die Qualität der Bilder zu einem eigenen wirtschaftlichen Zwecken ausgewertet worden sei. Da der Antragsteller ein professioneller Fotograf sei, sei der Wert der verletzten Urheberrechte erhöht.
Gefährlichkeit der Verletzungshandlung hat Indizwirkung
Der Gefährlichkeit der Verletzungshandlung komme bei der Wertbemessung Indizwirkung zu, so der Beschluss weiter Allerdings könne auch anderen, von der Verletzungshandlung unabhängigen Faktoren Rechnung zu tragen sein, etwa der Wahrscheinlichkeit künftiger Zuwiderhandlungen.
Die Bemessung des Streitwerts in gerichtlichen Auseinandersetzungen habe unter umfassender Berücksichtigung der jeweiligen Einzelumstände des Rechtsstreits und nicht nach Regelstreitwerten zu erfolgen. Ausgangspunkt und Maß der Bewertung des Streitwerts gemäß § 3 Zivilprozessordnung sei das nach objektiven Maßstäben zu beurteilende individuelle Interesse des Anspruchstellers.
BGH: 6.000 Euro Streitwert bei Schnappschuss
Das HansOLG verweist in seinem Beschluss auf die Rechtsprechung des BGH. Der hat bei einer gewerblichen Nutzung eines Schnappschusses im Wege des öffentlich Zugänglichmachens im Sinne von § 19a Urhebergesetz einen Unterlassungswert in Höhe von 6.000 Euro in der Hauptsache für nicht zu beanstanden angesehen (vgl. BGH GRUR 2019, 292 Rn. 29). In dem Verfahren, das vor dem HansOLG landete, habe das Landgericht berücksichtigt, dass sich die Produktfotografien von einem bloßen Schnappschuss erkennbar abhebten.
8.000 Euro Streitwert für ein Profi-Foto – nach den 6.000 Euro des BGH für einen Schnappschuss hat das HansOLG hat in seinem Beschluss eine weitere Hausnummer genannt, die bei ähnlichen Rechtsstreitigkeiten schwer von der Hand zu weisen sein wird.