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Urheberrechtlicher Schutz von Werken der angewandten Kunst

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Urheberrechtlicher Schutz
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Wann genießt ein Produkt urheberrechtlichen Schutz? Der Bundesgerichtshof hat entschieden: Der Umfang des urheberrechtlichen Schutzes eines Werks ergibt sich aus der Gestaltungshöhe (BGH, Urteil vom 15.12.2022, Az. I ZR 173/21).

Grundsätzlich ist der Umfang des urheberrechtlichen Schutzes eines Werks der angewandten Kunst nicht geringer als bei anderen unter die EG-Richtlinie 2001/29 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft fallenden Werken (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 12.09.2019, Az. C-683/17 – Cofemel).

Ausschließlichkeitsrechte bei Werken angewandter Kunst

Der BGH entschied, dass bei Werken der angewandten Kunst dieselben Ausschließlichkeitsrechte gewährt werden müssen. Hinsichtlich der Reichweite der Ausschließlichkeitsrechte seien dieselben Rechtsmaßstäbe anzulegen wie bei allen anderen Werkkategorien. Dies umfasse jedoch nicht die im Einzelfall vorzunehmende Bestimmung des konkreten urheberrechtlichen Schutzbereichs eines Werks. Dieser ergebe sich aus seiner Gestaltungshöhe.

Gestaltungshöhe entscheidend

Ein Lichtplanungsbüro, das an einem Wettbewerb der Beklagten für die Entwicklung neuer Vitrinenleuchten für Boutiquen teilnahm, hatte geklagt. Der Geschäftsführer der Klägerin hatte eine Leuchte entworfen und der Klägerin die ausschließlichen Nutzungsrechte an der Gestaltung eingeräumt. Nachdem Franchise-Boutiquen mit Leuchten eines anderen Leuchtenmodells ausgestattet wurden, rügte die Klägerin eine Verletzung der ihr eingeräumten urheberrechtlichen Nutzungsrechte an dem Leuchtenmodell.

In seinem Urteil teilt der BGH die Einschätzung des Berufungsgerichts, die Gestaltung des Leuchtenentwurfs weise, falls es sich dabei um ein Werk der angewandten Kunst im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Urhebergesetz (UrhG) handle, einen engen Schutzbereich auf.

Deren Gestaltung sei „Ausdruck einer kreativen, eigenschöpferischen Leistung eines Urhebers, in dem sich dessen Persönlichkeit widerspiegele“. Die übrigen Merkmale wie die Formsprache oder zwei Quader aus Metall oder ein verstellbares Scharnier seien entweder vorbekannt oder wiesen ein geringes Maß an Eigentümlichkeit mit der Folge eines engen Schutzbereichs auf.

Urheberrecht schützt persönliche geistige Schöpfungen

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG gehören Werke der bildenden Kunst einschließlich Werken der angewandten Kunst sowie Entwürfe solcher Werke zu den urheberrechtlich geschützten Werken, sofern sie nach § 2 Abs. 2 UrhG persönliche geistige Schöpfungen sind. Eine persönliche geistige Schöpfung ist laut dem Urteil des BGH „eine Schöpfung individueller Prägung, deren ästhetischer Gehalt einen solchen Grad erreicht hat, dass nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise von einer ‚künstlerischen‘ Leistung gesprochen werden kann“. Eine ästhetische Wirkung der Gestaltung könne Urheberrechtsschutz nur begründen, soweit sie auf einer künstlerischen Leistung beruhe und diese zum Ausdruck bringe, so der BGH.

Dies entspreche dem unionsrechtlich geschützten Begriff des urheberrechtlich geschützten Werks. Dieser verlange für die Einstufung eines Objekts als Werk zwei kumulative Voraussetzungen: Zum einen müsse es sich bei dem Gegenstand um ein Original in dem Sinne handeln, dass er eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers darstellt. Zum anderen sei eine Einstufung als Werk Elementen vorbehalten, die eine solche Schöpfung zum Ausdruck bringen. Bei Werken der angewandten Kunst seien deshalb keine höheren Anforderungen an die Gestaltungshöhe zu stellen sind als bei Werken der zweckfreien Kunst.

Jede Bearbeitung oder andere Umgestaltung im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 UrhG, soweit sie körperlich festgelegt ist, stelle eine Vervielfältigung im Sinne des § 16 UrhG dar. Allerdings führe nicht jede Veränderung eines Werks zu einer Bearbeitung oder anderen Umgestaltung im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz 1 UrhG. In einer nur unwesentlichen Veränderung einer benutzten Vorlage sei lediglich eine Vervielfältigung im Sinne des § 16 UrhG zu sehen.

Daraus ergebe sich folgende Prüfung: Zunächst sei festzustellen, welche objektiven Merkmale die schöpferische Eigentümlichkeit eines benutzten Werks bestimmen. In einem zweiten Schritt sei durch Vergleich der Gestaltungen zu ermitteln, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang in der neuen Gestaltung eigenschöpferische Züge des älteren Werks übernommen worden sind. Maßgeblich sei hier ein Vergleich des jeweiligen Gesamteindrucks der Gestaltungen. Stimme danach der jeweilige Gesamteindruck überein, handele es sich bei der neuen Gestaltung um eine Vervielfältigung des älteren Werks.

Der Bundesgerichtshof wies die Revision der Klägerin zurück. Damit steht dieser kein weiterer ordentlicher Rechtsweg offen.

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