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Widerrufsanspruch wegen einer Schutzrechtsverletzungsanzeige bei Amazon

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Widerrufsrecht Amazon
michelangeloop – stock.adobe.com

Stellt ein Rechteinhaber fest, dass Dritte auf Amazon Waren anbieten, die seine Urheberrechte, Markenrechte, Designrechte, Patentrechte (inklusive Gebrauchsmusterrechte) oder andere Rechte verletzen, bietet die Plattform an, eine Schutzrechtverletzungsanzeige in Gestalt einer Beschwerde einzureichen. Meist sperrt Amazon dann die gemeldeten Produkteumgehend und ohne rechtliche Prüfung, ob die Meldung tatsächlich berechtigt ist.  

Demnach stellt das Verfahren eine ernstzunehmende Alternative zu einer Abmahnung von Konkurrenten dar. Entscheidet man sich für dieses Verfahren, sollte man Verstöße von Mitbewerbern in sachlicher Form und vor allem in inhaltlich zutreffender Form melden, um dem Vorwurf zu entgehen, selbst wettbewerbswidrig agiert zu haben.

Anzeige einer Schutzrechtsverletzung

Die Widerklägerin nimmt die Widerbeklagte wegen einer erfolgten Produktsperrung auf der Internetplattform Amazon in Anspruch. Sie ist ein deutsches Unternehmen, das Fahrzeugzubehör anbietet, darunter auch Starthilfegeräte für Fahrzeuge. Die Widerbeklagte ist ein familiengeführtes, weltweit tätiges Unternehmen aus den USA, dessen Geschäftsbereich die Entwicklung, Herstellung und der Verkauf unter anderem von Batterien und Starthilfegeräten für Fahrzeuge ist. Ferner ist sie Inhaberin eines eingetragenen Gebrauchsmusters – im Folgenden Streitgebrauchsmuster – welches eine tragbare Starthilfevorrichtung für Fahrzeugbatterien mit Sicherheitsschutzvorrichtungen betrifft.

Die Widerbeklagte zeigte im zweiten Halbjahr gegenüber Amazon die Verletzung ihres Streitgebrauchsmusters durch Produkte der Widerklägerin an. Aufgrund der Anzeige wurden etwaige Produkte der Widerklägerin auf der Internetverkaufsplattform gesperrt. Daher kann sie die Produkte bisher nicht mehr vertreiben oder gar bewerben. Kurze Zeit später erhob die Widerbeklagte dann zusätzlich vor dem Landgericht München eine Klage wegen Verletzung des Streitgebrauchsmusters und wegen Benutzung des Gegenstands der zuvor offengelegten Anmeldung des Streitpatents durch einige Produkte. Zu einem späteren Zeitpunkt erweiterte die Widerbeklagte die Klage um Ansprüche wegen Verletzung des mittlerweile erteilten Streitpatents. Wobei sie dabei das Streitgebrauchsmuster nicht in der eingetragenen, sondern in der Fassung des Streitpatents mit Ausnahme eines Merkmals geltend machte.

In der Klageerwiderung erhob die Widerklägerin Widerklage auf Verurteilung der Widerbeklagten zur Rücknahme der Schutzrechtsverletzungsanzeige gegenüber Amazon sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht der Widerbeklagten. Bevor die Anträge dann im Verfahren gestellt worden, nahm die Widerbeklagte ihre beiden Klagen zurück. Die Widerklägerin hingegen erweiterte ihre Widerklage.

Widerrufsanspruch bei behaupteter Gebrauchsmusterverletzung

Das Landgericht München (LG München, Urteil v. 14.10.2021, Az. 7 O 12732/20) hielt den Antrag für begründet, soweit er darauf gerichtet ist, die Widerbeklagte zu verurteilen, gegenüber Amazon die Schutzrechtsverletzungsanzeige gegen die Produkte der Widerklägerin zurückzunehmen. Dieser Anspruch ergebe sich aus § 823Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) in Verbindung mit § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB analog. Das Verhalten der Widerbeklagten, die hinsichtlich einiger Produkte der Widerklägerin eine Schutzrechtverletzungsanzeige gegenüber Amazon stellte, woraufhin Amazon den Verkauf der Produkte auf ihrer Internetseite unterband, werde nach den Grundsätzen über eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung behandelt. Diese unberechtigte Schutzrechteverletzungsanzeige gegenüber Amazon stelle einen rechtswidrigen und schuldhaften Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Widerklägerin dar, so die Richter.

In erster Linie sei hier festzustellen, dass die Schutzrechtsverletzungsanzeige, die die Widerbeklagte allein auf das Streitgebrauchsmuster in eingeschränkter Fassung stützte, rechtswidrig sei. Das aus dem Grund, weil die angezeigten Produkte der Widerklägerin die Lehre des Streitgebrauchsmusters der Widerbeklagten nicht in äquivalenter Weise verwirklichen. Die dennoch veranlasste Sperrung der Produkte durch die Widerbeklagte stelle daher einen Eingriff in die Rechte der Widerklägerin dar, den man bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt hätte vermeiden können und müssen. Letztlich scheitere die Annahme einer äquivalenten Gebrauchsmusterverletzung an einer fehlenden Gleichwirkung zweier Merkmale.

Für die Frage der Gleichwirkung sei entscheidend, welche einzelnen Wirkungen die patentgemäßen Merkmale – für sich und insgesamt – zur Lösung der dem Patentanspruch zugrunde liegenden Aufgabe bereitstellen und ob diese Wirkungen bei der angegriffenen Ausführungsform durch andere Mittel erzielt werden, erklärt das Gericht. Danach sei erforderlich, den Patentanspruch dahingehend zu untersuchen, welche der Wirkungen, die mit seinen Merkmalen erzielt werden können, zur Löschung der zugrunde liegenden Aufgabe patentgemäß zusammenkommen müssen. Die Richter betonen, dass diese Gesamtheit dann die patentierte Lösung repräsentiere und deshalb den für den anzustellenden Vergleich maßgebliche Wirkung darstelle. Dementsprechend könne eine Ausführungsform nur dann als gleichwirkend angesehen werden, wenn sie nicht nur im Wesentlichen die Gesamtwirkung der Erfindung erreicht, sondern gerade auch diejenige Wirkung erzielt, die das nicht wortsinngemäß verwirklichte Merkmale erzielen soll.

Die durch den unberechtigten, rechtswidrigen und schuldhaften Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb verursachte Beeinträchtigung in Form des Ausschlusses der betroffenen Produkte vom Verkauf auf der Internetseite von Amazon habe die Widerbeklagte demnach zu beseitigen. Dies könne dadurch erfolgen, dass sie gegenüber Amazon die Schutzrechtsverletzungsanzeige zurücknehme.

Keine Einwände gegen den Vertrieb

Das LG München hält jedoch fest: Soweit die Widerklägerin weiter beantragt, die Widerbeklagte solle gegenüber Amazon erklären, dass derzeit keine Einwände mehr ihrerseits gegen den Vertrieb sämtlicher Produkte erhoben werden, könne dies nicht zugesprochen werden. Denn hierfür sei Voraussetzung, dass die Widerbeklagte gegenüber Amazon auch andere Gründe zur Rechtfertigung ihrer Schutzrechtsanzeige vorgetragen habe. Nur dann könne eine derartige Erklärung im Rahmen eines Anspruchs auf Folgenbeseitigung geschuldet sein. Hierzu habe die Widerklägerin aber gerade nichts vorgetragen. Insoweit sei der Klageantrag dann abzuweisen.

Grundsätze der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung

Stellt ein Rechteinhaber eine Schutzrechtverletzungsanzeige gegenüber Amazon, sind die Grundsätze der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung anwendbar. Wer also eine unberechtigte Schutzrechtswarnung ausspricht, haftet dem Verwarnten und gegebenenfalls auch dem betroffenen Hersteller auf Schadensersatz und Unterlassung. Bei einer unberechtigten Schutzrechtsklage scheidet eine Haftung außerhalb der verfahrensrechtlich vorgesehenen Sanktionen jedoch aus.

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