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Urheberrecht: Eine missbräuchliche Abmahnung lässt den Unterlassungsanspruch nicht entfallen

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Wie der Bundesgerichtshof in einem urheberrechtlichen Fall zum Aktenzeichen I ZR 106/10 ausdrücklich festgestellt hat, führt eine missbräuchliche Abmahnung grundsätzlich nicht zum Erlöschen des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs und zur Unzulässigkeit einer nachfolgenden Klage. Jedenfalls dann, wenn es sich nicht um eine wettbewerbsrechtliche Streitigkeit handelt.

Keine Analogie zum § 8 Abs. 4 UWG

Das in Berufungsinstanz angerufene OLG Hamm legte seiner Entscheidung die Auffassung zugrunde, für die Frage des Rechtsmissbrauchs komme es im Urheberrecht – wie im Wettbewerbsrecht – nicht allein auf die gerichtliche Inanspruchnahme, sondern auch, und zwar entscheidend, auf die Abmahnung an. Sei die Abmahnung missbräuchlich, erlösche der Unterlassungsanspruch und sei eine Unterlassungsklage mangels Klagebefugnis unzulässig. Dies auch in dem Fall, dass sie nur in eingeschränktem Umfang erhoben wurde.

Dieser Argumentation ist der BGH nicht gefolgt:

„a) Das Urheberrechtsgesetz regelt nicht die Folgen einer missbräuchlichen Geltendmachung von Ansprüchen.

b) Eine entsprechende Anwendung des § 8 Abs. 4 UWG im Urheberrecht kommt nicht in Betracht, weil keine planwidrige Regelungslücke besteht. […] Die Bundesrechtsanwaltskammer hatte im Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung der Durchsetzungsrichtlinie angeregt, im Urheberrechtsgesetz eine Missbrauchsvorschrift nach dem Vorbild von § 8 Abs. 4 UWG einzuführen  […]. Der Gesetzgeber hat dem nicht entsprochen.

c) Allerdings gilt auch für urheberrechtliche Ansprüche das allgemeine Verbot unzulässiger Rechtsausübung nach § 242 BGB. Die im Wettbewerbsrecht zur missbräuchlichen Geltendmachung von Ansprüchen entwickelten Rechtsgrundsätze beruhen gleichfalls auf dem Gedanken der unzulässigen Rechtsausübung. Sie können daher grundsätzlich auch für das Urheberrecht fruchtbar gemacht werden […]. Dabei sind allerdings die zwischen beiden Rechtsgebieten bestehenden Unterschiede zu beachten. […]

Der Regelung des § 8 Abs. 4 UWG kommt neben der Aufgabe der Bekämpfung von Missbräuchen bei der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen auch die Funktion eines Korrektivs gegenüber der weit gefassten Anspruchsberechtigung nach § 8 Abs. 3 UWG zu. Nach § 8 Abs. 3 UWG kann ein und derselbe Wettbewerbsverstoß durch eine Vielzahl von Anspruchsberechtigten verfolgt werden. Dies erleichtert zwar die im Interesse der Allgemeinheit liegende Rechtsverfolgung; die Fülle der Anspruchsberechtigten kann aber den Anspruchsgegner in erheblichem Maße belasten, so insbesondere dadurch, dass der Wettbewerbsverstoß zum Gegenstand mehrerer Abmahnungen und gerichtlicher Verfahren gemacht werden kann. […] Ist ein einzelner Anspruchsteller wegen missbräuchlichen Verhaltens von der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs ausgeschlossen, kann der Unterlassungsanspruch gleichwohl von anderen Anspruchsberechtigten geltend gemacht werden.

Bei der Verletzung des Urheberrechts oder eines anderen nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten Rechts ist dagegen allein der Verletzte berechtigt, Ansprüche geltend zu machen (§ 97 UrhG). […] Hätte eine missbräuchliche Abmahnung zur Folge, dass der Verletzte seine Ansprüche auch nicht mehr gerichtlich geltend machen könnte und eine nachfolgende Klage unzulässig wäre, müsste er die Rechtsverletzung endgültig hinnehmen. Für eine so weitgehende Einschränkung seiner Rechte gibt es keinen sachlichen Grund.“

Die Abmahnung war auch nicht missbräuchlich

Mit den vorstehenden Ausführungen hat der BGH die Entscheidung des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückgewiesen. In Bezug auf die für das weitere Verfahren entscheidende Frage, ob die ausgesprochene Abmahnung als missbräuchlich einzustufen ist oder nicht, wies er auf Folgendes hin:

„Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kommt ein missbräuchliches Kostenbelastungsinteresse des Klägers nicht darin zum Ausdruck, dass er die Beklagten nicht gemeinsam, sondern gesondert abgemahnt hat. Der Kläger hat vorgetragen, die von ihm gefertigten Fotografien seien – jeweils mit Unterstützung der Beklagten zu 3 – von dem Beklagten zu 1 und dem Beklagten zu 2 jeweils auf den beiden Internetseiten eingestellt worden waren, deren Inhaber sie waren. Er macht damit jeweils selbständige Verletzungen seiner Leistungsschutzrechte an den Lichtbildern durch die Beklagten geltend. Es ist nicht missbräuchlich, dass der Kläger wegen eigenständiger Rechtsverletzungen gesonderte Abmahnungen ausgesprochen hat. Aus der vom Berufungsgericht herangezogenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs in der Sache „MEGA SALE“ zu § 8 Abs. 4 UWG (BGH, GRUR 2006, 243 Rn. 15 ff.) ergibt sich nichts anderes. Dort ging es nicht um die Abmahnung mehrerer eigenständiger Rechtsverstöße, sondern um die Abmahnung eines einheitlichen Wettbewerbsverstoßes mehrerer Verletzer, nämlich die – wettbewerbswidrige – gemeinschaftliche Werbeanzeige dreier Gesellschaften eines Konzerns.

[…] Der Umstand, dass der Kläger in allen drei Fällen mit der Abmahnung mehr Verletzungshandlungen gerügt hat, als er zum Gegenstand der Klage gemacht hat, lässt [ebenfalls] nicht auf ein missbräuchliches Kostenbelastungsinteresse schließen. Soweit die weiteren Abmahnungen unbegründet waren, besteht kein Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten und entsteht demzufolge auch keine Kostenbelastung der Beklagten. Sollte der Kläger der Berechnung der Abmahnkosten hinsichtlich der weiteren Abmahnungen bewusst einen überhöhten Gegenstandswert zugrunde gelegt haben, könnte dieser Umstand für sich genommen keinen Rechtsmissbrauch begründen.“

Fazit:

Eine für Rechteinhaber erfreuliche und auch richtige Entscheidung. Denn anders als im Wettbewerbsrecht, bei dem es um die Geltendmachung von diffusen und in Bezug auf den einzelnen Mitbewerber eher geringfügigen Verstößen geht, schützt das Urheberrecht höchstpersönliche Rechtsgüter. Das spricht bereits dagegen, die Missbrauchsvorschriften des Wettbewerbsrechts analog auch im Urheberrecht anzuwenden.

Wenn das außergerichtliche Verhalten eines Urheberrechtsinhabers sich als rechtsmissbräuchlich darstellt, reicht es völlig aus, ihm die Erstattung der entsprechenden Kosten streitig zu machen. Man kann dem Rechteinhaber, anders als im Wettbewerbsrecht, aber nicht die gerichtliche Durchsetzung seiner Ansprüche verwehren, wenn man ihn nicht faktisch enteignen möchte. (pu/la)

(Bild: © Joerg Lantelme – Fotolia.com)

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