Keine Veranlassung zur Klageerhebung, wenn Abgemahnter Vollmacht rügt und Unterlassungserklärung in Aussicht stellt
Im deutschen Prozessrecht gilt der Grundsatz, dass der Verlierer eines Rechtsstreits immer die Kosten tragen muss – jedoch nicht in allen Fällen. So kann es passieren, dass eine Person klagt, auch im Recht ist und am Ende trotzdem die kompletten Kosten des Gerichtsverfahrens tragen muss.
Das KG Berlin hat entscheiden, dass ein wegen eines Wettbewerbsverstoßes Abgemahnter keinen Anlass zur Klage gemäß § 93 ZPO gibt, wenn er zunächst die Vorlage einer Vollmacht verlangt, gleichzeitig aber eine Unterlassungserklärung in Aussicht stellt.
Abmahnung wegen eines Rechtsverstoßes
Es ging um eine Abmahnung wegen eines Verstoßes gegen Informationspflichten nach der Lebensmittelinformationsverordnung. Der Kläger mahnte die Beklagte anwaltlich außergerichtlich wegen des Rechtsverstoßes ab. Der Abmahnung war jedoch weder eine Vollmacht beigefügt, noch war sie unterschrieben. Daraufhin rügte die Beklagte die fehlende Unterschrift sowie die fehlende Vertretungsmacht, weil dadurch weder erkennbar sei, von wem die Erklärung stamme, noch ob die Erklärung mit Vertretungsmacht erfolgt sei. Sie teilte aber gleichzeitig mit, dass sie grundsätzlich bereit sei, die Unterlassungserklärung abzugeben. Die Klage ließ nicht lange auf sich warten – das sofortige Anerkenntnis der Beklagten jedoch auch nicht. Letztlich ging es dann nur noch um die Frage, wer die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.
Wer zu schnell klagt, den „bestraft“ das Gericht
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger, lautete nun die Antwort des Gerichts. Doch wie kommt es zu diesem Ergebnis? Der Grundsatz lautet ja, dass derjenige, der einen Anspruch erfolgreich vor Gericht begründet, nicht für die Kosten des Rechtsstreits aufkommen muss.
In erster Linie sollen in Deutschland jedoch Rechtsstreitigkeiten – soweit möglich – erstmal außergerichtlich geregelt werden. Erst, wenn dann noch ein Anlass zur Klage gegeben ist, sollte die Justiz ins Spiel kommen.
Das Kammergericht Berlin (KG Berlin, Beschluss v. 30.11.2020, Az. 5 W 1120/20) entschied, dass der Kläger verantwortlich sei, da die Beklagte keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben habe. Ein Anlass ist dann gegeben, wenn sich der Beklagte vorprozessual so verhalten hat, dass der Kläger annehmen musste, ohne Anrufung des Gerichts sein Ziel nicht erreichen zu können. Wer jedoch ohne solch einen Anlass jemanden verklagt, soll nicht dann auch noch den Vorteil haben, dass der andere die Kosten trägt, selbst wenn der Anspruch besteht.
Der Kläger habe hier der Erklärung der Beklagten entnehmen können, dass sie bereit war, bei Vorlage einer Vollmachtsurkunde für denjenigen, der die Abmahnung ausgesprochen hatte, eine Unterlassungserklärung abzugeben und damit die Wiederholungsgefahr auszuräumen. Dieser Umstand zeige, dass der Kläger bei vernünftiger Betrachtung keinen hinreichenden Anlass für die Annahme hatte, er werde ohne Klage nicht zu seinem Recht kommen. Vielmehr hätte der Kläger die bei Erklärung der Abmahnung handelnde Person benennen (und unterzeichnen lassen) und für diese einen Vertretungsnachweis beibringen müssen – was ihm zuzumuten sei.
Auf der anderen Seite sei es der Beklagten hingegen nicht zuzumuten, „blanko“ eine Unterwerfungserklärung abzugeben. Es sei zudem verständlich, dass der Verletzer eine strafbewehrte Verpflichtungserklärung nicht jeder beliebigen Person in die Hand geben will. Auch dann nicht, wenn er den Wettbewerbsverstoßes grundsätzlich einräumt.
Ausnahme vom Grundsatz
Nach § 93 ZPO fallen dem Kläger die Prozesskosten dann zur Last, wenn zwei Voraussetzungen (kumulativ) gegeben sind. Zum einen muss der Beklagte den Anspruch sofort anerkennen. Zum anderen darf er nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben haben. Daneben sei zu berücksichtigen, dass im Wettbewerbsrecht – und insbesondere bei Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs – grundsätzlich eine Abmahnung des Gläubigers erforderlich ist, um dem Schuldner dann den Einwand fehlender Klageveranlassung zu nehmen. Dies stelle insofern eine Anforderung an das Verhalten des späteren Klägers dar, welcher der Kläger hier aber eben nicht nachgekommen sei.
Fest steht: Wenn der Abgemahnte erkennen lässt, dass er bereit ist, bei Vorlage einer Vollmachtsurkunde eine Unterlassungserklärung abzugeben und damit die Wiederholungsgefahr ausräumt, hat er keinen Anlass zur Erhebung der Klage im Sinne von § 93 ZPO gegeben. Denn letztlich beziehe sich die Zurückweisung nicht auf die Sache an sich, sondern lediglich auf die Bedenken hinsichtlich der Vertretungsmacht des die Abmahnung Aussprechenden.