OLG Frankfurt: Ein Vertrag über Testimonialwerbung ist unkündbar
So genannte Testimonials – die Werbung mit Erfahrungsberichten oder Empfehlungen von Kunden und Geschäftspartnern – sind seit jeher eine effektive Werbeform. Dennoch sind wichtige Rechtsfragen bislang ungeklärt.
In einem aktuellen Beschluss äußert sich das OLG Frankfurt am Main zu der Frage, wann einer Testimonialwerbung ein Vertrag zugrunde liegt und ob bzw. wie sich die Parteien von diesem Vertrag lösen können (Oberlandesgericht Frankfurt a.M., Beschluss v. 18.6.2024, Az. 16 W 20/23).
Was ist Testimonialwerbung?
Testimonials sind Erfahrungsberichte oder Empfehlungen von Kunden, die ihre Zufriedenheit mit einem Produkt oder einer Dienstleistung ausdrücken. Sie dienen als soziale Beweise und können potenziellen neuen Kunden helfen, Vertrauen in das Produkt oder die Dienstleistung zu gewinnen.
In der Regel werden Testimonials auf Webseiten, in Werbematerialien oder in sozialen Medien verwendet, um die Glaubwürdigkeit und Qualität eines Unternehmens oder Produkts zu unterstreichen.
Der Begriff „Testimonial“ kommt aus dem Englischen und bedeutet so viel wie Referenz, Zeugnis oder Empfehlung. Als bekannte Testimonials sind Thomas Gottschalk für Haribo, Michael Jordan für Nike oder Penélope Cruz für L’Oréal zu nennen.
Testimonial für Coaching-Angebote
Im Verfahren vor dem OLG Frankfurt am Main wollte der Antragsteller unterbinden, dass die Gegenseite, eine Unternehmensberatung, mit ihm als Testimonial wirbt. Er hatte an Coaching-Angeboten der Gegenseite teilgenommen und sich in einem Video positiv darüber geäußert. Regelungen zu Modalitäten der Verwendung oder zur Vergütung gab es nicht.
Zerrüttetes Verhältnis zwischen den Parteien
Im Laufe der Zeit hatten sich die ursprünglich guten geschäftlichen Beziehungen insofern verschlechtert, als der Geschäftsführer der Unternehmensberatung begann, sich in der Öffentlichkeit negativ über den Antragsteller zu äußern. Dieser wollte daraufhin verständlicherweise auch nicht mehr als Testimonial auf der Internetseite und der YouTube-Präsenz der Unternehmensberatung erscheinen.
Zurecht, wie nun das OLG Frankfurt a.M. feststellte. Das Gericht erließ eine einstweilige Verfügung und untersagte damit der Unternehmensberatung, die Testimonialwerbung und Abbildungen unseres Mandanten zu verwenden.
Dabei legte das Gericht zunächst sein Augenmerk auf die Frage, ob überhaupt eine vertragliche Grundlage bestand und – wenn ja – wie bzw. ob sich unser Mandant davon lösen kann.
OLG Frankfurt: Testimonial keine bloße Gefälligkeit
Nach Ansicht des Gerichts handelte es sich bei der Zurverfügungstellung als Testimonial nicht um eine bloße Gefälligkeit, sondern um eine rechtsverbindliche Disposition über Persönlichkeitsrechte, da sich ansonsten beide Seiten “von Beginn an unterlassungspflichtig gemacht hätten, was ersichtlich nicht im beiderseits verstandenen Interesse gelegen” habe.
Einem solchen rechtsverbindlichen Auftreten als Testimonial liege eine schuldrechtliche Vereinbarung, also ein Vertrag, zugrunde, in dem die Parteien u.a. den Zweck und die Dauer der Nutzung als Testimonial festlegen könnten. Treffen die Parteien hingegen keine sachliche Begrenzung oder zeitliche Befristung, handele es sich auf um ein Dauerschuldverhältnis, das für seine Beendigung einer Kündigung bedürfe.
OLG Frankfurt: Testimonialvertrag nur außerordentlich kündbar
Um einen Testimonialvertrag ordentlich kündigen zu können, müsse jedoch auch ein ordentliches Kündigungsrecht im Vertrag vereinbart werden. Dies sei vorliegend nicht geschehen. Das wirtschaftliche Interesse beider Parteien stehe einer einfacheren Lösung vom Vertrag entgegen.
In Betracht komme deshalb nur eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 314 Abs. 1 S. 2 BGB. Ein wichtiger Grund liegt jedoch bekanntlich nur dann vor, wenn es dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht zugemutet werden kann, das Vertragsverhältnis fortzusetzen.
Eine Lösung vom Vertrag durch außerordentliche Kündigung ist also deutlich schwieriger als durch ordentliche Kündigung, weil hier eine Fortsetzung vom Vertrag unzumutbar sein muss und der Kündigende diese Umstände darzulegen hat.
Diese Unzumutbarkeit liege jedoch hier vor, so der Senat des OLG Frankfurt. Da der Geschäftsführer der Unternehmensberatung zwischenzeitlich sogar eine Strafanzeige gegen den Antragsteller erstattet hatte, war die die Beziehung zwischen den Parteien nach Ansicht des Gerichts so zerrüttet, dass ihm ein Festhalten am Vertrag nicht mehr zumutbar war.
Ordentliches Kündigungsrecht wäre interessengerecht
Diese strengen Kündigungsvoraussetzungen kann man mit guten Gründen kritisch sehen. Denn es dürfte gerade in Zeiten von Social Media nicht selten vorkommen, dass sich Geschäftspartner ohne weitere Vereinbarungen dazu entscheiden, den anderen in Videos positiv darzustellen und ihm zu gestatten, diese Darstellung in seinen Kanälen hochzuladen.
Insbesondere, wenn dafür keine Vergütung vereinbart wurde, ist kein Interesse ersichtlich, dem Empfehlenden eine ordentliche Kündigung, wie sie bei jedem anderen Daurschuldverhältnis – mit angemessener First – möglich wäre, zu verwehren. Er muss dann natürlich auch ein womöglich im Tausch abgegebenes Testimonial des anderen entfernen.
Praxistipp: Vereinbarung schriftlich festhalten
Mit Blick auf die merkwürdige Rechtsprechung sollte ein Testimonialvertrag stets schriftlich vereinbart werden und eine Regelung zur Laufzeit bzw. zum Kündigungsrecht beinhalten.