Von einem Politiker, einer Prinzessin und einem Moderator – über den Umgang mit Verletzungen von Persönlichkeitsrechten in den Medien
„Rechtsstreit um Kohl-Protokolle“: Helmut Kohl will mindestens fünf Millionen Euro Schadensersatz“, meldete Spiegel Online am 17.11.2015.
Etwa ein Jahr zuvor, im Oktober 2014, war das Buch „Vermächtnis. Die Kohl-Protokolle“ von Heribert Schwan und Co-Autor Tilman Jens erschienen.
Darin wird Altkanzler Helmut Kohl mit sehr offenen, auch umstrittenen Äußerungen über ehemalige Parteikollegen zitiert, wie zum Beispiel über die heutige Bundeskanzlerin Angela Merkel: „Frau Merkel hat ja nicht mal richtig mit Messer und Gabel essen können.“
Eigentlich waren diese Äußerungen auch nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Sie stammen aus den Protokollen, die Heribert Schwan in den Jahren 2001 und 2002 bei Gesprächen mit Helmut Kohl geführt hatte. Diese Gespräche dauerten über 600 Stunden und wurden auf Tonbändern aufgezeichnet. Ursprünglich waren die Protokolle gedacht als Grundlage für eine Biographie, die Schwan als Ghostwriter für Helmut Kohl aufschreiben sollte.
Drei Bände der Biographie waren bereits veröffentlicht, als bei der Vorbereitung des vierten Bandes Helmut Kohl und der Autor Heribert Schwan sich 2009 zerstritten. Daraufhin kündigte Heribert Schwan an, die Inhalte aus seinen Gesprächen mit Kohl in einem eigenen Buch zu veröffentlichen – was er mit dem Buch „Vermächtnis. Die Kohl-Protokolle“ ohne Einverständnis von Kohl schließlich tat.
Der bisherige Verlauf:
- August 2014: Das Oberlandesgericht Köln bestätigt das Urteil des Landgerichts Köln, demzufolge der Autor Heribert Schwan nach dem Ende ihrer Zusammenarbeit die Tonbänder an Helmut Kohl herauszugeben habe. Kohl sei durch das Draufsprechen auf die Tonbänder zum Eigentümer der Tonbänder geworden.
- November 2014: Das Landgericht Köln entscheidet, dass Heribert Schwan, Tilman Jens und die Verlagsgruppe Random House den überwiegenden Teil der von Kohl beanstandeten 115 Zitate nicht weiter verwenden und veröffentlichen dürfen. Der Verlag dürfe keine Bücher mit diesen Zitaten mehr weitergeben und müsse die Bücher überarbeiten. Schwan sei lediglich als Ghostwriter der Kohl-Biografie beauftragt gewesen. Die Zitate hätten ohne Genehmigung von Kohl nie veröffentlicht werden dürfen. Durch die Verwendung der Zitate habe Schwan eine Verpflichtung zur Verschwiegenheit verletzt, so das Landgericht Köln. Schwan hatte erklärt, dass es keine Verschwiegenheitserklärung gegeben habe.
- Mai 2015: Das Oberlandesgericht Köln bestätigt das Urteil des Landgerichts und untersagt darüber hinaus die Verwendung sämtlicher 115 beklagten Zitate. Das Buch von Schwan und Jens dürfe in der ursprünglichen Form nicht mehr verbreitet werden. Bereits ausgelieferte Bücher seien davon nicht betroffen.
- Juli 2015: Der Bundesgerichtshof entscheidet, dass Helmut Kohl die Tonbänder behalten darf.
Nach diesen Auseinandersetzungen melden sich Helmut Kohls Anwälte nun mit einer neuen Forderung auf Schadensersatz in Höhe von fünf Millionen Euro. Sie führen an, dass die Veröffentlichung der Zitate Kohls Persönlichkeitsrechte verletzt habe: Sein politisches Lebenswerk, sein Ansehen und seine Freundschaft zu langjährigen Weggefährten sei beschädigt worden, so zitiert Spiegel Online aus der Klageerweiterung. Kohl gegenüber stehen die Autoren Heribert Schwan und Tilman Jens sowie die Verlagsgruppe Random House, bei der das Buch erschienen ist. Es ist nicht das erste Mal, dass eine prominente Person in Deutschland für die Verletzung von Persönlichkeitsrechten Schadensersatz fordert.
Was ist Schadensersatz?
Dass man überhaupt Schadensersatz fordern kann, steht in § 823 Abs. 1 im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Darin steht, dass man Schadensersatz fordern kann, wenn bestimmte Rechtsgüter verletzt sind: „Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum oder sonstige Rechte“. Der Inhalt und Umfang des Schadensersatzes sind ebenfalls im BGB geregelt, nämlich in den Paragraphen 249 bis 253. Beim Schadensersatz geht es um den Ausgleich der Nachteile, die durch die Schädigung entstanden sind. Der Schädiger soll also den Zustand wiederherstellen, der ohne seine schädigende Handlung bestehen würde, so steht es in § 249. Voraussetzung dafür ist, dass der alte Zustand überhaupt wiederherstellt werden kann. Geht das nicht, dann kann der Geschädigte nach § 251 Abs. 1 BGB Ersatz in Form von Geld verlangen. Zerbricht ein Weinglas durch einen Stoß zum Beispiel in Scherben, dann ist es selbst mit Klebstoff nicht möglich, das Weinglas wieder so herzustellen, wie es vor dem Stoß aussah. Dafür kommt aber der Ersatz in Form von Geld nach § 251 Abs. 1 in Frage.
Das Gesetz unterscheidet zwei grundsätzlich verschiedene Arten von Schaden: Den materiellen Schaden und den immateriellen Schaden. Von einem materiellen Schaden spricht man, wenn man einen konkreten Vermögensschaden in Geld messen kann: Das Weinglas ist zersprungen, das Auto ist beschädigt oder ein Vertrag ist geplatzt. Aber was ist mit dem immateriellen Schaden, wenn also kein Schaden vorliegt, den man in Geld direkt beziffern kann? Solch einen immateriellen Schaden meinen auch Kohls Anwälte, wenn sie die „Beschädigung von Kohls politischem Lebenswerk, seinem Ansehen und seiner Freundschaft zu langjährigen Weggefährten“ als Gründe für die Schadensersatzforderung nennen.
Der immaterielle Schaden
Auch für immaterielle Schäden gibt es einen Ersatz. Das steht in § 253 BGB: „Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.“ Diese Fälle listet § 253 BGB gleich selbst auf, nämlich die „Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung“. Für diese Verletzung dieser Rechtsgüter gibt es eine „billige Entschädigung“. Wie hoch eine „billige Entschädigung“ ungefähr ist, das kann man im deutschen Recht zum Beispiel in speziellen Tabellen nachgucken. Die Werte richten sich häufig danach, was in früheren Fällen vor Gericht bereits erfolgreich eingefordert werden konnte. Zum Beispiel sind in den Tabellen einem Beinbruch bestimmte Schadensersatzbeträge zugeordnet.
Zusammengefasst bedeutet das für einen Beinbruch durch einen Autounfall zum Beispiel: Der Verletzte könnte vom Unfallfahrer beide Arten von Schadensersatz, materiell und immateriell, bekommen: Einmal für die konkreten Kosten, die ihm durch die Verletzung anfallen, wie z. B. Arztkosten und den Kauf von Krücken (materiell), andererseits aber auch Schadensersatz für die Tatsache, dass er verletzt wurde und mit den entsprechenden Beeinträchtigungen leben muss (immaterieller Schaden).
Aber § 253 BGB allein reicht nicht aus, um immateriellen Schadensersatz zu fordern. Die Grundlage für eine Schadensersatzforderung ist immer der anfangs erwähnte § 823 Abs. 1 BGB. Schadensersatz kann man danach fordern, wenn das „Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum“ verletzt ist „oder sonstige Rechte“. Nun berufen sich ja Kohls Anwälte weder auf die Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit noch die Verletzung des Eigentums – sondern auf die Verletzung von Helmut Kohls Persönlichkeitsrechten. Ist der Schadensersatz etwa schon ausgeschlossen, weil in § 823 Abs. 1 BGB nirgendwo von Persönlichkeitsrechten die Rede ist? Dazu hat der Bundesgerichtshof vor mehr als 60 Jahren in einem anderen Fall Stellung bezogen. Seitdem ist anerkannt, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht zu den „sonstigen Rechten“ in § 823 Abs. 1 BGB gehört. Schadensersatz kann es also auch für die Verletzung von Persönlichkeitsrechten geben. Kohl könnte damit eine Geldentschädigung auf der Grundlage von § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht einfordern.
Was ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht?
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist ein Grundrecht des Einzelnen auf Achtung und Entfaltung seiner Persönlichkeit gegenüber dem Staat und anderen Bürgern. Dazu gehört insbesondere, dass jede Person selbst darüber entscheiden darf, wie sie in der Öffentlichkeit dargestellt wird. Allerdings steht das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht direkt so im Gesetz. Es ergibt sich aus einer Kombination von zwei verschiedenen Grundrechten, die direkt im Grundgesetz stehen: Dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit in Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz und der Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz. Neben dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht gibt es auch spezielle Persönlichkeitsrechte wie zum Beispiel das Recht am eigenen Bild oder das Recht am gesprochenen Wort.
Geldentschädigung bei Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts?
Erinnern wir uns noch einmal an § 253 BGB, der die Fälle auflistet, in denen man Ersatz für immaterielle Schäden bekommt: bei „Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung“. Nicht dabei ist mal wieder die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Aber was hat man von der Anerkennung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, wenn bei seiner Verletzung der Betroffene nicht einmal den Schaden ersetzt verlangen kann? Diese Frage beantwortete schließlich das Bundesverfassungsgericht in der sogenannten Soraya-Entscheidung.
Die Soraya-Entscheidung
Prinzessin Soraya, die deutschstämmige, damalige zweite Frau des damaligen Schahs von Persien, war kinderlos geblieben und nicht zuletzt deshalb zum Thema zahlreicher Sensationsberichte in der Boulevard-Presse geworden. 1961 erschien ein erfundenes Interview mit ihr, in dem ebenso erfundene Äußerungen der Prinzessin über ihr Privatleben wiedergegeben wurden. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte schließlich die Urteile, die den Verlag zu einer Schadensersatzzahlung von 15.000 DM verpflichtet hatten. Es erkannte an, dass auch in Folge von Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eine Geldentschädigung in Frage kommt. Auf unsere Frage von oben antwortete das Bundesverfassungsgericht damals:
„Die Ausschaltung des Ersatzes immaterieller Schäden im Persönlichkeitsschutz würde bedeuten, daß Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen ohne eine Sanktion der Zivilrechtsordnung blieben. Die Rechtsordnung würde dann auf das wirksamste und oft einzige Mittel verzichten, das geeignet sei, die Respektierung des Personenwerts des Einzelnen zu sichern.“
In der Soraya-Entscheidung wurde damit zum ersten Mal ein immaterieller Entschädigungsanspruch wegen schwerwiegender Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts anerkannt.
Die Geldentschädigung für Verletzungen der Persönlichkeitsrechte
Was bedeutet das? Nehmen wir den Fall, dass die Presse schlecht über einen Prominenten berichtet. Würde wirklich jede Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf Geldentschädigung auslösen, dann müsste die Presse grundsätzlich bei jeder schlechten Berichterstattung über einen Prominenten insgeheim damit rechnen, dass sie den Prominenten danach eventuell mit Geld entschädigen müsste. Das könnte aber dazu führen, dass die Presse sich lieber zurückhaltender äußert. Doch wenn aus Vorsicht oder Angst vor drohenden Geldentschädigungen niemand mehr seine Meinung über einen anderen frei heraus sagen würde und deswegen keine negativen Dinge über einen Sachverhalt oder eine Person berichtet würden, dann bestünde die Gefahr der einseitigen Berichterstattung. Der freie geistige Austausch wäre gefährdet. Dem Leser wäre nicht mehr möglich, sich eine fundierte eigene Meinung zu bilden, wenn die Informationen einseitig präsentiert werden, damit bloß keine Gefahr der Geldentschädigung besteht. Und letztlich würde die Meinungsbildung des Lesers und die öffentliche Meinungsbildung beeinträchtigt, die in Deutschland einen besonderen Stellenwert besitzt für die Demokratie. Es ginge also zu weit, wenn man für jede Persönlichkeitsrechtsverletzung Schadensersatz fordern könnte. Deshalb, so die Rechtsprechung, wird eine Geldentschädigung bei Persönlichkeitsverletzungen nur unter zwei ganz bestimmten Voraussetzungen wirklich gewährt:
1.) Es handelt sich um eine besonders schwere und schuldhafte Persönlichkeitsverletzung.
2.) Es gibt keine andere zumutbare Ausgleichsmöglichkeit als die Geldentschädigung.
Ob eine 1.) schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie zum Beispiel von der Bedeutung und dem Umfang der Verletzung, Wie weit wurde eine Veröffentlichung verbreitet? Wie lange dauerte die Verletzung an? Und hat der Verletzende mit Absicht oder fahrlässig gehandelt?
Zu 2.) muss man wissen: Neben der Geldentschädigung gibt es auch andere Maßnahmen, mit denen man gegen eine Persönlichkeitsrechtsverletzung vorgehen kann. Eine andere Maßnahme ist zum Beispiel die Gegendarstellung: Dabei muss der Schädiger die Gegenversion des Geschädigten präsentieren muss. Ein weiteres Beispiel ist der Unterlassungsanspruch, der die Verletzung stoppen oder verhindern soll. Eine dritte Möglichkeit ist die Berichtigung, bei der der Schädiger selbst eine falsche Behauptung klarstellt oder widerruft. Erst wenn alle diese Maßnahmen ausgeschöpft sind, kommt nachrangig die Geldentschädigung in Frage. Bevor man sich überlegt, Geld für die Verletzung von Persönlichkeitsrechten zu fordern, muss man sich also fragen: Könnten die anderen Maßnahmen den Schaden doch wiedergutmachen?
Der Anspruch auf Geldentschädigung geht damit über den normalen Anspruch auf Schadensersatz hinaus. Sein Sinn ist es, den Geschädigten zu besänftigen und ihm ein Gefühl der Genugtuung zu ermöglichen. Auch sollen zukünftigen Schädigungen so vorgebeugt werden. Der normale Schadensersatz dagegen dient dazu, eine Schädigung und die ausgelösten Nachteile auszugleichen.
Was passiert jetzt im Streit um die Kohl-Protokolle?
Bisher ging es bei den Gerichtsentscheidungen vor allem um die vertraglichen Beziehungen zwischen Helmut Kohl und Heribert Schwan. Das heißt, man untersuchte, ob Heribert Schwan Pflichten aus einem Vertrag verletzt hatte, indem er die Zitate verwendete. Jetzt muss das Gericht die beanstandeten Zitate und Textabschnitte darauf überprüfen, ob sie die Persönlichkeitsrechte von Helmut Kohl tatsächlich
- besonders schwer und schuldhaft verletzen und
- ob die Verletzungen so schwer sind, dass keine andere zumutbare Ausgleichsmöglichkeit besteht als die Geldentschädigung.
Die oben aufgezählten, anderen Möglichkeiten neben der Geldentschädigung müsste man darauf überprüfen, ob Kohl sie schon in Anspruch genommen hat oder ob sie ihm eine Genugtuung ermöglichen können.
Aber selbst wenn eine besonders schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung festgestellt wird, kann sie noch gerechtfertigt sein. Das ist der Fall, wenn der Verletzende sich seinerseits auf seine Grundrechte berufen kann. Dann findet eine Abwägung statt: Auf der einen Seite die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Person, auf der anderen Seite die Grundrechte des Verletzenden. Die Autoren des Buchs „Vermächtnis. Die Kohl-Protokolle“ berufen sich laut Spiegel Online tatsächlich auf ihre Meinungs- und Pressefreiheit. Es könnte es auch sein, dass sich die Richter bei der Abwägung fragen müssen: Handelt es sich hier um etwas von so großer Bedeutung für die Öffentlichkeit, dass es unbedingt ans Licht muss? Den Richtern bleibt damit die Aufgabe überlassen, über die Abwägung zu einem möglichst gerechten Ergebnis zu kommen.
Die Höhe der Geldentschädigung
Bisher forderte Kohl 400.000 Euro Schadensersatz, so die Angaben von Spiegel Online. Die jetzige Forderung von fünf Millionen Euro ist also deutlich höher. Mit Erhöhung des Streitwerts steigen auch die Gerichtskosten, von denen im Zweifel auch einige Teile von Kohls Seite getragen werden müssten. Das könnte passieren, wenn die Richter dem Altkanzler letztlich nur einen Teil der fünf Millionen Euro zusprächen. Nach Angaben von Spiegel Online hätten sich schon jetzt die Gerichtskosten um 50.000 Euro erhöht.
Bei Bemessung der Höhe der Geldentschädigung spielen verschiedene Faktoren eine Rolle: Wie intensiv ist der Eingriff? Sind die Verletzungen wiederkehrend und hartnäckig? Die Einkommensverhältnisse der Personen können ebenso mit berücksichtigt werden wie das Ausmaß der empfundenen Schmerzen. Überhaupt wird auf das Verhalten des Betroffenen und des Schädigers geguckt: Warum handelte der Schädiger so? Und wie reagierte der Betroffene? Auch der Verbreitungsgrad und die Auflage eines Buchs können zum Beispiel eine Rolle spielen.
Was heißt das für den Streit um die Kohl-Protokolle? Kohls Anwälte könnten möglicherweise mit der Anzahl der bereits verkauften, ungekürzten Bücher mit den 115 Zitaten argumentieren. Zum Zeitpunkt, als das Oberlandesgericht Köln im Mai 2015 die weitere Verbreitung von Kohls Zitaten untersagte, waren wohl bereits etwa 200.000 Exemplare an Buchhandlungen ausgeliefert worden. Außerdem könnte auch Kohls Stellung als ehemaliger Bundeskanzler und bekannter Staatsmann eine Rolle spielen.
Jedoch hält der Justitiar der Verlagsgruppe Random House, bei dem das Buch erschienen ist, die von Kohl geforderte Summe für „nicht seriös“.
Bisherige Rekordsumme für Kachelmann
In Deutschland wäre ein Betrag von fünf Millionen Euro tatsächlich ein neuer Rekord. Denn der bisher höchste Betrag waren 635.000 Euro, die ein deutsches Gericht im September 2015 dem Moderator Jörg Kachelmann als Schadensersatz zugesprochen hatte.
Kachelmann war 2011 freigesprochen worden vom Vorwurf der Vergewaltigung. Der Prozess und einige Details aus Kachelmanns Privatleben wurden wiederholte Male zum Gegenstand zahlreicher Spekulationen und Berichte in den deutschen Medien. Kachelmann sah sein Persönlichkeitsrecht verletzt in der Berichterstattung durch verschiedene Magazine und Zeitungen und forderte 2,25 Millionen Euro. Das Landgericht Köln gab Kachelmann in einigen Teilen Recht und begründete die Entscheidung im September 2015 so: Kachelmann sei in seinen Persönlichkeitsrechten, namentlich seinem informationellen Selbstbestimmungsrecht und seinem Recht am eigenen Bild sowie in seiner Intimsphäre verletzt worden „durch die Preisgabe von Informationen über sein Sexualleben, durch die teilweise wörtliche Veröffentlichung seines SMS- und E-Mail-Verkehrs und durch die Veröffentlichung von Fotos, die ihn zum Beispiel beim Hofgang in der Justizvollzugsanstalt zeigten“.
Wie das Gericht wohl über die fünf Millionen Euro in diesem Fall entscheiden wird? Es bleibt spannend.