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Anwendbarkeit des Fernunterrichtsschutzgesetzes auf Nicht-Verbraucherverträge

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Fernunterrichtsschutzgesetz und Online-Coaching
Foto von Chris Montgomery auf Unsplash

Das OLG Celle fährt mit seiner Rechtsprechung zur Anwendbarkeit des Fernunterrichtsschutzgesetzes (FernUSG) ein Kontrastprogramm zum bisherigen Trend der Rechtsprechung (OLG Celle, Urteil vom 1.3.2023, Az. 3 U 85/22). Nach dieser Ansicht soll das FernUSG auch Anwendung in B2B-Verträgen finden, was zur Folge hätte, das sämtliche Verträge über Online-Coachings nichtig wären.

Zulassung für Fernlehrgänge fehlt

In dem FernUSG geht es um die Regulierung des Fernunterrichts, bei dem die Lehrperson und der „Schüler“ räumlich getrennt sind und die Lehrperson darüber hinaus den Lernerfolg überwacht.

Das Gesetz gilt in erster Linie dem Schutz von Verbrauchern, da es sich bei den Teilnehmern eines Fernkurses regelmäßig um Verbraucher handelt. Es räumt ihnen – ähnlich wie beim Verbraucherkaufvertrag – weitere Möglichkeiten zur Lösung vom Vertrag ein und verlangt von den anbietenden Coaches eine Zulassung für Fernlehrgänge.

In einem beim OLG Celle anhängigen Rechtsstreit begehrte der Kläger, der Dienstleistungen im Bereich des Online-Coachings anbietet, die Zahlung von Coaching-Gebühren für mehrere Monate. Die Beklagte machte geltend, der Vertrag zwischen ihr und dem Kläger sei nichtig, weil dem Kläger die nach § 12 FernUSG erforderliche Zulassung für Fernlehrgänge fehlt.

Anwendbarkeit des FernUSG auf B2B-Verträge?

Streitig war hauptsächlich, ob das FernUSG in diesem Fall überhaupt anwendbar sei. Der Kläger ging jedenfalls davon aus, dass dies nur bei Verbraucherverträgen der Fall sei. Bei einem Verbrauchervertrag handelt es sich um einen Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher.

Laut dem Online-Coach habe die Beklagte den Vertrag nicht als Verbraucherin, sondern als Unternehmerin geschlossen, sodass die Verbraucherschutzvorschriften nicht anwendbar seien.

OLG Celle: FernUSG ist auf Nicht-Verbraucherverträge anwendbar

Das OLG Celle argumentierte jedoch gegen die ausschließliche Anwendbarkeit auf Verbraucherverträge.

Zwar spreche die Gesetzesbegründung des FernUSG für das Anliegen des Klägers, in der geschrieben steht, dass Teilnehmende am Fernunterricht unter dem Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes geschützt werden müssen und das Gesetz sich in die Bemühungen um den Verbraucherschutz einreihen soll. Dafür spreche auch, dass die Widerrufsvorschrift des FernUSG auf den Verbraucherwiderruf verweist.

Dagegen spreche jedoch, dass das FernUSG außer an einer Stelle den Begriff des Verbrauchers nicht verwendet. Anders als in anderen Gesetzen gebe es aber keine gesonderte Vorschrift, die die Anwendung explizit nur für Verbraucherverträge vorschreibt.

Ferner spreche der Umstand, dass auch die Homepages zum Erwerb eines Fachanwalttitels über eine Zulassung nach dem FernUSG verfügen, für eine Anwendbarkeit auf Nicht-Verbraucherverträge. Schließlich üben Rechtsanwälte einen freien Beruf aus und sind damit Unternehmer.

Auch das Argument aus der Gesetzesbegründung werde hinfällig, wenn sie so verstanden wird, dass das Gesetz zwar dem Schutz der Verbraucher gilt, jedoch Unternehmer nicht kategorisch vom Schutz des Gesetzes ausgeschlossen werden sollen.

OLG Köln: FernUSG gilt im B2B-Bereich…

Die Argumentation des OLG Celle wurde nun aufgegriffen vom OLG Köln (OLG Köln, Urteil v. 6.12.2023, Az. 2 U 24/23) und um das Argument der Historie des Gesetzes erweitert. Demnach sei die „verbraucherschützende“ gesetzgeberische Zielsetzung des FernUSG älter, als das modernde Verbraucherschutzrecht.

Der Begriff des Verbrauchers könne deshalb nicht mit dem heutigen Verbraucherbegriff gleichgesetzt werden und sei vielmehr so zu verstehen, dass damit jegliche Teilnehmenden am Fernunterricht gemeint seien.

… aber keine Kontrolle des Lernerfolgs

Das OLG Köln ließ die Anwendbarkeit des FernUSG jedoch daran scheitern, dass der Lernerfolg nicht durch den Online-Coach überwacht würde. Das OLG Celle begründete diese Voraussetzung mit einer BGH-Rechtsprechung aus dem Jahr 2009 (BGH, Urteil v. 15.10.2009, Az. III ZR 310/08), nach der der BGH eine weite Auslegung der Lernerfolgsüberwachung vorgab.

Nach dem Urteil des OLG Köln habe das OLG Celle diesen Anwendungsbereich jedoch überreizt und die Anwendbarkeit auf den jeweiligen Einzelfall nicht geprüft. Der BGH habe die Erfolgsüberwachung in jenem Fall bejaht, weil der Vertrag explizit die Worte „Lehrgang“ und „Studium“ enthielt, die eine Kontrolle des Lernerfolgs implizieren. Liege jedoch ein reines „Lernen durch Zuhören“ vor, werde der Lernerfolg nicht durch den Online-Coach kontrolliert.

Rechtsunsicherheit für Anbieter von Online-Coachings

In beiden Verfahren wurde die Revision zum BGH nicht zugelassen, da die Entscheidung weder grundsätzliche Bedeutung habe, noch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich sei. Eine höchstrichterliche Klärung der Frage lässt daher noch auf sich warten.

Die Entscheidung hat gravierende Auswirkungen: Verfügen Online-Coaches über keine Zulassung für Fernlehrgänge, fürchten sie die Nichtigkeit ihrer Coaching-Verträge. Darüber hinaus befähigt das Urteil nun auch Unternehmer dazu, sich per Widerruf vom Vertrag lösen zu können.

Um die Anwendbarkeit des FernUSG dennoch möglichst zu vermeiden, sollten Online-Coaches künftig vertraglich vereinbaren, dass der Lernerfolg der Teilnehmenden im Rahmen des Unterrichts nicht überwacht wird und es sollte auf die Begriffe „Lehrgang“ und „Studium“ oder auch „Absolvent“ und „Zertifikat“ verzichtet werden.

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