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Abgeschafft oder nicht? Der „fliegende“ Gerichtsstand bei Online-Rechtsverletzungen

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fliegender Gerichtsstand online Rechtsverletzungen
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Gerade erst hatte der Gesetzgeber den fliegenden Gerichtsstand in Wettbewerbssachen mit dem Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs vermeintlich weitgehend abgeschafft. Nun lässt das LG Düsseldorf ihn wieder aufleben. Das OLG ist allerdings anderer Meinung und widerspricht dem LG in einem obiter dictum.

Klage nur noch am Sitz des Abgemahnten?

Inhaltlich ging es in dem Verfahren vor dem Landgericht Düsseldorf um einen Antrag auf einstweilige Verfügung wegen Wettbewerbsverstößen, die in einem TV-Werbespot, auf einer Internetseite, in einer Print-Anzeige und in einem YouTube-Spot begangen wurden. Die Antragsgegnerin hat ihren Sitz nicht im Gerichtsbezirk Düsseldorf. Dennoch nahm das LG Düsseldorf seine örtliche Zuständigkeit nicht nur hinsichtlich der in seinem Gerichtsbezirk erfolgten TV- und Print-Werbung, sondern auch hinsichtlich der Werbung im Internet und auf YouTube an. Das Gericht erachtete sich auch für unlauteres Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr und in Telemedien als zuständig, obwohl die Antragsgegnerin ihren Sitz gerade nicht im Bezirk des Gerichtes hatte.

UWG- Reform: Fliegender Gerichtsstand weitgehend abgeschafft

Grundsätzlich muss eine Klage nach deutschem Recht am Sitz des Beklagten eingereicht werden. Von diesem Grundsatz gibt es jedoch für den Bereich des Wettbewerbsrechts in § 14 Abs. 2 UWG eine wichtige Ausnahme:

„Für Klagen aufgrund dieses Gesetzes ist außerdem nur das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist.“

Bei Wettbewerbsverstößen im Internet wird üblicherweise angenommen, dass die Handlung bundesweit begangen wird, wenn die entsprechenden Inhalte über das Internet bundesweit an Internetbenutzer gerichtet sind. Das hat zur Folge, dass diese Wettbewerbsverstöße vor jedem in wettbewerbsrechtlichen Angelegenheiten zuständigen Gericht bundesweit geltend gemacht werden können – sogenannter „fliegender Gerichtsstand“.

Seit der Reform des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), mit der unter anderem § 14 UWG abgeändert wurde, der die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Gerichte bei UWG-Rechtsstreitigkeiten regelt, gilt nunmehr: Bei allen Verstößen im Internet oder im Onlinehandel („im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien“) ist nur noch das Gericht am Sitz des Beklagten zuständig. Damit ist der fliegende Gerichtsstand zwar nicht gänzlich abgeschafft, soll aber für UWG-Verstöße „im Internet“ nicht mehr gelten. Oder doch?

Auslegungssache?

Der Beschluss des Düsseldorfer Landgerichts enthält eine ausführliche und umfangreiche inhaltliche Begründung. Der Standpunkt des LG Düsseldorf (LG Düsseldorf, Beschluss v. 15.01.2021, Az. 38 O 3/21) wird dort mehr als deutlich: Die neue Regelung des § 14 Abs. 2 UWG sei einschränkend auszulegen, da andernfalls erhebliche Ungleichheiten entstehen würden. Das Landgericht geht davon aus, dass die Neuregelung nach Sinn und Zweck des Gesetzes zden Ausschluss des fliegenden Gerichtsstandes nur auf solche unlauteren Handlungen beschränken wollte, die tatbestandlich an ein Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien anknüpfen. Denn der Ausnahmetatbestand des § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG umfasse entgegen seinem (insoweit missverständlichen) Wortlaut gerade nicht jegliches unlautere Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien.

Und weiter: Die Einschränkungen des fliegenden Gerichtsstandes der unerlaubten Handlung sollte auf die in dem Zusammenhang mit missbräuchlichen Abmahnungen als besonders anfällig angesehene Verstöße zurückgeführt werden. Darunter fielen vor allem Verstöße gegen die Informations- und Kennzeichnungspflicht auf Telemedien. Daher müsse die Vorschrift des § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG ihrem Sinn und Zweck entsprechend ausgelegt werden und dürfe sich nur auf diese Fallgruppen beziehen. Handlungen, die auch in anderen Medien begangen werden können, fielen demnach nicht unter den Ausschluss, da sie tatbestandlich schon nicht an diese Medien anknüpfen. Nach Ansicht der Richter sei eine andere Sichtweise nicht nur unzweckmäßig und unpraktikabel, sondern liefe auf die mit der abschließenden Fassung des Gesetzes zu Stärkung des fairen Wettbewerbs gerade nicht gewollte weitgehende Abschaffung des Gerichtsstandes der unerlaubten Handlung hinaus.

Rückausnahme der Einschränkung des fliegenden Gerichtsstandes

Der Beschluss zeigt auf, welche Ungleichbehandlungen drohen könnten. Würde die neue Vorschrift nicht einschränkend ausgelegt, hätte das beispielsweise zur Konsequenz, dass gegen einen Mitbewerber irreführender Werbespots für Bergschuhe bundesweit vorgegangen werden könnte, wenn es sich um bundesweite Fernsehwerbung handelt. Gegen denselben Spot eines in Hamburg ansässigen Unternehmers, der den Spot „nur“ über das Internet in Bayern ausspielen lässt, um speziell dort ansässige Verbraucher zu erreichen, könnte demgegenüber nur in Hamburg vorgegangen werden.

Das LG Düsseldorf kam zu dem Entschluss, dass solche Ergebnisse dem Sinn und Zweck der Regelung zuwiderlaufen würden. Entsprochen werde dem Regelungszweck nur dann, wenn der Anwendungsbereich von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG auf solche Konstellationen beschränkt wird, in denen die Annahme des Verstoßes zwingend ein Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien erfordert. Doch führt das nicht zu einem ungewollten Gerichtsstandtourismus?

UPDATE vom 16.2.2021: OLG Düsseldorf – kein „fliegender Gerichtsstand“ in Düsseldorf

Das OLG Düsseldorf hat dem LG mit einem obiter dictum vom 16.2.2021 nun widersprochen. Der neue Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 16.02.2021, Az. I-20 W 11/21) bekräftigt, dass gegen Wettbewerbsverstöße im Internet und anderen Telemedien nicht mehr bundesweit im Rahmen des „fliegenden Gerichtsstands“ vorgegangen werden kann und stellt sich damit gegen das LG Düsseldorf.

Die Antragsgegnerin wandte sich, nicht unerwartet, mit ihrer sofortigen Beschwerde gegen die Entscheidung des LG Düsseldorf, soweit sie Werbung im Internet und andere Telemedien betraf. Zwar hatte die sofortige Beschwerde im Ergebnis keinen Erfolg, weil sie nicht das richtige Rechtsmittel gegen die Entscheidung war, allerdings machte das OLG Düsseldorf deutlich, dass die Zuständigkeitsfrage hier inhaltlich anders zu beurteilen sei, als es das Landgericht tat.

Der Wettbewerbssenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf sieht für eine solche einschränkende Leseart der neuen Vorschrift, wie sie das LG vorgenommen habe, keinen Raum. Aus dem Wortlaut des neuen § 14 UWG könne die vom LG vorgenommene Einschränkung nicht gezogen werden. Auch der Sinn und Zweck der Regelung rechtfertige dies nicht, erklärten die Richter. Hintergrund der Änderung der Vorschrift über die örtliche Zuständigkeit durch den Gesetzgeber seien „angenommene Unzuträglichkeiten“ gewesen. Dem Gesetzgeber sei es gerade darauf angekommen, die Missstände, die die Verfolgung von im Internet begangenen Verstößen betreffen, zu beenden. Einschränkungen auf bestimmte im Internet begangene Verstöße ergeben sich hieraus dagegen nicht, so die Richter.

Mit diesem Beschluss des OLG Düsseldorf dürfte der Versuch des LG Düsseldorf, den fliegenden Gerichtsstand im Düsseldorfer Gerichtsbezirk wieder „aufzuwecken“, gescheitert sein. In Düsseldorf – bisher einer der führenden Gerichtsstandorte in Wettbewerbssachen – wird in Zukunft nur noch ein Bruchteil der Verfahren geführt werden, da es meist an der örtlichen Zuständigkeit mangeln wird.

UPDATE vom 8.4.2021: LG Düsseldorf zum zweiten

Nachdem das OLG Düsseldorf sich berufen fühlte, dem LG Düsseldorf in einem obiter dictum zur Frage der örtlichen Zuständigkeit zu widersprechen, entschied nun erneut das Landgericht und hält an seiner Rechtsauffassung fest:

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