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BGH: Über den Schutz vor wettbewerbsrechtlicher Nachahmung bei der GLÜCK-Konfitüre

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GLÜCK-Konfitüre
Foto von Paréj Richárd auf Unsplash

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat kürzlich entschieden, dass die Verwendung von Emotionsschlagworten als Produktnamen nicht die wettbewerbliche Eigenart eines Produkts ausmachen kann. Der wettbewerbsrechtliche Nachahmungsschutz beziehe sich vielmehr auf die konkrete Ausgestaltung von Waren und Dienstleistungen und nicht auf die dahinter stehenden abstrakten Ideen. Zudem sei nicht auszuschließen, dass sich Verbraucherinnen und Verbraucher trotz einer eigenartigen Verpackung auch an den auf dem Produkt angebrachten Angaben zu Produkt und Hersteller orientieren (BGH, Urteil vom 07. Dezember 2023, Az. I ZR 126/22).

Glück vs. LieBee – Wird der Verkehr hierdurch getäuscht?

Im Februar 2017 führte die Klägerin ihre neue Produktlinie „Glück“ erfolgreich auf dem deutschen Markt ein. Die Produktlinie umfasste Konfitüren. Zwei Jahre später begann die Beklagte, ein Unternehmen, das ebenfalls süße Brotaufstriche herstellt, mit dem Vertrieb eines Honigs unter der Bezeichnung „LieBee“. Etwa zur gleichen Zeit erweiterte die Klägerin ihr Sortiment um einen „Glück“-Honig, der in denselben Gläsern wie die „Glück“-Konfitüren angeboten wurde.

Unlautere Nachahmung und Verletzung von Geschmackmuster?

Die Klägerin hält die Gestaltung der „LieBee“-Honiggläser der Beklagten für eine unlautere Nachahmung ihrer eigenen „Glück“-Konfitürengläser. Außerdem verletze das Produkt der Beklagten ihre beiden Gemeinschaftsgeschmacksmuster.

Nachdem die ersten beiden Instanzen zugunsten der Klägerin entschieden hatten, legte die Beklagte Revision beim Bundesgerichtshof ein, um eine Entscheidung über ihren Antrag auf Klageabweisung durch das höchste Gericht in Zivilsachen zu erreichen.

Revision erfolgreich: OLG Hamburg muss erneut entscheiden

Die Revision der Beklagten hatte Erfolg. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs konnte der Klage nicht mit der vom Oberlandesgericht gegebenen Begründung stattgegeben werden.

Das Oberlandesgericht hatte sein Urteil im Wesentlichen auf die Annahme einer unlauteren Handlung nach § 4 Nr. 3 lit. a UWG gestützt. Danach handelt unlauter, wer Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt.

Wettbewerbliche Eigenart geprägt durch Emotionsschlagwort „Glück“?

Unter Zugrundelegung dieser Definition hatte das Gericht entschieden, dass das „LieBee“-Honigglas eine eindeutige Nachahmung des „Glück“-Konfitürenglases darstelle.

Die Kombination der Merkmale des „Glück“-Marmeladenglases im Gesamteindruck war nach Ansicht des OLG Hamburg aus Sicht des Verkehrs herkunftshinweisend. Die konkrete Form des Glases sowie die Gestaltung des Etiketts im „No-Label-Look“ seien zum Kollisionszeitpunkt im Herbst 2019 eigenartig gewesen und hätten den Gesamteindruck maßgeblich geprägt.

Außerdem sei auch das Wort „Glück“ prägend. Die wettbewerbliche Eigenart zeichne sich durch die Verwendung eines emotionalen Schlagwortes als Produktname und durch die Integration dieses Begriffes in die Gesamtgestaltung aus.

Prüfung des lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutzes nicht frei von Rechtsfehlern

Allerdings sind nach Ansicht des BGH die Feststellung der wettbewerblichen Eigenart der „Glück“-Konfitürengläser der Klägerin, die Annahme einer eindeutigen und hochgradig ähnlichen Nachahmung und die Beurteilung einer mittelbaren Herkunftstäuschung rechtsfehlerhaft.

BGH: Emotionsschlagewort nicht prägendes Gestaltungselement

Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Feststellungen, nach denen die Verwendung der Bezeichnung „Glück“ als Emotionsschlagwort prägendes Gestaltungselement der Konfitürengläser der Klägerin sei.

Grundsätzlich ist es zwar nach Ansicht des Bundesgerichtshofs möglich, in der Kennzeichnung der Konfitürengläser der Klägerin mit dem Wort „Glück“ ein Merkmal zu sehen, das in Zusammenhang mit der konkreten Gestaltung des Konfitürenglases und des Labels die wettbewerbliche Eigenart des Produkts begründet.

Kein Schutz einer abstrakten Idee durch § 4 Abs. 3 UWG

Jedoch hat das Oberlandesgericht nach Auffassung des Bundesgerichtshofs nicht berücksichtigt, dass der wettbewerbsrechtliche Nachahmungsschutz darauf abzielt, Waren und Dienstleistungen in ihrer konkreten Gestaltung zu schützen, nicht jedoch die dahinterstehende abstrakte Idee.

Das Gericht hätte sich auf die auffällige Kennzeichnung des Produkts der Klägerin, insbesondere die Verwendung des Begriffs „Glück“, konzentrieren sollen. Durch die Einordnung des Begriffs, abstrahierte es jedoch die Bezeichnung und erweiterte somit den Schutzbereich des Produkts der Klägerin über die konkrete Gestaltung hinaus, was rechtlich nicht korrekt ist.

Erkennt der Verkehr die „Glück“-Gläser in dem „LieBee“-Glass?

Auch die Beurteilung des Oberlandesgerichts, das „LieBee“-Honigglas der Beklagten sei dem „Glück“-Konfitürenglas der Klägerin nachgeahmt, teilte der Bundesgerichtshof nicht.

Das OLG Hamburg hatte angenommen, dass die Übereinstimmungen der Produktausstattungen aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise zu einer solchen Ähnlichkeit führten, dass das „Glück“-Konfitürenglas nach dem Gesamteindruck in dem „LieBee“-Honigglas wiedererkannt werden könne.

Abstellen auf Emotionsschlagwort war auch im Rahmen der Feststellung einer Nachahmung rechtsfehlerhaft

Anknüpfend an die bereits dargestellte fehlerhafte Beurteilung des Oberlandesgerichts konnte die Beklagte mit Erfolg rügen, dass das Gericht bei der Prüfung einer Nachahmung nicht auf die Ähnlichkeit der verwendeten Emotionsschlagworte abstellen durfte. Denn wie bereits ausgeführt, konnte das Prinzip eines Emotionsschlagwortes aus rechtlicher Sicht nicht zur wettbewerblichen Eigenart der Produktaufmachung beitragen.

BGH: Keine mittelbare Herkunftstäuschung

Die Beklagte hatte auch mit dem Argument Erfolg, der Vertrieb der „LieBee“-Honiggläser sei nicht unter dem Gesichtspunkt einer mittelbaren Herkunftstäuschung unlauter.

Das OLG Hamburg hatte angenommen, dass die angesprochenen Verkehrskreise in der Kaufsituation im Supermarkt in dem „LieBee“-Honig eine Sortimentserweiterung und eine Zweitmarke des Herstellers der „Glück“-Konfitüren sehen würden.

Verkehr orientiert sich auch an der Produkt- und Herkunftsbezeichnung

Im konkreten Fall konnte Folgendes festgestellt werden: Konfitüren und Honig gehören zu den Waren des täglichen Bedarfs, bei denen der Verkehr mit einer Vielzahl von Waren und Sortimenten konfrontiert wird, so dass er sich regelmäßig an Produkt- und Herstellerangaben orientiert. Dies wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass sich – wie im konkreten Fall – die streitgegenständlichen Produkte deutlich vom Marktumfeld abheben.

Hält Verkehr den „LieBee“-Honig für eine neue Serie?

Vorliegend tragen die Waren an hervorgehobener Stelle voneinander abweichende Produktbezeichnungen, die herkunftshinweisend wirken können.

Trägt das nachgeahmte Produkt eine abweichende Produktbezeichnung, die herkunftshinweisend wirkt, liegt eine mittelbare Herkunftstäuschung nur vor, wenn der Verkehr die Nachahmung für eine neue Serie oder ein unter einer Zweitmarke vertriebenes Produkt des Originalherstellers hält.

Dies war nach Ansicht des BGH nicht der Fall. Die Klägerin habe bis zur Markteinführung des „LieBee“-Honigs durch die Beklagte im Herbst 2019 ausschließlich Konfitüren unter der Marke „Glück“ vertrieben und erst im Herbst 2019 mit dem Vertrieb von „Glück“-Honig begonnen. Außerdem hatte die Beklagte keine Konfitüren, sondern ausschließlich Honig unter der Marke „LieBee“ vertrieben.

Im Ergebnis hat der Bundesgerichtshof das Urteil des OLG Hamburg a

Ausblick

ufgehoben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Das Oberlandesgericht hat nun unter Beachtung der Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs erneut zu prüfen, ob der Vertrieb des „LieBee“-Honigglases der Beklagten wegen einer möglichen Herkunftstäuschung als unlauter im Sinne von § 4 Nr. 3 lit. a UWG anzusehen ist. Sollte dies nicht der Fall sein, wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob eine unlautere Rufausnutzung gemäß § 4 Nr. 3 lit. b UWG vorliegt.

Das letzte Wort ist also noch nicht gesprochen. Für die Praxis lässt sich jedenfalls festhalten, dass der lauterkeitsrechtliche Nachahmungsschutz nicht in unzulässiger Weise auf einen Konzeptschutz, z.B. von Emotionsschlagworten, ausgedehnt werden darf. Vielmehr kommt es allein auf die konkrete Ausgestaltung der Waren an.

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