OLG München: Unterlassungsverfügung verpflichtet Websitebetreiber auch zur Löschung des (Google-)Cache
Das Oberlandesgericht München hat kürzlich eine Entscheidung zur Verhängung eines Ordnungsgeldes getroffen, wenn ein Unterlassungsschuldner mehrere unzulässige irreführende Aussagen auf einer Internetseite nicht aus dem Cache löscht. Nach der Entscheidung des OLG München ist der Schuldner eines Unterlassungstitels verpflichtet, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die untersagte Werbung zu beseitigen. Dazu gehört auch die Löschung der betreffenden Inhalte aus dem Cache der Website oder zumindest eine entsprechende Einwirkung auf Dritte (OLG München, Beschluss vom 26.04.2023, Az. 29 W 1697/21).
Irreführende Werbeaussagen
Durch Urteil des Landgerichts München I wurden die im Bereich der Herstellung, der Vermarktung und des Vertriebs von Desinfektionsmitteln tätigen Antragsgegner im September 2020 zur Unterlassung verschiedener Werbeaussagen in Bezug auf ihre Produkte verurteilt (vgl. LG München I, Endurteil vom 7. September 2020, Az. 4 HK O 9484/20).
Die Aussagen wurden als irreführende geschäftliche Handlungen im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG gewertet. In den Entscheidungsgründen betonte das Gericht insbesondere, dass immer dann, wenn mit der Gesundheit geworben werde, besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Aussagen zu stellen seien. Daher seien gesundheitsbezogene Werbeaussagen nur zulässig, wenn sie gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprächen.
Ordnungsgeld wegen Verstoß gegen Unterlassungspflichten
Zehn Tage nach Erlass des Urteils durch das Landgericht beantragte die Antragstellerin die Verhängung eines Ordnungsmittels wegen Verstoßes gegen die im Urteil titulierten Unterlassungsverpflichtungen. Das Gericht gab dem Antrag statt und verhängte mit Beschluss vom 18.03.2021 ein Ordnungsgeld in Höhe von 15.000,00 € (vgl. LG München I, Beschluss vom 18.03.2021, Az. 4 HK O 9484/20). Die Antragsgegner und Unterlassungsschuldner haben die verbotenen Werbeaussagen zwar von der Internetseite entfernt. Die Aussagen waren jedoch weiterhin im sogenannten Cache der Internetseite zu finden.
Unterlassungsschuldner legen sofortige Beschwerde ein
Mit dieser Entscheidung waren die Antragsgegner offenbar nicht einverstanden, denn sie legten kurz nach Zustellung des landgerichtlichen Beschlusses sofortige Beschwerde ein.
Zu ihrer Verteidigung trugen die Antragsgegner vor, dass das Ordnungsgeld zu hoch und ihre eigene Verantwortung für die im Cache verbliebenen Werbeaussagen allenfalls gering sei. Sie hätten sich unverzüglich um die Löschung der Presseveröffentlichungen innerhalb von 14 Tagen bemüht. Zudem sei der vom UWG u.a. angesprochene und geschützte Kreis der Marktteilnehmer durch das Aufbewahren der Werbeaussagen im Cache überhaupt nicht betroffen.
Keine Kenntnis von Anlegung eines Cache
Darüber hinaus sollte das Gericht auch berücksichtigen, dass der Cache von den Antragsgegnern nicht freiwillig und unwissentlich angelegt wurde. Vielmehr liege dies im Verantwortungsbereich des Serverbetreibers, der auch der Löschung des „Cache-Inhalts“ zustimmen müsse. Die Beklagten machen geltend, dass sie gleichwohl unverzüglich die Löschung des Pufferzugriffs veranlasst hätten, nachdem dieser erstmals entdeckt worden sei.
Insgesamt sei daher ein derart drastisches Ordnungsmittel nicht zu verhängen gewesen. Zumal die Antragsgegner als Unterlassungsschuldner von Anfang an bereit und willens gewesen seien, die gerichtlichen Auflagen vom September 2020 zu erfüllen.
OLG München: Sofortige Beschwerde unbegründet
Nachdem das Landgericht München I der Beschwerde nicht abgeholfen hatte, musste das Oberlandesgericht entscheiden. Dieses kam zu dem Ergebnis, dass die sofortige Beschwerde unbegründet sei.
Natürliche Handlungseinheit durch Unterlassen der vollständigen Löschung
Neben vollstreckungsrechtlichen Fragen befasste sich das Oberlandesgericht auch mit der Thematik einer natürlichen Handlungseinheit durch Unterlassen der vollständigen Löschung der Verstöße. Das Oberlandesgericht bestätigte die Auffassung des Landgerichts, das eine natürliche Handlungseinheit durch das Unterlassen der vollständigen Löschung der Rechtsverletzungen auf der Website der Schuldnerin (einschließlich des Caches) und auf dem Facebook-Auftritt der Schuldnerin angenommen hatte.
Allerdings stellte das Oberlandesgericht auch klar, dass nur solche Verhaltensweisen zu einer natürlichen Handlungseinheit zusammengefasst werden können, die gegen dasselbe gerichtliche Verbot verstoßen. Verstöße gegen verschiedene Verbote könnten keine natürliche Handlungseinheit bilden.
Daher lagen nach Auffassung des Gerichts im konkreten Fall drei Verstöße gegen das Urteil vom September 2020 vor.
Angemessene Ahndung durch das Landgericht
Das Oberlandesgericht bestätigte auch die Höhe des vom Landgericht festgesetzten Ordnungsgeldes. Die drei Verstöße (keine vollständige Löschung – auch im Cache) mit jeweils 5.000 € zu ahnden, sei angesichts der Umstände des Einzelfalls angemessen.
Unterlassungspflicht umfasst auch Löschung von Cache-Inhalten
Auch die von der Schuldnerin gegen die Verantwortlichkeit vorgebrachten Einwände überzeugten das Oberlandesgericht nicht. Denn nach ständiger Rechtsprechung verpflichte ein Unterlassungstitel den Schuldner auch dazu, etwaige titelwidrige Cache-Inhalte zu löschen oder auf Dritte entsprechend einzuwirken, um sicherzustellen, dass die zu unterlassenden Äußerungen auch über die gängigen Internet-Suchmaschinen nicht mehr erreichbar bzw. abrufbar sind.
Ein Schuldner müsse daher auch dafür Sorge tragen, dass er seinen Verpflichtungen aus dem Titel vollständig nachkomme, so das Gericht. Insoweit habe er für Vorsatz und Fahrlässigkeit einzustehen und könne sich nicht auf einen vermeidbaren Verbotsirrtum berufen.
Fazit: Schuldner muss alles in seiner Macht stehende veranlassen
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts München steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung zur Frage des Umfangs von Unterlassungspflichten.
Zutreffend wurde festgestellt, dass der Unterlassungsschuldner verpflichtet ist, die erforderlichen Maßnahmen entweder selbst zu treffen oder durch Dritte treffen zu lassen. Die Pflicht zur Einwirkung auf Dritte bezieht sich nicht nur auf vom Schuldner beauftragte Personen, sondern auch auf selbständig handelnde Dritte.
Im Falle einer irreführenden Äußerung auf einer Internetseite gehören zu den erforderlichen Maßnahmen nicht nur die Löschung der Äußerung, sondern auch die Entfernung der Äußerung aus dem Cache der Internetseite. Sei es durch eigene Löschung oder durch Kontaktaufnahme mit den entsprechenden Verantwortlichen, z.B. der Suchmaschine Google.
Insgesamt unterstreicht diese Unterscheidung noch einmal die Verpflichtung eines Unterlassungsschuldners, trotz fehlender technischer Kenntnisse alles zu tun, um den Verpflichtungen aus einem Unterlassungstitel nachzukommen.
Update: Google-Cache wird eingestellt
Schon seit Wochen häufen sich Beschwerden von Nutzern, die in den Suchmaschinenergebnissen von Google keine Links zum Google-Cache mehr vorfinden. Nun wurde die Einstellung dieses Features offiziell bestätigt: „Ja, es wurde entfernt“, schrieb Danny Sullivan, Googles PR-Verantwortlicher für Google Search, am Donnerstag auf X. Er selbst halte die Einstellung für traurig, der Cache sei schließlich eine der ältesten Funktionen von Google Search.
Bing und Yahoo sind jedoch weiter gefährlich
Die Abschaffung der Zwischenspeicherung im Google-Cache führt dazu, dass in diesem Zusammenhang auch keine Rechtsverletzungen mehr auftreten werden. Nicht vergessen werden darf allerdings, dass neben Google weitere Suchmaschinen existieren, die Inhalte aus dem Netz indexieren und einen entsprechenden Zwischenspeicher vorhalten. Als Beispiel sollen hier nur Bing und Yahoo genannt werden. Unterlassungsschuldner müssen also nach wie vor mehr tun, als die Rechtsverletzungen lediglich von ihrer eigenen Seite zu entfernen.