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„Bis zu 90 % unter Neupreis“: Irreführende Werbung bei Gebrauchtwaren

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"Bis zu 90 % unter Neupreis": Irreführende Werbung bei Gebrauchtwaren
©citrusboy – Unsplash.com

Viele Online-Händler nutzen in ihrem Online-Angebot die Gegenüberstellung von Preisen, um zu demonstrieren, welches gute Schnäppchen der Kunde machen kann. 

Im Hinblick auf eine derartige vergleichende Werbung sind einige rechtliche Anforderungen zu beachten. 

So ist die Werbeaussage „Bis zu 90 % unter Neupreis“ irreführend, wenn der ursprüngliche Verkaufspreis unbekannt ist. 

Dies entschied das LG Berlin mit seinem Urteil vom 20.12.2019. (LG Berlin, Urteil v. 20.12.2019, Az. 15 O 50/18).

Was ist geschehen?

Die Beklagte betrieb einen Online-Shop für gebrauchte Kleidung mit folgenden Angaben:

„UNSER ZIEL: NACHHALTIGKEIT BEIM SHOPPEN

Wir haben der Verschwendung den Kampf angesagt. Anstatt immer neue Kleidung zu kaufen, möchten wir mit u.com eine Plattform für Nachhaltigkeit schaffen, die Second Hand Einzelstücke bis zu 90 % unter Neupreis anbietet und einen Beitrag zum Umweltschutz leistet.“

Bei den Preisen waren die vermeintlichen ursprünglichen Preise den aktuellen Zahlen gegenübergestellt. Es wurde darüber hinaus in Prozent dargestellt, welche Einsparung der Käufer erzielte. Am Ende der Übersichtsseite erläuterte die Beklagte den angegebenen Ursprungspreis:

„* von uns geschätzter Neupreis für diesen Artikel“.

Der Kläger mahnte den Betreiber des Online-Shops erfolglos ab. Insbesondere brachte die Beklagte vor, die Originalpreise rechnerisch rekonstruiert zu haben, wobei eine genaue Ermittlung des früheren Preises in der Regel nicht möglich sei. Die Gegenüberstellung der Preise diene lediglich als Orientierungshilfe, die Angabe von geschätzten Neupreisen sei bei Second-Hand-Shops üblich.

LG Berlin: Irreführende Werbung

Nach Auffassung des LG Berlin werde durch die Werbeaussagen der Eindruck erweckt, dass der Verbraucher hier bis zu 90%  an Kosten gegenüber dem ursprünglichen Verkaufspreis einsparen könne. Da die Beklagte jedoch gar nicht den ursprünglichen Preis habe ermitteln können, könne sie gar nicht sagen, wie hoch die Ersparnis sei. Daher handele es sich um eine unzulässige vergleichende Werbung.

„Die Beklagte wird aber der durch die Angabe geweckten, berechtigten Erwartung, einer Schätzung liege stets eine entsprechende tatsächliche Ermittlung zugrunde, nach dem Eingeständnis der Beklagten nicht gerecht, weil es sich – etwa wenn die angebotene Ware nicht nach Modell und Ausstattung näher verifizierbar ist oder eine Internetrecherche keinen früheren Neupreis ergebe – durchaus um einen gewissermaßen aus der Luft gegriffenen Vergleichspreis handeln kann.“

Vorliegend werde der gestrichene Preis von Verbrauchern als Neupreis wahrgenommen, wenngleich es sich tatsächlich aber um einen fiktiven Preis („Mondpreis“) handele. Die Beklagte richtet sich hierbei an preisbewusste oder dem Nachhaltigkeitsgedanken anhängende Verbraucher, denen es kaum möglich ist, selbst den Neupreis zu ermitteln. Sie sind daher in besonderem Maße auf die Wahrhaftigkeit des von der Beklagten jeweils angegebenen Neupreises sowie der Preisersparnis angewiesen.

Fazit

Folgen unzulässiger vergleichender Werbung können neben wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüchen auch Schadensersatzansprüche sein, die bei umfangreichen Werbekampagnen beachtliches Ausmaß erreichen können. Bei Angaben von Vergleichspreisen, wie z.B. Konkurrenten-Preisen, ehemaligen Verkäuferpreisen oder (ehemaligen) unverbindlichen Preisempfehlungen ist daher stets besondere Vorsicht geboten. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, die Sache ist nun beim KG Berlin (Az. 5 U 15/20) anhängig.

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