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LG Düsseldorf: Übernahme einer fremden ASIN Nummer durch Anhängen an ein bestehendes Angebot auf Amazon ist wettbewerbswidrig

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Konzept Sicherung (c) Jamrooferpix -fotolia.com

Das Prinzip Amazon sieht vor, dass gleiche Artikel möglichst unter einem Angebot gelistet werden. Damit soll vor allem die Übersichtlichkeit gewahrt werden und dem Kunden die Möglichkeit gegeben werden, Preise für identische Produkte auf einen Blick vergleichen zu können. Soweit so gut. Für Händler, die über Amazon ihre Produkte vertreiben bedeutet dies aber vor allem auch eines: Preiskampf. Denn selbstverständlich werden die Händler, die einen Artikel zum günstigsten Preis anbieten ganz oben gelistet und haben damit – das Bewertungsprofil außer Acht gelassen – zunächst die besten Verkaufschancen.

Übernahme fremder ASIN durch „Anhängen“

Um dieses Prinzip auch umsetzen zu können, generiert Amazon für ein neu erstelltes Angebot eine ASIN – Nummer (Amazon Standard Identification Number). Diese ASIN lässt sich wiederum eindeutig einer GTIN (Global Trade Item Number) zuordnen, so dass Produkte eindeutig identifiziert und auf Amazon gefunden werden können. Der Händler, der als erstes ein Angebot erstellt, muss also zunächst die GTIN kaufen, Produktbilder anfertigen und einen Angebotstext erstellen. Bietet ein anderer Händler nun denselben Artikel an, dann kann bzw. muss er sich an das bestehende Angebot anhängen und spart damit Zeit und Kosten.

Der Händler, der das Angebot erstellt hat und Inhaber der ASIN bzw. GTIN ist, hat somit ein Interesse, dass sich andere Händler nicht an sein Angebot anhängen. Händler sind in erster Linie daran interessiert, dass sie ihr Angebot für sich haben und keinem Preiskampf ausgesetzt sind.

Was kann der Händler tun?

Wenn ein Händler eine Marke für die vertriebenen Produkte eingetragen hat, kann er das Anhängen verhindern, wenn die anderen Händler nicht auch seine Markenprodukte im Original vertreiben. Hier kann er sich auf sein Markenrecht verlassen und durch seinen markenrechtlichen Unterlassungsanspruch erzwingen, dass sich andere Händler wieder von seinem Angebot „abhängen“.

Was kann ein Händler aber unternehmen, der keine Marke eingetragen hat? In diesem Fall kann der Händler sich auf seine ASIN – Nummer beziehen und damit einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch geltend machen. Das Landgericht Düsseldorf sah in einer von uns kürzlich erwirkten einstweiligen Verfügung (LG Düsseldorf, Beschluss vom 22.04.2015 Az. 2a O 98/15) allein in der Übernahme einer fremden ASIN – Nummer eine Täuschung über die betriebliche Herkunft der Ware.

Dies soll nach Auffassung des Landgerichts Düsseldorf auch bei sogenannten „generischen Produkten“ gelten, d.h. bei Produkten, auf denen keine Marke dauerhaft auf dem Produkt bzw. auf der Verpackung angebracht ist. Dies ist vor allem für Massenprodukte aus dem Niedrigpreissegment, die häufig im asiatischen Raum produziert werden (in diesem Fall Handyhüllen). Voraussetzung für eine wettbewerbsrechtlich relevante Täuschung ist jedoch, dass die Produkte nicht tatsächlich identisch sein dürfen. Die Produkte müssen sich also optisch oder auch qualitativ unterscheiden. Im vorliegenden Fall hat unsere Mandantin die Hüllen ständig weiterentwickelt und u.a. die Materialien verändert, um die Qualität der Hüllen zu steigern. Die Hülle des Konkurrenten war hingegen spürbar minderwertiger. Dies genügte dem Landgericht Düsseldorf für eine Irreführung der Verbraucher.

Nicht jeder Unterschied stellt wettbewerblich relevante Täuschung dar

Auch in einer anderen Entscheidung bejahte das Landgericht Düsseldorf grundsätzlich eine Herkunftstäuschung durch Übernahme der fremden ASIN (LG Düsseldorf, Beschluss v. 15.09.2014, Az. 2a O 243/14).

Eine (jedenfalls spürbare) Irreführung im Sinne der §§ 3 Abs. 1, 2; 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG soll nach Auffassung des Landgerichts Düsseldorf aber nicht bereits dann vorliegen, wenn der Händler, der sich an das fremde Angebot anhängt, denselben Lieferanten hat wie der Inhaber der ASIN, und dieser das Produkt lediglich umverpackt und die GTIN des Lieferanten entfernt und seine eigene GTIN aufgeklebt hat. Diese Einschränkung ist unserer Meinung nach falsch. Hierzu führte das Landgericht Düsseldorf aus:

Eine Irreführung im Sinne der genannten Vorschriften liegt vor, wenn die angesprochenen Verkehrskreise sich aufgrund der Werbeaussage bestimmt Vorstellungen machen, die nicht der Wirklichkeit entspricht und deshalb täuschen kann. […] Eine irreführende geschäftliche Handlung kann auch nicht damit begründet werden, dass die Produkte des Verfügungsklägers eine andere GTIN aufweisen, als die des Verfügungsbeklagten. Denn jedenfalls bei geringpreisigen Produkten machen sich die Verkehrskreise keine Gedanken darüber, über welchen Lieferanten sie das Produkt erhalten, wenn sicher feststeht, dass der Hersteller beider Produkte derselbe ist.

Rechtsprechung ist sich nicht einig

In vorherigen Entscheidungen hatte sowohl das Landgericht Bochum (Urteil v. 03.11.2011, Az. 14 O 151/11) als auch das Landgericht Bremen (Beschluss v. 10.01.2012, Az. 7 O 1983/11) jeweils entschieden, dass das Anhängen an fremde Angebote bei Amazon und die Übernahme der fremden ASIN per se nicht wettbewerbswidrig ist.

Die genannten Entscheidungen zeigen, dass es für Händler empfehlenswert ist, die Produkte individuell zu gestalten und auch Massenprodukte aus China in gewissem Maße zu modifizieren. Wenn die entsprechenden Maßnahmen proaktiv ergriffen werden, kann der Händler sich auch gegen das „Anhängen“ wehren. Hierfür bedarf es im Zweifel einer individuellen Beratung, um später seine Rechte notfalls auch gerichtlich durchsetzen zu können.

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