Werbung im Gesundheitsbereich – gar nicht so einfach!
Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg hat entschieden, dass Werbung für Sonnencreme mit dem Begriff „HEV Blue Light“ irreführend sein kann, wenn aufgrund der Gesamtumstände beim Verbraucher ein falscher Eindruck bezüglich der Angaben über die Waren entsteht. Dies gilt auch dann, wenn die Werbeaussage wörtlich genommen zutreffend ist (Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 07.09.2023, Az.: 15 U 113/22).
Die Antragstellerin wandte sich im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens gegen verschiedene Werbeaussagen einer Mitbewerberin. Die Antragsgegnerin hatte für den Vertrieb von Sonnencreme in Apotheken mit dem Begriff „Innovation“ und dem Slogan „1. Sonnenschutz aus der P.F. Forschung mit HEV Blue Light Filter“ sowie dem Slogan „Unser neuer Standard im Sonnenschutz“ geworben. Darüber hinaus hatte die Antragsgegnerin die Schutzfunktion der Sonnencreme gegen verschiedene Arten von Sonnenstrahlung in der Reihenfolge „UVB UVA HEV Blue Light“ ausgelobt. Die Antragstellerin hält diese Werbung für irreführend.
Irreführende Werbung bezüglich Angaben über Waren
Die Antragstellerin stützte sich auf §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 UWG. Danach ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über Waren, insbesondere über deren wesentliche Merkmale, Vorteile, Zwecktauglichkeit, Verwendungsmöglichkeiten oder über die von der Verwendung zu erwartenden Ergebnisse enthält.
Weicht das Verständnis, das eine Werbung bei den angesprochenen Verkehrskreisen erweckt, von den tatsächlichen Gegebenheiten ab, liegt eine Irreführung vor. Bei diesem Vergleich ist zu beachten, dass es auf den Gesamteindruck der Werbung ankommt und sich eine zergliedernde Betrachtung einzelner Elemente der konkreten Werbung verbietet.
HEV Blue Light weniger gefährlich als UV-Strahlen
Inwieweit ein Schutz vor HEV Blue Light sinnvoll ist, ist in der Wissenschaft umstritten. Unbestritten ist jedoch, dass UVB- und UVA-Strahlen für die Haut schädlicher sind. Neben einem organischen Filter gegen UV-Strahlung enthalten einige Sonnencremes seit längerem einen mineralischen Filter gegen HEV Blue Light. Dazu gehören auch die Produkte der Antragsgegnerin.
Mit der streitgegenständlichen Werbung hatte die Antragsgegnerin für eine Sonnencreme geworben, die erstmals einen neuen organischen Filter enthielt, der vor UV-Strahlung und HEV Blue Light schützen soll.
Auch zutreffende Werbeaussagen können irreführend sein
Nach Ansicht des Gerichts suggeriert der Begriff „Innovation“ eine positive Neuerung, die das Produkt verbessert und einen Fortschritt darstellt. Zwar sei der Begriff an sich im streitgegenständlichen Fall zutreffend, da die Sonnencreme einen neuartigen und innovativen Filter enthalte. Allerdings können auch wörtlich zutreffende Werbeaussagen irreführend sein, wenn sie im konkreten Zusammenhang anders und falsch verstanden werden, so das HansOLG Hamburg.
Dies sei hier der Fall, da der Verbraucher nicht darüber informiert werde, dass es sich bei der beworbenen Innovation um die Art des Filters handele. Vielmehr gehe der Verbraucher bei Würdigung der Gesamtumstände davon aus, dass es sich bei dem beworbenen Produkt um das erste Sonnenschutzmittel mit HEV Blue Filter überhaupt handele. Ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise verbinde daher im vorliegenden Fall mit der objektiv richtigen Angabe „Innovation“ eine unrichtige Vorstellung.
Werbung für Sonnencreme – Kontext und richtige Formulierung wichtig
Das Gericht entschied, dass auch die Slogans „1. Sonnenschutz aus der P.F.-Forschung mit HEV Blue Light Filter“ und „unser neuer Standard“ in ihrer konkreten Ausgestaltung irreführend seien. Unter der letztgenannten Aussage verstehe der Verkehr einen insgesamt neuen Standard bezogen auf den gesamten Sonnencrememarkt. Dass es sich bei dem konkreten Slogan lediglich um einen reinen Selbstvergleich handele, werde dem Verbraucher wiederum vorenthalten.
Besonders hohe Anforderungen bei Werbung mit Gesundheitsbezug
Irreführend ist nach Auffassung des Gerichts auch die Darstellung der verschiedenen Arten von Sonnenstrahlung in der Reihenfolge „UVB UVA HEV Blue Light“ unter Berücksichtigung der entsprechenden grafischen Gestaltung. Die Aufmachung der Werbung erwecke bei den angesprochenen Verbrauchern den unzutreffenden Eindruck, dass die drei Strahlungsarten hinsichtlich ihrer Gefährlichkeit und der Bedeutung eines Schutzes hiergegen gleichwertig seien oder dass dem HEV Blue Light sogar eine noch größere Gefährlichkeit beizumessen sei.
Das Gericht betonte, dass besonders die Platzierung der Werbung in Apotheken zu berücksichtigen sei. Denn hier erwarte der Verbraucher regelmäßig hochwertige und wirksame Sonnenschutzmittel. Hieraus folgt, dass bei Werbung im Gesundheitsbereich noch strengere Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit zu stellen sind. Dies gilt auch für kosmetische Mittel – wie hier die streitgegenständliche Sonnencreme – vor gesundheitlichen Beeinträchtigungen der menschlichen Haut schützen sollen.
Ziel: Fehlvorstellungen vermeiden
Insgesamt zeigt die Entscheidung, dass Werbung im Gesundheitsbereich eine anspruchsvolle Aufgabe ist. Um Irreführungen zu vermeiden, ist auf eine richtige Formulierung und eindeutige Darstellung der Angaben über Waren zu achten. Dabei ist stets die Werbung als Ganzes zu berücksichtigen. Denn auch wörtlich zutreffende Werbeaussagen können im konkreten Kontext als irreführend angesehen werden.