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Kampf um die Kartenhoheit: Weiterverkauf kann wettbewerbswidrig sein

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© Melinda Nagy – Fotolia.com

Der kommerzielle Zweitmarkthandel mit Eintrittskarten ist Veranstaltern sportlicher und kultureller Großereignisse schon lange ein Dorn im Auge, werden diese doch oft für ein Vielfaches des Ursprungspreises verkauft.

Das LG Hannover hat nun entschieden, dass der Weiterverkauf von Veranstaltungstickets zu einem Preis von mehr als 25 Prozent über dem Normalpreis in bestimmten Fällen wettbewerbswidrig ist. Dies gelte jedenfalls dann, wenn eine Online-Plattform, die den Weiterverkauf vermittelt, sich nicht an die Bedingungen des ursprünglichen Kartenverkäufers hält (LG Hannover, Urteil v. 21.01.2019, Az. 18 O 92/18).

Die neue Entscheidung bringt die Veranstalter damit ein großes Stück weiter beim Kampf gegen überteuerte Zweitmarktangebote.

Vermittlungsplattform überschreitet die vereinbarte Preisgrenze 

Die Beklagte betrieb ein Online-Portal, auf welchem Nutzer im Zweitmarkt Eintrittskarten für Veranstaltungen suchen und sich beschaffen konnten. Hierfür nahm die Plattformbetreiberin ein Vermittlungsentgelt.

Die allgemeine Geschäftsbedingungen der Beklagten enthielten die folgende Beschreibung ihrer Tätigkeit:

„Die (…)  Dienstleistung besteht aus folgendem:

 dem Finden eines verkaufswilligen Eigentümers (…) jenes …, welches der Kunde erwerben will, sowie die grundsätzliche Schaffung der Möglichkeit für den Kunden, das entsprechende (…) auf ihn selbst umpersonalisiert und hernach zumindest faktischen Besitz an selbigem vom vorherigen Eigentümer zu erhalten.“

Unter anderem wurden auf dem Online-Portal auch Konzertkarten einer bekannten Sängerin vermittelt. Vom originären Veranstalter wurden die personalisierten Eintrittskarten mit dem folgenden Hinweis verkauft:

„Die Karten sind personalisiert. Der Name des Zugangsberechtigten ist in der Leerzeile auf der Karte einzutragen. Die Zugangsberechtigung wird nicht erworben, wenn ein gewerblicher Vermittler oder Vertreter eingeschaltet wird.

Die Zugangsberechtigung ist nur unter den nachfolgenden Bedingungen auf Dritte übertragbar: Der Dritte darf keinen höheren Preis als den auf der Karte aufgedruckten Preis zzgl. maximal insgesamt 25% für Nebenkosten (…) zahlen und muss alle Rechte und Pflichten aus dem Veranstaltungsbesuchsvertrag – einschließlich des Weiterverkaufsverbots – übernehmen (…).

Nur wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, darf der Name des ursprünglich Zugangsberechtigten in der o.g. Leerzeile durchgestrichen und mit dem Namen des Dritten, der die Zugangsberechtigung erwirbt, ersetzt werden. Der Besitz des Tickets verbrieft kein Zutrittsrecht zu der Veranstaltung. Zutrittsberechtigt ist, wer das Besuchsrecht selbst vom Veranstalter erworben hat.“

Dennoch überstieg der Preis für die Eintrittskarten auf dem Online-Portal inklusive der Vermittlungsgebühr die Grenze von max. 25% des Ausgabepreises.

Der Kläger, ein berufsständischer Verband der deutschen Veranstaltungsbranche, hielt das Verhalten der Beklagten für wettbewerbswidrig. Die Eintrittskarten seien wirksam personalisiert und könnten somit nicht auf jeden beliebigen Dritten übertragen werden. Es bestehe daher die Gefahr, dass den Kunden der Beklagten der Einlass zu den Veranstaltungen verwehrt werde. Deshalb seien die Verkaufsangebote rechtswidrig gemäß § 3 Abs. 3 UWG i.V.m. Nr. 9 des Anhangs sowie gemäß § 5 Abs. 1 UWG. Nach Ansicht des Klägers diene die Personalisierung von Eintrittskarten der Geringhaltung der Preise und damit auch dem Schutz des Rufes des Veranstalters.

Nach erfolgloser Abmahnung und Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung ging der Verband gegen die Zweitmarktplattform gerichtlich vor.

Darf man Tickets weiterverkaufen?

Grundsätzlich kann privaten Käufern, die das Ticket zum privaten Gebrauch erworben haben, der Weiterverkauf nicht verboten werden.

Details dazu lesen Sie im folgenden LHR-Magazin-Artikel:

Die Veranstalter versuchen zwar ein solches Weiterverkaufsverbot durch die Verwendung von AGB und durch einen Kartenaufdruck (“Der Weiterverkauf ist nicht gestattet”) durchzusetzen. Diese AGB sind bei einem generellen Weiterverkaufsverbot gegenüber Privatpersonen aber unwirksam. Zwar dürfen die Veranstalter festlegen, dass der Verkauf der Karten ausschließlich zum privaten Gebrauch erfolgt und darüber hinaus grundsätzlich auch eine Weiterververäußerung unter bestimmten Umständen verbieten.

Ein generelles Weiterverkaufsverbot benachteiligt den privaten Käufer aber in unangemessener Art und Weise und ist unwirksam. Dieses Ergebnis entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der in einem wegweisenden Urteil festgestellt hat, dass es privaten Käufern möglich sein muss, im Falle einer Erkrankung oder einer Verhinderung die Karte weiterverkaufen zu können (vgl. BGH, Urteil v. 11.09.2008, Az. I ZR 74/06).

Verstoß gegen die AGB des Veranstalters

Das LG Hannover entschied im Prozess um die Wiederverkaufspreise von personalisierten Eintrittskarten zu Gunsten des Klägers.

Das Gericht sah in dem Verhalten der Beklagten einen Wettbewerbsverstoß gemäß § 3 Abs. 3 UWG i.V.m. Nr. 9 des Anhangs. Nach Auffassung der Richter, erwecke die Beklagte den Eindruck, es handle sich um Eintrittskarten, die zum Zutritt der Veranstaltung berechtigen würden. Dies sei jedoch nicht der Fall, da ein Verstoß gegen die AGB-Bestimmungen des ursprünglichen Kartenverkäufers vorliege.

Danach entsteht kein Zutrittsrecht, wenn der Weiterverkaufspreis höher als 25% des Ursprungspreises liege. Diese Grenze werde durch die Beklagte jedoch überschritten. Das Gericht stellte dabei auf die Gesamtkosten ab, die der neue Erwerber auf dem Zweitmarkt insgesamt zahle.

Die Auffassung der Beklagten, wonach nur auf den reinen Ticketpreis ohne Berücksichtigung der Vermittlungsgebühr abzustellen ist, teilte das LG Hannover nicht. Es handle sich dabei um eine künstliche Aufspaltung in zwei Beträge, denn am Ende sei von den Kunden der Gesamtpreis für die Eintrittskarte zu zahlen.

Die Veranstalter haben durch die oben wiedergegebenen Beschränkungen deutlich gemacht, dass sie Zutritt zu der Veranstaltung nur dann gewähren wollen, wenn die auf der Eintrittskarte aufgedruckten Bedingungen eingehalten sind. Das Weiterverkaufsverbot gelte somit unabhänging davon, ob der Name des Karteninhabers  tatsächlich in die Leerzeile eingetragen wurde oder nicht, denn entscheidend ist nicht der Inhalt der Urkunde selbst, sondern der zum Ausdruck gekommene Wille des Ausstellers. Es spielt zudem keine Rolle, ob der Namensaufdruck beim Einlass kontrolliert und durchgesetzt wird.

Zulässigkeit der AGB auf Eintrittskarten

Die Bestimmungen des Veranstalters seien kartellrechtlich nicht zu beanstanden und sachlich gerechtfertigt. Nach Auffassung des Gerichts bestünde ein schützenswertes Interesse des Publikums an der Geringhaltung der Preise. Durch die Festlegung der Preisgrenzen für die Weiterveräußerung von Eintrittskarten könnten auch weniger vermögende Interessenten die Veranstaltungen besuchen. Die Sicherung eines solchen sozialen Preisgefüges stelle schon in Anbetracht des dadurch erworbenen sozialen Ansehens der Veranstalter ein berechtigtes Interesse dar und liefere gleichzeitig einen gesamtgesellschaftlich erwünschten Beitrag. Dem Interesse an einer grundsätzlichen Weitergabe der Eintrittskarten (z.B. im Krankheits- oder Verhinderungsfall) ist genüge getan, denn eine Übertragung auf Dritte ist nicht gänzlich ausgeschlossen.

Praktische Aspekte

Die Rechtsprechung hat bereits mehrfach deutlich gemacht, dass es die Veranstalter durch die Ausgabe personalisierter Karten in der Hand hätten, rechtlich wirksame Veräußerungsverbote zu vereinbaren. Bei Verstößen sehen die AGB der Veranstalter in der Regel sowohl Vertragsstrafen als auch Verfall des Zutrittsrechts vor. Der Kauf und Verkauf von Veranstaltungstickets über Zweitmärkte ist somit immer mit einem gewissen Risiko verbunden.

Der Zweitkäufer läuft unter Umständen Gefahr ein „wertloses“ Ticket zu kaufen, welches ihm keinen Zutritt zur Veranstaltung garantiert. Sollte derjenige, der auf dem Ticket abgedruckt ist, nicht mit dem Karteninhaber übereinstimmen, könnte der Einlass verweigert werden. Das ist zum einen für den Käufer aufgrund der zeitlichen und finanziellen Aufwendungen sehr ärgerlich. Auch das erhoffte Konzerterlebnis fällt dann leider aus.

Auch der Erstkäufer muss dann unter Umständen Abmahnungen und Schadensersatzansprüche des Zweitkäufers fürchten, welche er dann im Zweifel erst in einem gerichtlichen Verfahren abwenden kann. Die Berechtigung dieser Forderungen hängt dann im Ergebnis von der Gestaltung des Zweitmarkts, der AGB und nicht zuletzt von der Gesinnung des Richters ab, der die Interessenabwägung vorzunehmen hat.

Zu Gunsten eines gesicherten Veranstaltungserlebnisses sollten Ticketkäufe und -verkäufe aus unserer Sicht daher immer über die offiziellen Erst- und Zweitmärkte erfolgen. Denn über diese ist man zum einen vor horrenden Preisen geschützt und zum anderen kann man Fahrt zur Konzerthalle ohne Sorgen antreten.

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