LG Köln: YouTube-Kanal gehört dem Kunden – Wann Agenturen sich wegen Erpressung strafbar machen
Für Unternehmen, Influencer und Coaches ist eine starke Präsenz auf Plattformen wie YouTube unverzichtbar. Oft werden externe Agenturen beauftragt, diese professionell aufzubauen und zu verwalten. Doch was passiert, wenn die Dienstleister ihre Machtposition ausnutzen, um Kunden unter Druck zu setzen?
Ein aktuelles Urteil des LG Köln zeigt eindrucksvoll, wie Kunden vor solchen Praktiken geschützt werden können – sowohl zivilrechtlich als auch durch strafrechtliche Maßnahmen. Dieser Artikel beleuchtet die Hintergründe des Falls, analysiert die strafrechtliche Dimension und gibt praktische Handlungsempfehlungen für Kunden, die mit ähnlichen Problemen konfrontiert sein könnten.
Ein YouTube-Kanal wird zur Erpressungswaffe
Im Mittelpunkt des Falls steht eine Steuerberatungsgesellschaft, die eine Marketingagentur mit dem Aufbau und der Betreuung eines YouTube-Kanals beauftragte. Über Jahre funktionierte die Zusammenarbeit zunächst reibungslos – bis die Agentur begann, ihre Machtposition auszunutzen.
Die Eskalation
- Blockade des Zugangs: Die Agentur verweigerte dem Kunden den Zugriff auf den Kanal und änderte eigenmächtig die Zugangsrechte.
- Löschung von Inhalten: Sämtliche Videos wurden ohne Zustimmung entfernt, und der Kanal erhielt einen neuen Namen, um die Verbindung zum ursprünglichen Inhaber zu verschleiern.
- Drohungen und Erpressung: Die Agentur stellte ein Ultimatum: Ohne Zahlung von angeblich offenen Forderungen – trotz fehlender Gegenleistungen – werde der Kanal „offline“ genommen und nicht zurückgegeben.
Die Entscheidung des LG Köln
Das Landgericht Köln stellte sich klar auf die Seite der Steuerberatungsgesellschaft und entschied (LG Köln, Urteil v. 19.12.2024, Az. 33 O 195/23, nicht rechtskräftig):
- Eigentum am Kanal: Der Kanal gehört wirtschaftlich dem Kunden, der ihn finanzierte und als Teil seiner geschäftlichen Außendarstellung nutzte.
- Treuepflichten verletzt: Die Agentur hat durch die Drohungen und eigenmächtigen Maßnahmen gegen wesentliche vertragliche Treuepflichten verstoßen.
- Kündigungsrecht bestätigt: Die außerordentliche Kündigung durch den Kunden war rechtmäßig, und der Agentur wurde untersagt, weitere Änderungen am Kanal vorzunehmen.
Strafrechtliche Dimension: Erpressung und Datenmanipulation
Neben den zivilrechtlichen Folgen ist der Fall auch aus strafrechtlicher Sicht brisant. Die Handlungen der Agentur erfüllen mehrere Straftatbestände:
1. Erpressung (§ 253 StGB)
Die Drohung, den YouTube-Kanal abzuschalten oder Inhalte zu löschen, um Zahlungen zu erzwingen, stellt eine strafbare Erpressung dar. Ein solches Verhalten zielt darauf ab, den Kunden mit einem empfindlichen Übel – in diesem Fall dem Verlust eines zentralen Marketingtools – unter Druck zu setzen.
2. Datenveränderung (§ 303a StGB)
Das eigenmächtige Löschen von Videos und die Umbenennung des Kanals sind strafbare Datenveränderungen. Diese Handlungen führten dazu, dass der rechtmäßige Eigentümer keinen Zugriff mehr auf seine Inhalte hatte und erhebliche Schäden erlitt.
3. Datenunterdrückung (§ 303a StGB)
Selbst wenn die Inhalte nicht vollständig gelöscht wurden, stellt das Verhindern des Zugriffs auf die Daten eine Datenunterdrückung dar, die ebenfalls strafrechtlich verfolgt werden kann.
Warum diese Handlungen strafrechtlich relevant sind:
Die strafrechtlichen Vorschriften sollen sicherstellen, dass digitale Güter und Plattformen ebenso geschützt sind wie physische Vermögenswerte. Ein YouTube-Kanal, der zentrale Inhalte eines Unternehmens speichert, ist rechtlich gesehen ein Vermögenswert. Das eigenmächtige Entfernen oder Manipulieren solcher Inhalte ist vergleichbar mit dem Diebstahl oder der Beschädigung von physischen Gütern.
Welche Konsequenzen drohen der Agentur?
Agenturen, die in einer solchen Weise gegen ihre Kunden vorgehen, riskieren nicht nur zivilrechtliche Ansprüche, sondern auch strafrechtliche Konsequenzen:
- Schadensersatzforderungen: Kunden können umfassende Entschädigungen für verlorene Einnahmen, Reputationsschäden und Wiederherstellungskosten geltend machen.
- Strafrechtliche Verfolgung: Die beteiligten Verantwortlichen müssen mit Geld- oder sogar Freiheitsstrafen rechnen.
- Reputationsverlust: Eine strafrechtliche Verurteilung kann die Agentur nachhaltig schädigen und zukünftige Kundenbeziehungen gefährden.
Praktische Handlungsempfehlungen für Kunden
Dieser Fall zeigt, wie wichtig es ist, sich frühzeitig abzusichern und die Kontrolle über eigene Plattformen zu behalten.
1. Vertragliche Regelungen überprüfen:
Stellen Sie sicher, dass im Vertrag klar geregelt ist, dass der Kanal und seine Inhalte Ihr Eigentum sind. Vereinbaren Sie, dass Sie als Hauptadministrator eingetragen sind und die alleinigen Zugriffsrechte besitzen.
2. Zugriffsrechte kontrollieren:
Lassen Sie sich alle Zugangsdaten aushändigen und prüfen Sie regelmäßig, ob Sie vollständigen Zugriff haben. Arbeiten Sie nur mit Dienstleistern zusammen, die transparent arbeiten und regelmäßig über ihre Tätigkeiten berichten.
3. Rechtliche Schritte bei Problemen:
Sollten Drohungen oder Manipulationen auftreten, ziehen Sie sofort rechtlichen Beistand hinzu. Neben einer zivilrechtlichen Klage sollten Sie auch die strafrechtliche Dimension prüfen lassen, um den Druck auf die Gegenseite zu erhöhen.
Ein Weckruf für die Branche
Das Urteil des LG Köln und die strafrechtliche Bewertung des Falls sind ein deutliches Signal an alle Agenturen, ihre Geschäftsgebaren zu überdenken. Kunden sollten niemals in eine Position geraten, in der sie von Dritten abhängig sind oder erpresst werden können.
Der Fall zeigt aber auch, dass das Recht auf ihrer Seite steht – und dass sie sowohl zivil- als auch strafrechtlich gegen solche Praktiken vorgehen können.
(Offenlegung: LHR hat die Kläger vertreten.)