Zuständigkeit deutscher Gerichte bei Veröffentlichung in der New York Times
Der BGH hat am 02.03.2010 entscheiden, dass die deutschen Gerichte für eine Klage wegen Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts durch einen im Internet abrufbaren Artikel international zuständig sind, wenn der Artikel deutliche Bezüge nach Deutschland aufweist. Die Vorinstanzen LG und OLG Düsseldorf hatten die Klage noch abgewiesen.
Die Begründung der Entscheidung liegt bisher noch nicht vor, es existiert lediglich eine entsprechende Pressemitteilung:
„Der in Deutschland wohnhafte Kläger nimmt die Verlegerin der Tageszeitung „The New York Times“ sowie den in New York ansässigen Autor eines am 12. Juni 2001 in den Internetauftritt der Zeitung eingestellten und dort im „Online-Archiv“ zum Abruf bereit gehaltenen Artikels, durch den sich der Kläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt sieht, auf Unterlassung in Anspruch. Beide Vorinstanzen haben die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte verneint und die Klage deshalb als unzulässig abgewiesen. Auf die Revision des Klägers hat der u.a. für den Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist gemäß § 32 ZPO gegeben. Nach § 32 ZPO ist für Klagen aus unerlaubten Handlungen das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist. Begehungsort der deliktischen Handlung ist dabei sowohl der Handlungs- als auch der Erfolgsort. Der Erfolgsort der vom Kläger behaupteten Persönlichkeitsrechtsverletzung liegt in Deutschland, weil dort der Eingriff in das geschützte Rechtsgut droht. Der angegriffene Artikel weist einen deutlichen Inlandsbezug auf, der ein erhebliches Interesse deutscher Internetnutzer an seiner Kenntnisnahme nahe legt. In dem angegriffenen Artikel wird der in Deutschland wohnhafte Kläger namentlich genannt. Ihm werden unter Berufung auf Berichte europäischer Strafverfolgungsbehörden Verbindungen zur russischen Mafia nachgesagt. Es wird behauptet, seine Firma in Deutschland sei ausweislich der Berichte deutscher Strafverfolgungsbehörden Teil eines Netzwerkes des internationalen organisierten Verbrechens und dem Kläger sei die Einreise in die USA untersagt. Bei dieser Sachlage liegt es nahe, dass der Artikel im Inland zur Kenntnis genommen wurde oder wird. Bei der „New York Times“ handelt es sich um ein international anerkanntes Presseerzeugnis, das einen weltweiten Interessentenkreis ansprechen und erreichen will. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war und ist die Online-Ausgabe der Zeitung auch in Deutschland abrufbar. Deutschland ist im Registrierungsbereich des Online-Portals ausdrücklich als „country of residence“ aufgeführt. Im Juni 2001 waren nach den Feststellungen des Berufungsgerichts 14.484 Internetnutzer registriert, die Deutschland als Wohnsitz angegeben hatten.
Urteil vom 2. März 2010 – VI ZR 23/09
LG Düsseldorf – Entscheidung vom 9. Januar 2008 – 12 O 393/02
OLG Düsseldorf – Entscheidung vom 30. Dezember 2008 – I-15 U 17/08
Karlsruhe, den 2. März 2010″
Fazit:
In Zeiten des Internets keine überraschende Entscheidung. Denn, während es anerkannt ist, dass nicht bereits die bloße technische Abrufbarkeit im World Wide Web eine entsprechende internationale Klagemöglichkeit schafft, muss etwas anderes gelten, wenn der Verursacher einer Rechtsverletzung sich die umfassende Erreichbarkeit seiner Veröffentlichung zu Nutze macht.
Selbst den Kritikern des „fliegenden Gerichtsstands“ müsste einleuchten, dass es nicht sein kann, dass der Rechtsverletzer die „Früchte“ der weltweiten Erreichbarkeit genießen können, aber nicht auch spiegelbildlich für dadurch verursachte Störungen haften soll.
UPDATE 10.8.2016:
Der BGH wird voraussichtlich für das Persönlichkeitrecht konsequenterweise von seiner bisherigen Auffassung abweichen müssen. Nach der – von Instanzgerichten ohnehin oft missverstandenen – Entscheidung „New York Times“-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil v. 2.3.2010, Az. VI ZR 23/09, GRUR 2010, 461, 463) waren deutsche Gerichte nur zuständig,
„…wenn die als rechtsverletzend beanstandeten Inhalte objektiv einen deutlichen Bezug zum Inland in dem Sinne aufweisen, dass eine Kollision der widerstreitenden Interessen – Interesse des Klägers an der Achtung seines Persönlichkeitsrechts einerseits, Interesse des Beklagten an der Gestaltung seines Internetauftritts und an einer Berichterstattung ande- rerseits – nach den Umständen des konkreten Falls, insbesondere aufgrund des Inhalts der beanstandeten Meldung, im Inland tatsächlich eingetreten sein kann oder eintreten kann.“
Diese Definition ist nun überholt.
Denn der EuGH hat auch für Persönlichkeitsrechtsverletzungen entschieden, dass eine diesbezügliche Schadensersatzklage auch vor den Gerichten jedes Mitgliedstaates erhoben werden kann, in dessen Hoheitsgebiet ein im Internet veröffentlichter Inhalt zugänglich ist oder war (EuGH, Urteil vom 25.10.2011, Az. – C-509/09 und C-161/10 eDate Advertising GmbH/X und Martinez/MGN Ltd.). Das bedeutet nichts weniger, als dass jetzt jeder Verstoß im Internet, egal, unter welcher Topleveldomain, oder auf welcher Sprache er stattfindet, in Deutschland im Wege der Unterlassungsklage angegriffen werden kann.
Für das Urheberrecht hat der BGH seine Rechtssprechung bereits angepasst.
Lesen Sie unseren Artikel BGH: Für die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte genügt die bloße Abrufbarkeit der Internetseite in Deutschland.