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Wenn der Staat der Presse nicht mehr fern genug ist: Zur Zulässigkeit eines kostenlosen Amtsblatts mit redaktionellem Teil

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BGH Amtsblatt
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Nachdem bereits die Vorinstanzen einen Unterlassungsanspruch hinsichtlich der kostenlosen Verteilung eines „erweiterten“ kommunalen Amtsblatts der Klägerin bejahten, wurde die Sache nun dem BGH (Az. I ZR 112/17) zur höchstrichterlichen Entscheidung vorgelegt. Im Raum steht unter anderem ein Verstoß der verteilenden Kommune gegen das Gebot der Staatsfreiheit der Presse, da das streitgegenständliche Amtsblatt neben amtlichen Mitteilungen auch redaktionelle Beiträge und Anzeigen enthielt.

Großer Wirbel um das „Stadtblatt“

Durch die Kommunalverfassungen der Bundesländer wird festgelegt, dass die jeweilige Gemeinde bestimmen muss, wo sie die öffentlichen bzw. amtlichen Bekanntmachungen veröffentlicht. Ein von Gemeinden gern genutztes Instrument hierzu ist das sog. Amtsblatt.

Gegen die kostenlose Verbreitung eines solchen Amtsblatts ging die Klägerin, ein privates Verlagsunternehmen, gerichtlich vor. Die Klägerin bot im streitgegenständlichen Gebiet sowohl eine kostenpflichtige Tageszeitung als auch ein kostenloses Anzeigenblatt an. Die auf Unterlassung verklagte Kommune ließ das als „Stadtblatt“ bezeichnete Amtsblatt, welches neben amtlichen Mitteilungen auch redaktionelle Beiträge und Anzeigen beinhaltete, kostenlos an die Haushalte im Stadtgebiet verteilen.

Die Klägerin sah darin einen Wettbewerbsverstoß und machte in der Folge einen Unterlassungsanspruch aus § 3a UWG in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG (Gebot der Staatsferne der Presse) geltend.

Die Vorinstanzen untersagten die Verteilung

Die Beklagte unterlag in den Vorinstanzen vor dem LG Ellwangen (LG Ellwangen, Urt. v. 28.7.2016, Az. 10 O 17/16) und dem OLG Stuttgart (OLG Stuttgart, Urt. v. 03.5.2017, Az. 4 U 160/16). Das OLG Stuttgart vertrat die Auffassung, dass Amtsblätter nicht über das gesamte politische und gesellschaftliche Leben der Gemeinde berichten dürften, sondern lediglich über den Zuständigkeitsbereich der Gemeinde betreffende Inhalte bzw. über konkrete Ereignisse. Die Richter bejahten einen Verstoß gegen das Gebot der Staatsfreiheit der Presse und untersagten die kostenlose Verteilung des „Stadtblatts“ vorläufig.

Nach § 3a UWG sei für das Vorliegen einer unlauteren Handlung zunächst die Zuwiderhandlung einer gesetzlichen Vorschrift nötig. Diesen Rechtsbruch sah das OLG Stuttgart im bejahten Verstoß gegen das Gebot der Staatsferne der Presse Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG als dadurch erfüllt an, dass das „Stadtblatt“ auch redaktionelle Bestandteile enthielt.

Wie wird der BGH entscheiden?

Am 13. September 2018 wird der BGH (Az. I ZR 112/17) zum Anspruch auf Unterlassung der kostenlosen Verteilung eines „Stadtblatts“ verhandeln. Es bleibt abzuwarten, ob die Richter des I. Zivilsenats sich dem Urteil des OLG Stuttgart anschließen und somit Amtsblättern, welche auch Raum für redaktionelle Beiträge bieten, einen Riegel vorschieben werden.

Umstritten ist jedoch, welchen Umfang ein solcher redaktionelle Teil haben darf, um keinen Verstoß gegen die Pressefreiheit aus Art. 5 GG zu begründen. Insbesondere wurde in der Vergangenheit eingewendet, dass bei einem hohen redaktionellen Anteil die Gefahr bestehe, dass sich Bürger ausschließlich durch Lektüre des entsprechenden Amtsblatts über das Tagesgeschehen der Region informieren und somit – in Verbindung mit dem Schalten von Anzeigen – der lokalen privaten Presse große Konkurrenz erwachsen könnte.

Dass die örtliche Presse durch das „Stadtblatt“ in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht werde, wurde von der Klägerin zwar weder behauptet noch dargelegt. Das OLG sah im Gebot der Einhaltung der Staatsfreiheit der Presse eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3 a UWG an, weshalb es nicht noch zusätzlich auf eine Existenzgefährdung der privaten Presse ankomme. Es solle lediglich einer Grenzüberschreitung des Art. 5 GG durch den Staat Einhalt geboten werden.

Das Urteil könnte weitreichende Folgen haben

Sollte der BGH die Rechtsprechung der Vorinstanz bestätigen, hätte dies weitreichende Folgen für wohl einige Kommunen in ganz Deutschland, die ihr Amtsblatt mit redaktionellen Inhalten ausschmücken. Insbesondere die höchstrichterliche Klärung der Frage, ab welchem Umfang redaktioneller Inhalte innerhalb eines Amtsblatts ein Verstoß gegen das Gebot der Staatsferne der Presse aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG angenommen werden kann, bleibt abzuwarten.

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