BGH: Unterlassungsvereinbarungen bei Vorliegen von Rechtsmissbrauch kündbar
Wird nach einer Unterlassungserklärung ein Verstoß festgestellt, führt dies im Normalfall zu einer weiteren Abmahnung und der Forderung nach der vereinbarten Vertragsstrafe.
Doch was, wenn der Verdacht besteht, dass das vorrangige Ziel der Abmahnung die Erzielung gerade dieser Vertragsstrafen war?
Mit der Frage, ob die Unterlassungsvereinbarung dann von dem Schuldner gekündigt werden kann und in welchem Fall das so ist, beschäftigte sich nun der BGH.
Strafbewehrte Unterlassungsvereinbarung aufgrund fehlerhafter CE-Kennzeichnung
In dem vorliegenden Fall ging es um zwei Online-Händler, die über eBay unter anderem Kopfhörer verkauften. Einem der Händler fiel ein Verstoß des anderen Händlers gegen das zu dem Zeitpunkt noch geltende Elektro- und Elektronikgerätegesetz und gegen die Elektro- und Elektronikgeräte-Stoff-Verordnung wegen einer fehlerhaften CE-Kennzeichnung auf.
Daraufhin schlossen die Parteien eine Unterlassungsvereinbarung, indem der Händler, der die Kopfhörer ohne CE-Kennzeichnung verkaufte, Anfang Juni 2014 nach einer Abmahnung des anderen Händlers eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgab. Hierin sicherte er dem anderen zu, keine Ware mehr ohne entsprechende CE-Kennzeichnung zu veräußern. Für den Fall der Zuwiderhandlung vereinbarte man die Zahlung einer Vertragsstrafe.
Noch im gleichen Monat tätigte der Abmahnende sieben Testkäufe bei dem abgemahnten Händler und stellte Verstöße gegen die Unterlassungsvereinbarung fest. Er mahnte den Händler im August erneut ab und verlangte die Zahlung einer Vertragsstrafe.
Alle Instanzen kamen zum gleichen Ergebnis
Nachdem sich der Abgemahnte weigerte, die Vertragsstrafe zu zahlen, erhob der abmahnende Händler Klage. Mit der Klage machte er neben einem Unterlassungsanspruch auch den vertraglichen Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe geltend.
Noch vor dem anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung kündigte die beklagte Partei die Unterlassungsvereinbarung außerordentlich mit der Begründung, dass das Vorgehen des Klägers rechtsmissbräuchlich gewesen sei: Der klagende Händler habe bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs vor allem Gebühren erzielen wollen. Das Landgericht wies daraufhin die Klage ab. Auch die darauffolgende Berufung blieb ohne Erfolg für den Kläger.
Nun bestätigte der BGH die Ansicht des Beklagten und stimmte der Aussage zu, der Kläger habe sachfremde Ziele verfolgt, denn der Verstoß gegen die Unterlassungserklärung sei nur entdeckt worden, weil der Kläger den Beklagten „getestet“ habe. Er habe lediglich Zahlungen erreichen wollen. In diesem Verhalten sei ein Rechtsmissbrauch zu erblicken.
Rechtsmissbrauch als wichtiger Grund
Die Karlsruher Richter stellten in dem ersten Leitsatz ihres Urteils fest:
„Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten bei einer Abmahnung kann einen wichtigen Grund für die Kündigung einer auf der Abmahnung beruhenden Unterlassungsvereinbarung darstellen.“
Die Unterlassungsvereinbarung habe der Beklagte deswegen außerordentlich kündigen dürfen, weil der wichtige Grund, der für eine außerordentliche Kündigung vorliegen muss, in dem rechtsmissbräuchlichen Handeln des Klägers zu sehen sei.
Außerdem stellte der BGH fest: Dem Anspruch auf die Zahlung einer Vertragsstrafe, die vor der Kündigung der Erklärung angefallen ist, stehe der Einwand des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB entgegen (BGH, Urteil v. 14.02.2019, Az. I ZR 6/17).
Das heißt, sogar wenn eine Vertragsstrafe vorher eigentlich angefallen wäre, hat der vormalige Gläubiger hierauf keinen Anspruch mehr.
Fazit
Auch wenn die Sache im hiesigen Fall ein gutes Ende für den mit der Vertragsstrafe belasteten Händler nahm, sollten Online-Händler bei Unterlassungserklärungen Vorsicht walten lassen. Denn nur in Ausnahmefällen kommt im Nachhinein die außerordentliche Kündigung einer strafbewehrten Unterlassungserklärung in Betracht.
Bevor ein Online-Händler eine Unterlassungserklärung abgibt und damit einen Unterlassungsvertrag zustande kommen lässt, sollte er sich also vergewissern, dass sich der vom Mitwettbewerber gerügte Verstoß nicht wiederholen wird. Nur so können Vertragsstrafen vermieden werden.
Kommt es nach der Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgrund eines weiteren Verstoßes nun doch zu einer Vertragsstrafe, ist es ratsam, sich durch eine entsprechende Recherche mit dem Verhalten des Unterlassungsgläubigers zu befassen. Eventuell lässt sich so ein rechtsmissbräuchliches Verhalten feststellen, welches eine außerordentliche Kündigung der Unterlassungserklärung rechtfertigen könnte.