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Früher war mehr Lametta

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„Er ist leicht überheblich, übt gern Kritik, auch an Vorgesetzten. Bestimmend für sein Wesen ist seine ausgesprochen mimische und darstellerische Begabung. Er ist geistig beweglich und verfügt über eine gute Auffassungsgabe.“

Diese Beurteilung des „Leutnant von Bülow, Bernhard-Viktor“ vom 5. April 1945 findet sich in den Akten der Wehrmacht und beschreibt jenen Menschen recht treffend, der weniger als Soldat denn als Humorist bekannt wurde – und dann auch unter seinem Künstlernamen: „Loriot“.

Komische Kommunikationsanalyse

Ein Markenzeichen Loriots ist das souveräne Spiel mit unterschiedlichen Sprachniveaus. In seinen Sketchen kritisiert er dünkelhafte Status- und Fachsprachen in ihrer ausschließenden Wirkung, vor allem aber in ihrer unsinnigen Gestelztheit, die in dieser Weise wohl nur im Deutschen zur vollen Entfaltung kommen kann.

Die Kunst der positiven Umschreibung an sich banaler, oftmals auch unangenehmer Sachverhalte, wie sie in Politik und Werbung immer neue Varianten erfährt, wird bei ihm ins Absurde übersteigert: Ein „Doppelbett“ wird zum „klassischen Horizontalensemble“, die Landung eines aus dem Weltraum auf die Erde knallenden Bunkers gilt als „sportlich“ und eine viel zu lange Hose wird mit der beruhigenden Bemerkung schöngefärbt, man trage heute „das Beinkleid etwas reichlich“. Loriots berühmte Bundestagsrede, die ausschließlich Phrasen enthält, lässt sich von manchem Politiker-Statement kaum unterscheiden.

Loriot hat mit scharfem Sinn die Schwächen der Kommunikation durchschaut, zwischen Politesse und Autofahrer, zwischen Verkäufer und Kunde, zwischen Mann und Frau. Umgekehrt prägt er mit seinen überzogen positiven Formulierungen die Sprache der Freunde feiner Ironie. Bekommt man zu wenig auf den Teller, beschwert man sich nicht, sondern sagt mit Loriot: „Das ist… übersichtlich!“ Zweifelt man den Wert eines der inflationär angebotenen Abendschul-Abschlüsse an, dann nennt man ihn „Jodel-Diplom“. Da weiß jeder, was gemeint ist. Und wenn einem die Worte fehlen: „Da regt mich ja schon die Frage auf!“ Wer hätte noch nicht die Erfahrung gemacht: Ein Loriot-Zitat – und die Situation ist gerettet.

Ein Beschluss, ein Beschluss!

Es ist die hohe Kunst des vielleicht größten deutschen Humoristen aller Zeiten, das Belanglose immer wieder in etwas Besonderes verwandelt zu haben. Rein rechtlich ist damit das so entstandene Besondere als etwas Belangloses zu bewerten. Das hat zumindest das Oberlandesgericht München jüngst in einem Urteil festgestellt (OLG München, Beschluss v. 14.8.2019, Az. 6 W 927/19), in dem es um den Satz

Früher war mehr Lametta

ging.

Diesem Satz fehlt nach Auffassung der 33. Zivilkammer bei der maßgeblichen isolierten Betrachtung die hinreichende Schöpfungshöhe für einen Schutz nach § 2 UrhG: Seine Besonderheit und Originalität erfahre dieser Satz durch die Einbettung in den Loriot-Sketch „Weihnachten bei Hoppenstedts“ und die Situationskomik. Blende man dies aus, handele es sich um einen eher alltäglichen und belanglosen Satz, der entweder schlicht zum Ausdruck bringe, dass früher mehr Lametta benutzt wurde, oder – unter Verwendung des Wortes „Lametta“ als Metapher – dass früher mehr Schmuck, Glanz, festliche Stimmung oder Ähnliches war.

Das Besondere und das Belanglose

In der Tat: Das ist fein beobachtet. Loriot selbst hätte dieses Urteil wohl sehr gefallen, beschreibt es doch äußerst treffend das Geheimnis der Komik seiner Sketche und Filme: Belangloses wird so geschickt arrangiert, dass daraus Besonderes entsteht. Allzu Alltägliches wird einfach nur ein wenig weitergedacht und dadurch in dezente Zeit- und Kulturkritik transformiert, die auf urkomische Weise unsere Gewohn- und Gepflogenheiten aufs Korn nimmt. Nun also das: ein Beschluss, ein Beschluss!

Kommentieren kann man diesen wohl am besten auch mit einem Loriot-Zitat: „Ach, was?!“

Der Beitrag stammt von unserem freien Autor Josef Bordat. Er ist Teil unserer Reihe “Berichte aus der Parallelwelt”. Dort werfen Autoren aus anderen Fachbereichen einen Blick auf die Rechtswissenschaft in Theorie und Praxis. Die Beiträge betrachten, anders als unsere sonstigen Fachbeiträge Begebenheiten und Rechtsfälle daher auch nicht juristisch, sondern aus einem völlig anderen Blickwinkel. Aus welchem, das soll der Beurteilung der Leser überlassen bleiben. Interessant wird es, wie wir meinen, allemal.

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