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Onlinehandel: Neues BGH-Urteil zu Garantie-Informationspflichten

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Wie umfangreich muss ein Onlinehändler in einem Angebot über eine Garantie informieren? Die Frage brachte zwei Onlinehändler bis vor den Bundesgerichtshof. Dieser legte die Frage sogar dem Europäischen Gerichtshof vor und hat die Sache jetzt zugunsten des Beklagten entschieden (BGH, Urteil v. 10.11.2022, Az. I ZR 241/19).

 

Zwei Onlinehändler, die Taschenmesser vertrieben, stritten über ein Angebot eines der beiden Händler. Der Beklagte bot auf Amazon ein „Taschenwerkzeug Offiziersmesser Tinker rot“ von Victorinox an. Im Angebot gab es keine Angaben zu einer Garantie, aber unter der Zwischenüberschrift „Weitere technische Informationen“ einen Link mit der Bezeichnung „Betriebsanleitung“. Dieser führte zu einem zweiseitigen, vom Hersteller gestaltetes Produktinformationsblatt. Die erste Seite erläuterte ein in das Messer integriertes Mehrzweck-Werkzeug, die zweite Seite enthielt Hinweise auf weitere in das Messer integrierte Werkzeuge, zur Pflege des Messers sowie auf einen Hinweis auf eine dort sogenannte „V.-Garantie“. Diese umfasste zeitlich unbeschränkt jeden Material- und Fabrikationsfehler.

Die Klägerin war der Ansicht, die Beklagte habe damit keine ausreichenden Angaben zur Garantie gemacht. Sie beantragte, die Klägerin zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr Angebote für den Absatz von Taschenmessern an Verbraucher mit Hinweisen auf Garantien zu versehen, ohne hierbei auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers und darauf, dass diese durch die Garantie nicht eingeschränkt werden, hinzuweisen und ohne den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes anzugeben.

Vorlage vor den Europäischen Gerichtshof

Das Landgericht Bochum wies die Klage ab. Das Oberlandesgericht Hamm verurteilte den beklagten Onlinehändler hingegen. Der Bundesgerichtshof setzte das Verfahren aus und legte dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) Fragen zur Auslegung von Art. 6. Abs. 1 lit. m der EU-Richtlinie 2011/83 (Verbraucherrechte-Richtlinie) vor.

Nach § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB sind Unternehmer bei Fernabsatzverträgen verpflichtet, Verbraucher nach Maßgabe von Art. 246a des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) zu informieren. Nach Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 12 EGBGB sind Unternehmer verpflichtet, dem Verbraucher gegebenenfalls Informationen über das Bestehen und die Bedingungen von Kundendienst, Kundendienstleistungen und Garantien zur Verfügung zu stellen.

Anwendungsbereich von EU-Verbraucherrecht eröffnet

Der BGH entschied nun, dass die Warenpräsentation des Amazon-Händlers in den Anwendungsbereich von § 312d Abs. 1 S. 1 BGB, Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 12 EGBGB und Art. 6 Abs. 1 lit. m der Verbraucherrechte-Richtlinie fällt, weil sie sich auf einen im Fernabsatz zu schließenden Vertrag bezieht. Der Händler habe nicht nach diesen Vorschriften informieren müssen.

Herstellergarantie kein zentrales Merkmal der Präsentation

Die Herstellergarantie sei nämlich kein zentrales oder entscheidendes Merkmal der Internetpräsentation der Beklagten gewesen, welches eine Pflicht zur vorvertraglichen Verbraucherinformation über Bedingungen der Garantie hätte begründen können.

Lediglich „technisch-funktionale Erläuterungen“

Die Zwischenüberschrift „Weitere technische Informationen“ und der als „Betriebsanleitung“ bezeichnete Link deuteten, so der BGH, „auf technisch-funktionale Erläuterungen zu dem angebotenen Taschenmesser“ hin. Im verlinkten Produktinformationsblatt sei in der Garantieerklärung aufgrund der Bezeichnung als „V.-Garantie“ erkennbar gewesen, dass es sich um eine Herstellergarantie handelte.

Keine Pflicht zur Information über Herstellergarantie

Der Link auf der Angebotsseite zum Produktinformationsblatt des Herstellers und der darin genannten Garantie begründe keine Pflicht zur vorvertraglichen Information über die Bedingungen der Herstellergarantie. Allerdings sei eine Informationspflicht nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Garantie nicht vom Händler selbst, sondern vom Hersteller des Produkts stamme.

Gestaltung und Positionierung entscheidend

Für die Feststellung, ob die Herstellergarantie ein zentrales oder entscheidendes Merkmal des Angebots des Unternehmers darstellt, sei neben dem Inhalt und der allgemeinen Gestaltung des Angebots die Bedeutung der Erwähnung der gewerblichen Garantie des Herstellers als Verkaufs- oder Werbeargument zu berücksichtigen. Weitere Kriterien seien die Positionierung der Erwähnung der Garantie im Angebot sowie die Gefahr eines Irrtums oder einer Verwechslung, die durch eine solche Erwähnung bei einem Durchschnittsverbraucher hervorgerufen werden könnte. So hatte bereits der EuGH, der auf ein berechtigtes Interesse des Verbrauchers an Informationen zur Garantie abstellte, nach der Vorlage durch den BGH in seinem Urteil entschieden (EuGH, Urteil v. 05.05.2022, Az. C-179/21).

Neue Regeln für Garantieerklärung

Der BGH entschied auch, dass das Angebot der Beklagten den Anwendungsbereich von § 479 Abs. 1 BGB, Art. 6 Abs. 2 der EG-Richtlinie 1999/44 und Art. 17 Abs. 2 S. 3 der EU-Richtlinie 2019/771 betrifft. § 479 Abs. 1 BGB ist durch das Gesetz zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags vom 25. Juni 2021 mit Wirkung vom 1. Januar 2022 neu gefasst worden. Die EG-Richtlinie 1999/44 ist mit Wirkung vom 1. Januar 2022 durch die EU-Richtlinie 2019/771 ersetzt worden, die für ab dem 1. Januar 2022 geschlossene Verträge gilt. Gemäß dem neuen § 479 Abs. 1 BGB muss eine Garantieerklärung nach § 443 BGB einfach und verständlich abgefasst sein und einen Hinweis darauf enthalten, dass die gesetzlichen Mängelrechte durch die Garantie nicht eingeschränkt werden können. Außerdem muss über das vom Verbraucher einzuhaltende Verfahren für die Geltendmachung der Garantie informiert werden, über die Bestimmungen der Garantie sowie über deren räumlichen Geltungsbereich. Viele Onlinehändler, nicht nur auf Amazon, können nach dem Urteil nun ihre Angebote verlässlich an die neue Rechtslage anpassen.

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