Keine irreführende Werbung mit Testergebnis einer Konsumentenbefragung
Mit Urteil vom 12.05.2022 (BGH, Urteil v. 12.05.2022, Az. I ZR 203/20) hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die fehlende Neutralität des Veranstalters einer Konsumentenbefragung nicht allein daraus gefolgert werden, dass dieser den zu bewertenden Unternehmen Werbematerial zur Verfügung stellt, mit dessen Hilfe Verbraucher zur Abgabe einer Bewertung aufgefordert werden können.
Nach Ansicht des BGH fehlen Gütesiegeln, die auf Konsumentenbefragungen beruhen, damit nicht per se die zur Vermeidung einer wettbewerbswidrigen Irreführung notwendige Objektivität. Jedoch könnten Zweifel an dessen Objektivität aufkommen, wenn die Werbung den Kunden oder das Abstimmungsergebnis beeinflusse. Die Beweislast dafür trägt der Kläger.
„Die beste Online-Apotheke Deutschlands“
Klägerin des Rechtsstreits ist die Berufsvertretung der Apotheker im Bezirk Nordrhein. Die Beklagte ist eine in den Niederlanden ansässige Versandapotheke und liefert Arzneimittel nach Deutschland. Im Jahr 2019 warb die Beklagte in verschiedenen Werbespots mit dem Slogan „S. -Apotheke – Die beste Online-Apotheke Deutschlands“. Am rechten Bildrand erschien das Logo „Webshop Awards Germany 2018 – 2019 Online Apotheke“ und am unteren Bildrand in kleiner Schrift der Hinweis „Online-Verbraucher-Befragung in Deutschland im Zeitraum 15.05. bis 03.09.2018, durchgeführt von Q., insgesamt 87.650 Bewertungen in 20 Kategorien. Mehr Informationen unter ‚www.webshopawards.de'“. Auf dieser Internetseite fanden sich u.a. die folgenden Erläuterungen:
„In einer Online-Befragung, durchgeführt von Q., wählen die Verbraucher in Deutschland jährlich die besten Handelsketten und Online-Shops in verschiedenen Kategorien. Qualitativ bewertet werden die Handelsketten nach folgenden Kriterien: Preisniveau, Aktionen und Angebote, Produktqualität, Zusammenstellung des Sortiments, Service, Fachkenntnisse Personal, Kundenfreundlichkeit Personal, Erscheinungsbild und Erfahrung, Atmosphäre, Vertrauenswürdigkeit. Die Ergebnisse werden ausgewertet und notariell überprüft.
Um den Titel „Händler des Jahres Deutschland“ und/oder „Webshop Awards Germany“ zu tragen, muss Ihr (Online-)Geschäft nominiert sein. Sie brauchen hierfür 380 Beurteilungen. Diese Beurteilungen bekommen Sie durch Ihre Kunden, die können Sie online oder in den Geschäften zur Wahl aufrufen. Natürlich helfen wir Ihnen dabei. Darum stellen wir Ihnen die folgenden Werbematerialien zur Verfügung:
Gold – 1.500 € | Silber – 750 € | Bronze – Gratis“
Die Klägerin mahnte die Beklagte wegen der Werbung ab. Die Beklagte gab daraufhin eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab.
Im Juni und Juli 2019 warb die Beklagte erneut im Fernsehen mit dem Slogan „S. -Apotheke – Die beste Online-Apotheke Deutschlands“. Darunter befand sich nunmehr der durch einen roten Balken hervorgehobene Zusatz „Von Verbrauchern gewählt!“.
Daraufhin mahnte die Klägerin die Beklagte auch wegen dieser Werbung ab und forderte sie erfolglos zur Zahlung einer Vertragsstrafe auf. Die Beklagte wies die Ansprüche zurück.
OLG Stuttgart: Werbung ist irreführend
Das LG Stuttgart als auch das dortige OLG sahen die Werbung als irreführend an (§§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Fall 2 Nr. 1 UWG). Die Befragung sei nicht objektiv und neutral durchgeführt worden, so die Richter. Die Firmen wären davon ausgegangen, durch den Kauf „selbstverständlich“ ihre Chancen zu verbessern. Mit der Reklame sollte das Abstimmungsverhalten und damit das Ergebnis der Befragung beeinflusst werden.
BGH: Keine Anhaltspunkte einer Beeinflussung der Verbraucher erkennbar
Die Revision der Beklagten beim BGH hatte jedoch Erfolg:
Der BGH hob das angefochtene Urteil auf und entschied in der Sache selbst. Danach zufolge könne auf Grundlage der Feststellungen des OLG keine irreführende geschäftliche Handlung nach § 5 Abs. 1 UWG angenommen werden. Damit bestätigte der BGH seine bisherige Rechtsprechung, wonach eine geschäftliche Handlung, die eine iSv § 5 I 2 Fall 1 UWG unwahre Angabe enthält, unabhängig davon iSv § 5 I UWG irreführend sein kann, ob diese Angabe einen der in § 5 I 2 Fall 2 UWG aufgeführten Umstände betrifft.
Weiter führte der BGH aus, dass sich das OLG nicht vertieft mit der Frage auseinandergesetzt habe, welches Verständnis die beanstandete Werbung bei den damit angesprochenen Verkehrskreisen erwecke.
Das Gericht habe nicht ausreichend Anhaltspunkte dargelegt dafür, dass die Werbematerialien in irgendeiner Weise geeignet sein könnten, die dem Award zugrunde liegende qualitative Bewertung der teilnehmenden Unternehmen durch die Kunden und damit das Abstimmungsverhalten oder das Ergebnis zu beeinflussen und sie seien auch sonst nicht erkennbar, so der BGH.
Auch die Annahme einer fehlenden Unabhängigkeit oder Neutralität des Veranstalters der Befragung sei in der Entscheidung nicht ausreichend begründet worden. Insbesondere könne diese nicht (allein) daraus gefolgert werden, dass der Veranstalter den Unternehmen Material zur Verfügung stelle. Bei der Annahme des OLG, die Firmen gingen „selbstverständlich“ davon aus, ihre Chancen durch den Kauf des Materials zu verbessern, sei bereits unklar, welche Chancen (die auf Nominierung oder die auf bessere Bewertung) es dabei im Blick gehabt habe.
Praxishinweis
In der vorliegenden Entscheidung beschäftigt sich der BGH mit der praxisrelevanten Frage, wann die Werbung mit Umfrage- und Testergebnissen die Grenzen einer Irreführung überschreitet und daher untersagt werden kann.
Umfrageveranstalter und auch Unternehmen, die mit den Umfrageergebnissen werben, sollten Werbematerialien stets daraufhin überprüfen, ob diese die Bewertung durch die Kunden oder das Abstimmungsergebnis beeinflussen könnten.
Wann diese Schwelle konkret überschritten ist, hat der BGH in seiner Entscheidung aber offen -gelassen. Denkbar wäre eine Überschreitung etwa, wenn die Teilnahme an einem Gewinnspiel die Bewertung des jeweiligen Unternehmens in einer Onlineumfrage voraussetzt.